Sie hatte eine merkwurdige Art und keine sehr liebevollen Eltern. Sie haben sie mir aufgedrangt, weil sie von ihren Launen genug hatten. Ich hatte auf meinen Vater horen sollen. Aber wie Du immer sagst, ich war zu jung, um zu wissen, worauf ich mich einlie?.

Gro?es Ehrenwort, Liebste, was ich fur Dich empfinde, habe ich fur keine andere Frau empfunden. Zu Elsie fuhlte ich mich aus Einsamkeit hingezogen. Zu Dir fuhle ich mich aus Liebe hingezogen. Liebste Freundin, Du hilfst mir durch die dunklen Stunden. Ich hoffe, dieser Alptraum wird bald vorbei sein, und wir konnen wieder zusammen sein.

Dein Dich liebender

Norman
~~~

Groombridge Road

Crowborough

13. Januar

Lieber Norman,

entschuldige, dass ich nicht fruher geantwortet habe, aber ich hatte in der Arbeit viel zu tun. Ich glaube, es ist besser, wir sehen uns vorlaufig eine Zeitlang nicht. Mein Vater mochte nicht, dass ich mich mit Dir treffe, solange die Polizei noch da ist. Sonst gibt es vielleicht Klatsch. Ich schreibe, wenn ich kann. Meine Eltern sind allerdings nicht allzu erfreut daruber.

Alles Liebe

Bessie

KAPITEL 11

Wesley Geflugelfarm, Blackness Road — 14. Januar 1925

Ein Schatten verdunkelte die Turoffnung der Hutte. Als Norman von Bessies Brief aufschaute, sah er dort einen Fremden stehen. Hastig wischte er sich mit dem Armel seines Pullovers die Tranen aus den Augen. »Ja, was ist?«, fragte er.

»Chief Inspector Gillan, Scotland Yard, Mr. Thorne. Ich bin gekommen, um Sie festzunehmen.«

»Weswegen?«

»Im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Miss Elsie Cameron. Wir haben einen richterlichen Beschluss, der uns erlaubt, Ihr Grundstuck umzugraben.«

Norman sah an ihm vorbei zu den Polizeibeamten, die drau?en auf Spaten gestutzt warteten. »Wo ist der andere Inspector geblieben?«

»Scotland Yard wurde vor einer Woche zugezogen. Seit Ihre Nachbarin, Mrs. Annie Price, vor der Polizei von Sussex ausgesagt hat, leite ich die Ermittlungen in diesem Fall. Sie hat Miss Cameron am Abend des 5. Dezember um funf Uhr funfzehn bei Ihnen durchs Tor gehen sehen. «

Norman kannte Annie Price. Sie war eines der von Bessie verachteten „Weiber”, die nichts anderes zu tun hatten, als hinter der Gardine zu stehen und ihre Nachbarn zu bespitzeln. »Das war nicht Elsie«, sagte er.

Der Chief Inspector trat in die Hutte. »Wer war es dann, Mr. Thorne?« Uber Normans Schulter hinweg las er Bessies Brief. »Miss Coldicott?«

»Es war uberhaupt niemand. Ich war allein hier.«

Gillan schob dem jungen Mann eine Hand unter den Arm und zog ihn auf die Fu?e. »Ich wette, Elsie liegt irgendwo unter dem Dreck hier, Norman. Aber wenn ich mich irre, werde ich der Erste sein, der sich entschuldigt.«

Vier Stunden spater wurde Norman aufgefordert, sich zum Inhalt einer Bruhwurfeldose zu au?ern, die unter einem Haufen Mull in seinem Gerateschuppen entdeckt worden war. Sie enthielt eine beschadigte Armbanduhr, etwas billigen Schmuck und ein Armband.

»Gehoren diese Sachen hier Elsie Cameron?«, fragte Gillan ihn.

»Ja, aber es ist nicht so, wie Sie denken. Sie hat sie dort versteckt, als sie das letzte Mal hier war.«

»Warum? Sie sind doch gar nichts wert.«

Die Frage brachte Norman aus der Fassung. »Keine Ahnung«, antwortete er. »Sie hat mir nicht gesagt, warum.«

Am nachsten Morgen fruh um halb zehn zeigte ihm Gillan Elsies kleine Reisetasche. Sie war vollig durchnasst und starrte vor Schmutz. »Erkennen Sie irgendetwas von den Sachen?« Er nahm das Babykleidchen, die zwei Paar Schuhe, den Waschbeutel und eine kaputte Brille heraus.

Norman betrachtete die Gegenstande mit aufgerissenen Augen.

»Die Reisetasche war in der Nahe Ihrer Hutte vergraben. Wir glauben, dass dies Miss Camerons Brille ist. Wer hat sie dahingelegt?«

Norman antwortete nicht.

»Wenn wir ihren Leichnam finden, werden Sie wegen Mordes angeklagt werden. Haben Sie das verstanden? Und auf Mord steht der Tod durch den Strang. Mochten Sie mir vielleicht irgendetwas sagen, was Ihr Leben retten konnte?«

Norman befeuchtete seine sproden Lippen. »Nein«, antwortete er flusternd.

Zehn Stunden spater uberlegte er es sich anders. Abends um acht bat er darum, mit Chief Inspector Gillan sprechen zu durfen.

»Ich habe Elsie nicht getotet«, sagte er, »aber ich wei?, wo ihre Leiche liegt. Sie liegt unter dem Auslauf fur die Leghorns.«

»Wollen Sie eine Aussage machen, Norman?«

»Ja.«

»Dann muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass alles, was Sie sagen, zu Protokoll genommen wird und gegen Sie verwendet werden kann.«

~~~

Polizeidienststelle Sussex

Aussage von Norman Thorne am 15. Januar 1925 um 20 Uhr 15

Ich war uberrascht, als Elsie am Freitag, dem 5. Dezember, auf den Hof kam. Es war kurz nach funf Uhr abends. Sie war ziemlich aufgebracht. Als ich ihr Tee und ein Butterbrot machte, beruhigte sie sich. Ich fragte sie, warum sie gekommen sei und wo sie ubernachten wolle.

Sie erklarte, sie wurde in der Hutte ubernachten. Und sie sei entschlossen, so lange zu bleiben, bis wir heirateten. Ich sagte, das ginge nicht, und daraufhin gab es einen kleinen Streit. Um halb acht ging ich zu den Coshams, um zu fragen, ob sie fur die Nacht ein Zimmer fur sie hatten. Aber sie waren nicht da.

Als ich zum Hof zuruckkam, war Elsie sehr aufgebracht. Wir stritten uns wegen Bessie Coldicott. Elsie weinte, weil ich ihr untreu gewesen war. Ich machte ihr ein gekochtes Ei, um sie zu trosten. Sie beruhigte sich wieder, bis ich ihr so gegen halb zehn sagte, dass ich zum Bahnhof musse, um Bessie abzuholen.

Elsie wollte mich zuruckhalten. Sie schrie mich an und zerrte mich zum Bett. Sie sagte, ich solle mit ihr schlafen. Ich lehnte ab und sagte, sie solle allein zu Bett gehen. Sie fing an zu schluchzen. Ich konnte es noch vorn am Tor horen.

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