ihr war, als sei sie von einer langen, erschopfenden Reise zuruckgekehrt. Schlaftrunken schaute sie sich in dem fremden Zimmer um — und das Herzbliebihr fast stehen. In einem Lehnstuhl am Fenster sa? Jeff und schlief. Es war unmoglich. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er sich die Diamanten geschnappt und war verschwunden. Was machte er hier? Und plotzlich sank Tracy der Mut, und sie wu?te es: Sie hatte ihm das falsche Kastchen gegeben, und Jeff hatte geglaubt, sie habe ihnbetrogen. Er mu?te sie aus dem sicheren Haus weggeschafft und in dieses Zimmer gebracht haben.

Tracy setzte sich auf. Auch Jeff ruhrte sich und offnete die Augen. Und als er sah, da? sie ihn anblickte, erhellte ein gluckliches Lacheln sein Gesicht.

«Willkommen, Tracy. «Es klang so erleichtert, da? Tracy ganz verwirrt war.

«Tut mir leid«, sagte sie. Ihre Stimme war ein heiseres Flustern.»Ich habe Ihnen das falsche Kastchen gegeben.«

«Wiebitte?«

«Ich habe die Kastchen verwechselt.«

Er kam zu ihr und sagte freundlich:»Nein, Tracy. Sie haben mir das richtige Kastchen gegeben. Die Diamanten sind schon auf dem Weg zu Gunther.«

Sie schaute ihn verdutzt an.»Aber — warum… warum sind Sie dann hier?«

Jeff setzte sich auf dieBettkante.»Als Sie mir die Diamanten gegeben haben, sahen Sie aus wie der Tod auf Raten. Ich

habe es fur das Schlaueste gehalten, zum Flughafen zu fahren und auf Sie zu warten. Ich wollte mich vergewissern, da? Sie Ihre Maschine auch wirklich erwischen. Aber Sie sind nicht aufgetaucht, und da wu?te ich, da? Sie Probleme haben. Ichbin zu dem sicheren Haus gefahren und habe Sie gefunden. Ich konnte sie dort nicht einfach sterben lassen«, sagte er leichthin.»Dann hatte die Polizei ja vielleicht Lunte gerochen.«

Tracybetrachtete ihn verwundert.»Jetzt verraten Sie mirbitte den wahren Grund dafur, da? Sie zuruckgekommen sind.«

«Zeit zum Fiebermessen«, sagte Jeff munter.

«Nicht ubel«, meinte er ein paar Minuten spater.»Ihre Temperatur ist jetzt nur noch einbi?chen erhoht. Sie sind eine musterhafte Patientin.«

«Jeff…«

«Vertrauen Sie mir«, sagte er.»Haben Sie Hunger?«

Hunger war gar kein Ausdruck. Tracy hatte einen ganzen Wochenmarkt kahlfressen konnen.»Ja, und wie«, antwortete sie.

«Gut. Dann hole ich was zu essen.«

Jeff kehrte mit einer Einkaufstute voll Orangensaft, Milch, Obst undBroodjes zuruck — Brotchen mit Kase, Fleisch und Fisch.

«Das ist die niederlandische Variante der Huhnerbruhe. Die Wirkung durfte die gleiche sein. Und jetzt essen Sie. Aber schon langsam.«

Er half ihrbeim Aufsetzen und futterte sie wie ein Kind. Er war zart undbehutsam, und Tracy dachte argwohnisch: Sauber ist das nicht. Der hat's auf irgendwas abgesehen.

Wahrend Tracy a?, sagte Jeff:»Ich habe unterwegs mit Gunther telefoniert. Er hat die Diamantenbekommen und Ihren Anteil am Geld auf Ihr Schweizer Konto eingezahlt.«

«Warum haben Sie sich nicht alles unter den Nagel

gerissen?«Es war eine ha?liche Frage, aber Tracy konnte leider nicht anders.

Jeff antwortete ernst:»Weil wir mit diesen albernen Spielchen aufhoren sollten, Tracy. Okay?«

Das war naturlich nur wieder einer von seinen Tricks, aber sie war zu mude, um sich Gedanken daruber zu machen.»Okay.«

«Wenn Sie mir Ihre Gro?e sagen«, fuhr Jeff fort,»gehe ich los und kaufe ein paar Kleider fur Sie. Die Niederlander sind sehr liberal, aber ich glaube, wenn Sie so rumlaufen wurden, waren sie doch etwas pikiert.«

Tracy zog dieBettdecke enger um sich, weil ihr plotzlichbewu?t wurde, da? sie nackt war. Jeff mu?te sie ausgezogen und gepflegt haben. Er hatte auf seine eigene Sicherheit gepfiffen. Warum? Sie hatte geglaubt, sie verstunde ihn. Aber ich verstehe ihn nicht im geringsten, dachte Tracy. Uberhaupt nicht.

Sie schlief wieder ein.

