Wahrend einer der Manner die Karten aufdeckte, verteilte Pope die Pokerchips. Er erklarte Kommissar Newhouse:»Die schwarzen Chips sind funf Dollar wert, die roten zehn, dieblauen funfzig und die wei?en hundert. Jeder kauft erst einmal Chips fur funfhundert Dollar. Wir steigern die Einsatze dreimal. Der Kartengeberbestimmt, was gespielt wird.«
«Mir soll's recht sein«, sagte der Kommissar.
Anthony Orsatti war ubler Laune.»Los, fangen wir an. «Seine Stimme war ein ersticktes Flustern. Kein gutes Zeichen.
Orsattibrutete schwarze Gedanken: Ich war zu Joe Romano wie ein Vater. Ich habihm vertraut, ich habihn zu meiner rechten Hand gemacht. Und das Schwein hat mich austricksen wollen. Wenn mich diese hysterische franzosische Tante nicht angerufen hatte, hatte er's vielleicht auch geschafft. Na, jetzt schafft er's jedenfalls nicht mehr. Nicht da, wo er ist. Er hat sich ja fur so schlau gehalten. Dann soll er mal versuchen, ober die Fischebeschei?en kann.
«Tony, spielst du oder pa?t du?«
Orsatti konzentrierte sich wieder auf das Spiel. An diesem Tisch waren ungeheure Summe gewonnen und verloren worden. Es regte Anthony Orsatti immer auf, wenn er verlor, und das hatte nichts mit Geld zu tun. Er konnte einfach nicht verlieren. Er hielt sich fur den geborenen Gewinner. Nur Leute dieses Schlagesbrachten es zu einer solchen Position wie er. In den letzten sechs Wochen hatte Perry Pope eine irrwitzige Glucksstrahnebeim Pokern gehabt, und Anthony Orsatti war fest entschlossen, ihr heute ein Ende zu machen.
Aber wie er's auch anstellte — er verlor. Er erhohte die Einsatze, spielte au?erst gewagt, versuchte mit allen Mitteln, seine Verluste wieder hereinzuholen. Als sie gegen 24 Uhr aufhorten, um sich mit einem Imbi? zu starken, hatte Orsatti 50.000 Dollar verloren. Und der strahlende Gewinner hie? Perry Pope.
Das Essen war vorzuglich. Normalerweise lie? sich Orsatti den Imbi? gut schmecken, aber heute war er ungeduldig, wollte moglichstbald weiterspielen.
«Du i?t ja gar nichts, Tony«, sagte Perry Pope.
«Ich habkeinen Hunger. «Orsatti griff nach der silbernen Kanne zu seiner Rechten, go? sich Kaffee in eine Porzellantasse und nahm wieder am Spieltisch Platz. Er sah den anderenbeim Essen zu und hatte nur den Wunsch, da?
sie sichbeeilen sollten. Erbrannte darauf, sein Geld zuruckzugewinnen. Als er seinen Kaffee umruhrte, fiel irgend etwas in seine Tasse. Angewidert fischte er es mit dem Loffel heraus undbetrachtete es. Schien ein Stuck Putz zu sein. Erblickte zur Decke empor, und nun traf einBrocken seine Stirn. Plotzlichbemerkte er auch ein huschendes Gerausch uber sich.
«Was ist denn da oben los, verdammt noch mal?«fragte Anthony Orsatti.
Perry Pope war gerade dabei, Kommissar Newhouse eine lustige Geschichte zu erzahlen.»Verzeihung… was hast du gesagt, Tony?«
Das Gerausch war jetzt deutlicher vernehmbar. Kleine Stucke Putzbegannen auf den grunen Filz des Spieltisches zu rieseln.
«Hort sich so an, als hatten Sie Mause im Haus«, sagte der Senator.
«In diesem Haus gibt es keine Mause«, erwiderte Perry Pope emport.
«Aber irgendwas hast du hier, das ist sicher«, knurrte Orsatti.
Ein gro?eres Stuck Putz fiel auf den Spieltisch.
«Ich lasse Andre mal nachsehen«, sagte Pope.»Wenn wir jetzt alle fertig gegessen haben, konnten wir ja weiterspielen, okay?«
Anthony Orsatti starrte zu dem kleinen Loch in der Decke empor, das sich direkt uber seinem Kopfbefand.
«Moment. Erst gehen wir nach oben und schauen, was da ist.«
«Warum, Tony? Andre kann doch…«
Orsatti warbereits aufgestanden und schritt auf die Treppe zu. Die anderenblickten sich an. Dann eilten sie ihm nach.
