gezuckten Hellebarden an ihnen vorbei – sie nahmen die Verfolgung des Barons auf. Im Gesicht Don Rebas veranderte sich etwas. »Nun gut«, sagte er. »Lassen wir das … Oh, ich sehe hier den hochgelehrten Doktor Budach … Sie sehen prachtig aus, Doktor. Ich mu? einmal mein Gefangnis inspizieren. Staatsverbrecher und auch Freigelassene durfen das Gefangnis nicht zuFu? verlassen, sie mussen hinausgetragen werden.«

Doktor Budach sturzte sich mit den Bewegungen eines Blinden auf ihn. Rumata trat rasch zwischen die beiden.

»Ubrigens, Don Reba«, sagte er, »was halten Sie von Vater Arima?«

»Vater Arima?« Don Reba zog die Brauen hoch. »Ein ausgezeichneter Krieger. Nimmt eine hohe Stelle in meinem Episkopat ein. Aber was soll die Frage?«

»Als treuer Diener Eurer Herrlichkeit«, sagte Rumata und verneigte sich mit sichtlicher Schadenfreude, »beeile ich mich, Ihnen zu melden, da? Sie diese hohe Stelle als vakant betrachten konnen.«

»Aber wieso denn?«

Rumata warf einen Blick in die Gasse, wo sich der aufgewirbelte gelbe Staub noch nicht gesetzt hatte. Auch Don Reba schaute dort hin. Auf seinem Gesicht erschien ein besorgter Ausdruck.

Es war schon spat am Nachmittag, als Kyra den edlen Herrn und seinen hochgelehrten Freund zu Tisch bat. Nachdem sich Doktor Budach gewaschen, sorgfaltig rasiert und umgezogen hatte, machte er einen angenehmen, achtunggebietenden Eindruck. Seine Bewegungen waren langsam und voll Wurde, seine klugen grauen Augen blickten wohlwollend und etwas herablassend drein. Zuallererst entschuldigte er sich bei Rumata fur sein Aufbrausen auf dem Platz.

»Aber Sie mussen mich verstehen«, sagte er. »Er ist ein grauenvoller Mensch. Er ist ein Untier, das nur durch ein gottliches Versehen auf diese Welt kam. Ich bin Arzt, aber ich schame mich nicht, zuzugeben, da? ich ihn, wenn ich nur Gelegenheit hatte, umbringen wurde. Ich horte, da? der Konig vergiftet ist. Und jetzt verstehe ich, wie er umkam.« Rumata spitzte die Ohren. »Dieser Reba kam zu mir in die Zelle und forderte von mir, ich solle ihm ein Gift mischen, das in wenigen Stunden wirkt. Ich habe es naturlich abgelehnt. Er drohte mir mit Folterungen – ich lachte ihm ins Gesicht. Da rief dieses Scheusal die Henkersknechte herbei, und sie brachten ihm auf seinen Befehl ein Dutzend Knaben und Madchen, nicht alter als zehn Jahre. Er stellte sie in einer Reihe vor mir auf, offnete meine Arzneitasche und erklarte, er werde alle Medikamente der Reihe nach an diesen Kindern ausprobieren, bis er das richtige gefunden habe. – So ist der Konig vergiftet worden, Don Rumata …«

Budadis Lippen begannen zu zittern, doch er hatte sich gleich wieder in der Gewalt. Rumata wandte sich rucksichtsvoll ab und nickte. Jetzt verstehe ich, dachte er. Alles verstehe ich jetzt. Aus den Handen seines Ministers hatte der Konig nicht einmal eine Gurke genommen. Und der Gauner unterschob dem Konig irgendeinen dahergelaufenen Scharlatan, dem man den Titel eines Leibarztes fur die Heilung des Konigs versprach. Und jetzt ist es auch klar, warum Reba so triumphierte, als ich ihn blo?stellte im Schlafzimmer des Konigs: Man hatte sich schwerlich ein besseres Mittel ausdenken konnen, dem Konig einen falschen Budach zu unterschieben. Die ganze Verantwortung fiel nun auf Rumata von Estorien, den irukanischen Verschworer und Spion. Wir sind doch dumme junge Hunde, dachte er. Im Institut mu? man einen Spezialkurs fur feudale Intrigen einfuhren. Und einen andern, um die Fahigkeit zu erwerben, die Rebas richtig einzuschatzen. Noch besser naturlich auch die Dezi-Rebas. Ubrigens, wohin sollten denn … Doktor Budach war offenbar ganz ausgehungert. Trotzdem lehnte er die Fleischspeisen hoflich, aber entschieden ab und beehrte nur die Salate sowie die Mehlspeisen mit seiner Aufmerksamkeit. Er trank auch ein Glas Estorischen, und in seine Augen kam wieder frischer Glanz, und seine Wangen zeigten eine gesunde Rote. Rumata brachte keinen Bissen hinunter. Vor seinen Augen knisterten und qualmten noch immer die scharlachroten Fackeln, er verspurte den Geruch von versengtem Fleisch, und in seiner Kehle steckte ein faustgro?er Klumpen. Und so wartete er, bis Doktor Budach sich gesattigt hatte, lehnte am Fenster und fuhrte ein hofliches Gesprach, langsam und ruhig, um seinen Gast nicht beim Kauen zu storen. In die Stadt kam langsam wieder Leben. Auf der Stra?e zeigten sich Menschen, die Stimmen wurden lauter, man horte das Schlagen von Hammern und Krachen von Holz; von den Mauern und Giebeln schlug man die Gotzenbilder herab. Ein glatzkopfiger dicker Kramer schob einen Karren mit einem Fa? Bier vor sich her, um es auf dem Platz fur zwei Groschen den Krug zu verkaufen. Die Leute hakten sich unter. Im Torbogen gegenuber unterhielt sich mit naselnder Stimme der Spion und Leibwachter mit einer hageren Frau. Unter dem Fenster rollten Fuhren vorbei, die stockhoch beladen waren. Rumata verstand zuerst nicht, was das fur Fuhren waren, aber dann sah er blauschwarze Hande und Fu?e unter den Bastmatten hervorragen und ging rasch wieder vom Fenster weg. »Das Wesen des Menschen«, sagte Budach bedachtig kauend, »besteht in seiner Fahigkeit, sich an alles zu gewohnen. Es gibt in der Natur nichts, woran sich der Mensch nicht anpassen konnte. Kein Pferd, kein Hund und keine Maus besitzt diese Fahigkeit. Vermutlich hat Gott bei der Erschaffung des Menschen daran gedacht, welchen Qualen er ihn auf der Erde aussetzt, und gab ihm einen gro?en Vorrat an Geduld. Naturlich ist es schwer zu sagen, ob das gut ist oder nicht. Ware der Mensch nicht mit solcher Geduld und solch einer Fahigkeit zu leiden ausgestattet – alle guten Menschen waren schon langst umgekommen, und auf der Welt blieben nur die Seelenlosen und Bosen. Andererseits aber verwandelt das Dulden und die Anpassung die Menschen in wortlose Tiere, die sich durch nichts au?er ihrem Korperbau von den Tieren unterscheiden und sie sogar an Wehrlosigkeit noch ubertreffen. Und jeder Tag gebiert neue Schrecken von Bosheit und Gewalt …«

Rumata blickte zu Kyra. Sie sa? Budach gegenuber und horte ihm angestrengt zu, eine Wange auf ihre kleine Faust gestutzt. Ihre Augen waren voll Trauer: Offenbar tat ihr die Menschheit leid. »Wahrscheinlich haben Sie recht, verehrter Budach«, sagte Rumata. »Aber

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