Am Nachmittag schleppte Jeff zwei volle Koffer an: Morgenmantel und Nachthemden, Unterwasche, Kleider und Schuhe, Kosmetikartikel, Kamm und Haarburste und Fon, Zahnburste und Zahnpasta. Er hatte auch einige Sachen fur sich gekauft und die International Herald Tribune mitgebracht. Auf der Titelseite stand einBericht uber den Diamantenraub. Die Polizei hatte herausgefunden, wie er verubt worden war, aber laut Auskunft der Zeitung hatten die Diebe keine Spuren hinterlassen.

«Alles klar!«sagte Jeff vergnugt.»Jetzt mussen wir Sie nur noch hochpappeln, und dann konnen wir uns seelenruhig aus dem Staubmachen.«

Die Anregung, der Presse solle die Information vorenthalten werden, da? man ein Seidentuch mit den Initialen TW gefunden hatte, stammte von Daniel Cooper.»Wir wissen,

wem es gehort«, hatte er zu Inspektor Trignant gesagt,»aber fur eine Anklage reicht das nicht aus. Ihre Anwalte wurden scharenweise Frauen mit denselben Initialen aufbieten, und Sie hatten sich unsterblichblamiert.«

Nach Coopers Meinung hatte sich die Polizeibereits unsterblichblamiert. Aber dasbehielt er fur sich. Gott wird sie mir uberantworten.

Er sa? im Dunkel einer kleinen Kirche auf einer hartenBank undbetete: O Herr, schenke sie mir. Gib, da? ich sie strafen und mich von meinen Sunden reinwaschen kann. DasBose soll aus ihrer Seele ausgetrieben werden, und ihr nackter Leibsoll gegei?elt werden… Und er dachte daran, da? Tracys nackter Leibin seiner Macht war, undbekam eine Erektion. In Angst und Schrecken eilte er aus der Kirche, damit Gott es nicht sah und ihn mit weiteren Strafen schlug.

Als Tracy erwachte, war es dunkel. Sie setzte sich auf und knipste die Nachttischlampe an. Sie war allein. Jeff war fort. Panik uberfiel sie. Sie hatte sich von ihm abhangig gemacht, und das war ein Fehler gewesen. Geschieht mir ganz recht, dachte Tracy verbittert. Jeff hatte gesagt:»Vertrauen Sie mir«, und sie hatte ihm vertraut. Er hatte sie nur gepflegt, um sich selbst zu schutzen — das war der einzige Grund. Und sie hatte geglaubt, er empfinde etwas fur sie. Sie hatte ihm vertrauen wollen, sie hatte das Gefuhl haben wollen, da? sie ihm etwasbedeutete. Tracy legte sich in die Kissen zuruck, schlo? die Augen und dachte: Trotzdem — er wird mir fehlen. Ja, er wird mir fehlen.

Gott hatte ihr einen seltsamen Streich gespielt. Warum denn ausgerechnet Jeff? fragte sie sich. Aber das war jetzt egal. Sie wurde Plane schmieden und diesen Ort so rasch wie moglich verlassen. Siebrauchte einen stillen Winkel, wo sie sich erholen konnte, wo sie sicher war. Oh, du Vollidiotin, dachte sie. Du…

Die Tur ging auf, und Jeff rief:»Tracy, sind Sie wach? Ich habe Ihnen ein paarBucher und Illustrierte mitgebracht. Ich dachte mir, Sie wollten vielleicht…«Erbrach mitten im Satz ab, als er ihren Gesichtsausdruck sah.»Ist was?«

«Jetzt ist alles gut«, flusterte Tracy.

Am nachsten Morgen hatte sie kein Fieber mehr.

«Ich wurde gern einbi?chen frische Luft schnappen«, sagte sie.»Machen Sie einen kleinen Spaziergang mit mir, Jeff?«

Drunten im Gasthof wurden sie regelrecht angestaunt. Die Wirtsleute freuten sich uber Tracys Genesung.»Ihr Mann war so wunderbar. Er hat daraufbestanden, alles fur Sie ohne Hilfe zu tun. Er war sobesorgt um Sie. Wie schon, wenn man einen Mann hat, der einen so liebt.«

Tracy schaute Jeff an, und sie hatte schworen konnen, da? er errotete.

Drau?en sagte Tracy:»Die sind aber nett.«

«Ach was«, entgegnete Jeff.»Die sindblo? gefuhlsduselig.«

Jeff hatte ein Feldbett ins Zimmer stellen lassen, auf dem er schlief. Es stand neben TracysBett. Als Tracy an diesem Abend in den Federn lag, dachte sie wieder daran, wie sich Jeff um sie gekummert, wie er sie gepflegt hatte. Sie spurte seine Gegenwart sehr stark und fuhlte sich geborgen. Und es machte sie nervos.

Tracy kam allmahlich wieder zu Kraften, und nun verbrachten Jeff und sie immer mehr Zeit damit, die malerische kleine Stadt zu erkunden. Sie liefen durch enge, gewundene Gassen mit Kopfsteinpflaster, schauten

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