so gut wie alles nach Wunsch gegangen. Er durfte sich wirklich fur den bevorzugten Gunstling des Gluckes ansehen, das sich ihm immer und uberall hold erwiesen hatte. Schon mit funfundzwanzig Jahren im Besitz eines ansehnlichen Vermogens, hatte er dieses durch gluckliche Speculationen und ohne jedweden Mi?erfolg zu verzehnfachen, zu verhundert-, zu vertausendfachen verstanden. Aus Chicago selbst geburtig, hatte er nur der wunderbaren Entwickelung dieser Stadt zu folgen gehabt, deren sechsundvierzigtausend Hektare – wie ein Reisender versichert – 1823 zweitausendfunfhundert Dollars werth waren, heute aber im Preise von achttausend Millionen stehen. William I. Hypperbone konnte also, indem er Grund und Boden billig kaufte und davon vieles an Kauflustige, das Quadratyard zu zwei-bis dreitausend Dollars, zur Erbauung achtundzwanzig Stockwerke hoher Hauser wieder abtrat, und indem er sich daneben an Eisenbahngrundungen, Petroleumbohrgeschaften und Goldbergwerken betheiligte, leicht so reich werden, da? er bei seinem Ableben ein ungeheures Vermogen hinterlie?. Mi? Anthonia Burgoyne hatte in der That unrecht daran gethan, sich eine so schone Heirat entgehen zu lassen.

Wenn es inde? nicht wundernehmen konnte, da? der unerbittliche Tod die Hundertjahrige in einem solchen Alter dahingerafft hatte, konnte man doch daruber erstaunt sein, da? William I. Hypperbone als kaum Halbhundertjahriger, der noch in der Vollkraft des Lebens stand, sich mit ihr in jener Welt, die er fur eine bessere zu halten gar keine Ursache hatte, so bald wieder vereinigen sollte.

Jetzt, wo er nicht mehr war, tauchte nun die Frage auf, wem die Millionen des ehrenwerthen Mitgliedes des Excentric Club zufallen wurden.

Anfanglich kam man auf den Gedanken, da? der Club wohl zum Universalerben des ersten seiner Mitglieder, das seit dessen Grundung dieser Welt Ade gesagt hatte, eingesetzt sein konnte – was die ubrigen Mitglieder vielleicht veranla?te, diesem Beispiele zu folgen.

William I. Hypperbone hatte namlich schon lange Zeit weit mehr in den Clubraumen der Mohawk Street als in seinem Hause in der La Salle Street gelebt. Er speiste dort, ruhte dort aus und ging ebenda seinen Vergnugungen nach, von denen die beliebteste – darauf ist hier Gewicht zu legen – das Spiel war, doch nicht etwa das Schach-oder Puffspiel, nicht Trictrac oder ein Kartenspiel, nicht Baccarat noch Trente et Quarante, nicht Landsknecht oder Poker auch nicht Ecarte oder Whist, sondern ein Spiel, das er selbst erst im Club eingefuhrt hatte und dem er mit Vorliebe huldigte.

Es war das das Gansespiel, das vornehme, nur mehr oder weniger modernisierte Spiel der Griechen des Alterthums. So leidenschaftlich war er diesem ergeben, da? er schlie?lich seine Clubgenossen dafur zu begeistern vermochte. Er konnte es gar nicht erwarten, nach den Launen des Wurfelfalls von Feld zu Feld zu springen, von einer Gans zur andern zu kommen, um die letzte dieser Bewohnerinnen des Geflugelhofs zu erreichen; es trieb ihn, auf der »Brucke« zu lustwandeln, im »Gasthofe« zu verweilen, sich im »Labyrinth. zu verirren, in den »Schacht. zu fallen, sich im »Gefangni?« einzumauern und an den »Todtenkopf« zu sto?en, sowie die Felder des »Seemanns, Fischers, des Hafens und des Hirsches, der Muhle, der Schlange, der Sonne, des Helms, des Lowen und Kaninchens, des Blumentopfes« u. s. w. u. s. w. zu uberschreiten.

Unter den so geldbeutelschweren Leuten des Excentric Club waren die nach den Spielregeln zu zahlenden Strafen naturlich nicht gering; sie gingen bis in die Tausende von Dollars, und der Gewinner steckte, so reich er auch sein mochte, die sehr ansehnliche Summe derselben stets mit Vergnugen in die Tasche.

Seit zehn Jahren schon verbrachte William I. Hypperbone also seine Tage meist in den Clubraumen; hochstens machte er dann und wann einen Spaziergang am Ufer des Michigansees. Ohne die Liebhaberei der Amerikaner, die Welt zu durchstreifen, hatte er seine Reisen auf das Gebiet der Vereinigten Staaten beschrankt. Warum sollten ihn seine Collegen, mit denen er stets auf dem besten Fu?e gestanden hatte, also nicht beerben?

William I. Hypperbone verbrachte seine Tage in den Clubraumen. (S. 27.)