«Wahrscheinlich hat sich ein Eichhornchen in den Speicher verirrt«, vermutete Perry Pope.»Um diese Jahreszeit sind die hier uberall. Es versteckt wohl seine Nusse fur den Winter. «Er
lachte uber seinen kleinen Scherz.
Orsatti stie? die Speichertur auf, und Perry Pope knipste das Licht an. Sie sahen fluchtig zwei Hamster, die hektisch durch den Raum sausten.
«Heiliger Gott!«sagte Perry Pope.»Ich habRatten im Haus!«
Anthony Orsatti horte nicht hin. Er stierte in den Speicher, in dessen Mitte ein Campingstuhl mit einem Stullenpaket und zwei offenenBierdosen stand. Gleich daneben auf demBoden lag ein Feldstecher.
Orsatti tat ein paar Schritte in den Raum, griff sich die Gegenstande undbetrachtete sie grundlich der Reihe nach. Dann kniete er auf dem staubigenBoden nieder, entfernte den kleinen, holzernen Pfropfen von dem Guckloch, das in die Decke gebohrt worden war, und lugte durch das Guckloch. Direkt unter ihmbefand sich der Spieltisch. Er war deutlich zu erkennen.
Perry Pope stand wie vom Donner geruhrt in der Mitte des Speichers.»Wer hat denn diesen ganzen Plunder hier raufgebracht, verdammt noch mal? Ich werde Andre die Holle hei? machen!«
Orsatti erhobsich langsam und wischte den Staubvon seiner Hose.
Perry Popeblickte auf denBoden.»Sieh dir das an!«rief er.»Die haben ein Loch in die Decke gemacht. Also, diese Handwerker sind wirklich der letzte Dreck.«
Er ging in die Hocke und warf einenBlick durch das Loch. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Er stand wieder auf undblickte wild in die Runde. Die Manner starrten ihn schweigend an.
«He!«sagte Perry Pope.»Ihr denkt doch nicht etwa, da? ich…? Also, nun aber, ihr kennt mich doch, Leute. Ich habe nichts damit zu tun. Ich wurde euch doch nie im Lebenbemogeln. Herrgott, wir sind ja schlie?lich Freunde!«Er fuhrte
ruckartig die rechte Hand zum Mund undbegann wie rasend an seinen Fingernageln zu knabbern.
Orsatti tatschelte ihm den Arm.»Nur ruhigBlut, mein Junge. «Seine Stimme war fast unhorbar.
Perry Pope kaute verzweifelt auf demblo?en Fleisch seines rechten Daumens herum.
14
«Zwei sind schon k. o., Tracy«, gluckste Ernestine Littlechap.»Wie man hort, arbeitet dein Freund Perry Pope nicht mehr als Rechtsverdreher. Er hatte 'nbosen Unfall.«
Tracy und Ernestine sa?en in einem kleinen Stra?encafe in der Nahe der Royal Street, tranken Milchkaffee und a?en Croissants.
Ernestine kicherte in den hochsten Tonen.»Dubist echt schlau. Willst du nicht mit mir 'n Geschaft aufmachen?«
«Nein danke, Ernestine. Ich habe andere Plane.«
Ernestine fragte interessiert:»Wer ist denn der nachste?«
«Richter Henry Lawrence.«
Henry Lawrence hatte seine Karriere als Kleinstadtanwalt in Leesville/Louisianabegonnen. Erbesa? wenig Talent zur Juristerei, aber er hatte zwei wichtige Eigenschaften: Er sah eindrucksvoll aus und er war moralisch flexibel. Seine Philosophie lautete, da? das Gesetz eine dunne Gerte sei, die denBedurfnissen seiner Mandanten gema? zurechtgebogen werden musse. Und so nahm es nicht wunder, da? Henry Lawrences Kanzlei, als er nach New Orleans ubersiedelte, binnen kurzem dank einer ganz speziellen Klientel zu florierenbegann. Zunachstbefa?te er sich nur mit minder schweren Vergehen und mit Verkehrsstrafsachen, ging dann allmahlich zu schweren Vergehen und Kapitalverbrechen uber, und als er den Sprung in die renommierten Anwaltsverbande geschafft hatte, war er ein Meister in derBeeinflussung von Geschworenen, Verunglimpfung von Zeugen undBestechung aller Personen, die fur» seinen «Fall von Nutzen sein konnten. Kurz, er war der rechte Mann fur Anthony Orsatti, und die
Wege derbeiden mu?ten sich einfach kreuzen. Es war eine Ehe, die im Mafia?Himmel geschlossen wurde. Lawrence entwickelte sich zum Sprachrohr von Orsattis Organisation, und als die Zeit gunstig war, sorgte Orsatti