»Guten Abend, Vater Kabani«, sagte Rumata, als er uber die Schwelle schritt.
»Ich hei?e Euch willkommen«, erwiderte Vater Kabani mit heiserer Stimme, die wie ein Hifthorn klang.
Rumata naherte sich sporenklirrend dem Tisch, lie? seine Handschuhe auf die Bank fallen und warf einen zweiten Blick auf Vater Kabani. Der sa? unbeweglich da und stutzte sein Hangegesicht mit den Handflachen. Seine zottigen, halbergrauten Brauen hingen ihm bis uber die Wangen wie verdorrtes Gras uber einer Schlucht. Aus den Nustern seiner grobporigen Nase flog bei jedem Ausatmen mit Gepfeife eine Portion Luft, durchtrankt von halbverdautem Alkohol.
»Ich hab es selber erfunden!« sagte er plotzlich unvermutet. Mit gro?er Anstrengung zog er seine rechte Braue in die Hohe und richtete ein trubes Auge auf Rumata. »Ich selbst! Und wozu?« Er zog seine rechte Hand unter den Hangebacken hervor und fuhr mit einem behaarten Finger ziellos hin und her. »Und trotzdem tauge ich nichts!… Ich habe es erfunden … Und doch tauge ich nichts, wie?! Ja, ja, ein Versager … Und uberhaupt erfindet keiner von uns etwas, keiner kommt im Grund selber auf was drauf, sondern … Wei?-der-Teufel-was …!«
Rumata schnallte seinen Gurtel auf und legte den Fes und die Schwerter ab.
»Na, ist schon gut«, sagte er.
»Die Kiste!« krachzte Vater Kabani laut. Dann schwieg er lange Zeit und vollfuhrte seltsame Bewegungen mit seinen Backen. Ohne seinen Blick von dem Alten zu wenden, hob Rumata seine Fu?e, die in staubigen Reitstiefeln steckten, uber die Bank und lie? sich nieder. Seine beiden Schwerter legte er nebeneinander auf den Tisch.
»Die Kiste …«, wiederholte Vater Kabani mit sinkender Stimme. »
Vater Kabani verstummte wieder und krummte sich langsam nach vorn, als ob ihn jemand am Kragen gepackt hatte. Rumata fa?te den Krug, schaute hinein und go? dann einige Tropfen auf seinen Handrucken. Die Flussigkeit war violett und roch penetrant nach Fusel. Rumata trocknete mit einem Spitzentuch sorgfaltig seine Hand. Auf dem Tuch blieben Fettflecken zuruck. Der zerwuhlte Kopf des Vater Kabani beruhrte den Tisch, fuhr aber sofort wieder hoch.
»Wer das alles in die Kiste steckte, der wu?te auch, wozu es gut war … Stacheldraht gegen die Wolfe?! Das habe ich alter Esel dazugedichtet. Die Gruben, die Bergwerke umzaunen sie mit diesem Stacheldraht! Damit ihnen nicht die politischen Haftlinge davonlaufen. Aber ich tu da nicht mit …! Bin selber ein Staatsverbrecher. Aber hat man mich gefragt? Jawohl, man hat mich gefragt! Stacheldraht, was? Nun denn, Stacheldraht eben. Gegen die Wolfe, was? Gegen die Wolfe … Ausgezeichnet … Prachtkerl! Umzaunen wir also die Gruben … Don Reba selbst, der Erste Minister, hat dabei mitgemacht. Und er hat auch meine Fleischmaschine requiriert. Prachtkerl, wie? Ein schlaues Kopfchen, was …! Und jetzt macht er damit im Turm der Frohlichkeit Hackfleisch … aus Menschen … Und das wirkt Wunder beim Verhor, erzahlt man sich …« Ich kenne das, dachte Rumata. Ich kenne das alles. Ich wei?, wie du in Don Rebas Privataudienz gebrullt hast, wie du um seine Fu?e gekrochen bist und gefleht hast: Hor auf, ich gestehe! Aber es war schon zu spat. Deine Fleischmaschine war schon angelaufen … Vater Kabani ergriff den Krug und fuhrte ihn an seinen behaarten Mund. Wahrend er das giftige Gesoff hinunterschuttete, brullte er wie das Wildschwein
»Ja, Feuerwasser!« sagte er, als er schlie?lich seine Stimme wiedergefunden hatte. »Als Zunder fur den Herd und zu lustigen Feuerspielen. Aber was ist denn das fur ein Feuerwasser, wenn man es trinken kann? Einmal ins Bier gemischt, und das Bier wird keinen Preis mehr haben. Aber nein, ich geb’ es euch nicht! Ich werde es selber trinken … Und ich trinke es! Am Tag trinke ich! Und nachts auch. Bin schon ganz aufgequollen. Und falle immer tiefer. Unlangst, Don Rumata, Ihr werdet es nicht glauben, bin ich zum Spiegel gegangen – ich war entsetzt … Ich schaue – Gott helfe mir! Was ist da noch von Vater Kabani geblieben?! Ein Meeresungeheuer, ein Polyp, ubersat mit farbigen Flecken. Hier rote. Dort blaue … Fur lustige Feuerspiele also, hei?t es, hat man das Feuerwasser erfunden …«
Vater Kabani spuckte auf den Tisch und scharrte dann mit dem Fu? auf dem Boden, um es zu verreiben. Dann fragte er plotzlich: »Was ist heut fur ein Tag?«
»Der Vorabend Kata des Gerechten«, sagte Rumata.
»Und warum scheint die Sonne nicht?«
»Weil es Nacht ist.«
»Schon wieder Nacht«, sagte Vater Kabani gequalt und fiel mit dem Gesicht auf die angenagten Ruben.
Rumata betrachtete ihn noch eine Weile und pfiff dabei leise zwischen den Zahnen. Dann erhob er sich und ging in die