Sie waren ja die einzigen lebenden Wesen, mit denen er durch die Bande geistiger Uebereinstimmung und bewahrter Freundschaft verknupft gewesen war. Sie hatten ja mit ihm die nie zu zugelnde Leidenschaft fur das edle Gansespiel getheilt, mit ihm gekampft auf dem Felde, wo der Zufall so viele Ueberraschungen bereitet. Mindestens mu?te William I. Hypperbone doch der Gedanke gekommen sein, einen jahrlich zu vertheilenden Preis fur den seiner treuen Partner zu stiften, der zwischen dem 1. Januar und dem 31. December die meisten Partien gewonnen hatte…

Wir mussen hier einschalten, da? der Verstorbene weder Familie noch einen directen oder einen Seitenerben hatte und da? auch keine erbberechtigten entfernten Verwandten vorhanden waren. Hatte er nicht letztwillig uber sein Vermogen verfugt, so fiel dieses naturlich der Bundesrepublik zu, die es gewi?, wie jeder beliebige monarchische Staat, annahm, ohne sich erst darum bitten zu lassen.

Um zu erfahren, wie es mit einem etwaigen Testamente des Dahingeschiedenen stande, brauchte man sich ubrigens nur in der Sheldon Street Nr. 17 an den Notar Tornbrock zu wenden und diesen zu fragen, erstens, ob ein Testament William I. Hypperbone’s uberhaupt vorhanden sei, und zweitens, welche Klauseln und Bestimmungen es enthalte.

»Meine Herren, erklarte Meister Tornbrock den Herren Georges B. Higginbotham, dem Vorsitzenden, und Thomas R. Carlisle, die vom Excentric Club beauftragt waren, bei dem sehr ernsthaften Gerichtsschreiber Erkundigungen in der vorliegenden Angelegenheit einzuziehen – ich erwartete schon, durch Ihren Besuch beehrt zu werden…

– Ganz auf unserer Seite! antworteten die beiden Clubmitglieder mit einer leichten Verbeugung.

– Doch, ehe wir uns mit dem Testamente selbst beschaftigen konnen, fuhr der Notar fort, wird erst das Begrabni? des Verstorbenen zu ordnen sein.

– Nun, soll das nicht, fiel Georges B. Higginbotham ein, mit all dem Glanze vor sich gehen, der unseres seligen Collegen wurdig ist?

– Ich habe mich nur an die Vorschriften meines Clienten zu halten, die in diesen Schriftstucken niedergelegt sind, erwiderte Tornbrock, indem er einen gro?en Briefumschlag, dessen Siegel er schon erbrochen hatte, vorwies.

– Und dieses Begrabni? wird…? fragte Thomas R. Carlisle.

– Gleichzeitig prunkhafter und freudiger Art sein, meine Herren; es wird unter Begleitung von Musikern und Sangern vor sich gehen und jedenfalls unter dem Zulauf einer gewaltigen Volksmenge, die es nicht unterlassen wird, dem Andenken William I. Hypperbone’s freudige Hurrahs darzubringen.

– Ich erwartete nichts anderes von einem Mitgliede unseres Clubs, au?erte der Prasident, zustimmend mit dem Kopfe nickend.

– Er konnte sich unmoglich wie ein gewohnlicher Sterblicher begraben lassen, setzte Thomas R. Carlisle hinzu.

– Ferner hat, nahm Tornbrock wieder das Wort, William I. Hypperbone seinen Willen dahin kund gethan, da? die gesammte Bevolkerung Chicagos bei seiner Bestattung durch eine Abordnung von sechs Personen vertreten sei, die unter gewissen Bedingungen durch Auslosung erwahlt worden sind. In Hinblick hierauf hatte er schon seit mehreren Monaten die Namen seiner Chicagoer Mitburger beiderlei Geschlechts – aller, die zwischen zwanzig und sechzig Jahre zahlten – in einer Urne gesammelt. Gestern – seine genauen Vorschriften verpflichteten mich dazu – hab’ ich diese Auslosung im Beisein des Burgermeisters und einiger Rathsherren vorgenommen. Den sechs ersten Personen, deren Namen gezogen worden waren, hab’ ich mittelst eingeschriebenen Briefes Mittheilung von den Bestimmungen des Entseelten zugehen lassen und sie eingeladen, beim Leichenzuge mit an der Spitze zu gehen, habe sie auch dringend ersucht, sich der Pflicht, dem Verstorbenen die letzten Ehren zu erweisen, nicht zu entziehen…

– Sie werden sich wohl huten, auszubleiben, rief Thomas R. Carlisle, denn aller Vermuthung nach durften sie von dem Testator sehr reichlich bedacht sein, wenn er sie nicht gar als alleinige Erben eingesetzt hat.

– Das ware ja moglich, meinte Tornbrock, erstaunen wurde ich daruber wenigstens nicht.

– Und welchen Bedingungen mussen die durch das Los bestimmten Personen entsprechen? erkundigte sich Georges B. Higginbotham.

– Nur einer einzigen, erklarte der Notar, sie mussen in Chicago geboren und hier wohnhaft sein.

– Wie… keiner andern?

– Keiner!

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