Im Jahre 1968 ging der Filmindustrie im Würgegriff des wachsenden Videomarkts der Atem aus. Man stellte fest, daß Filme kostengünstiger produziert und sorgfältiger vermarktet werden mußten, wenn sie an den Kinokassen Geld einspielen sollten. Der unabhängige Filmverleih wurde eine ebenso starke Kraft wie das große Filmstudio. Der noch nicht reglementierte Geist, der im Videosektor vorherrschend war, brachte die goldenen Hallen der filmindustriellen Elite ins Wanken, und infolgedessen wurden jeden Tag die Neonreklamen von ein paar Kinos für immer ausgeschaltet.

Die unabhängigen Verleiher wurden mit der sterbenden, aber immer noch höchst effektiven Maschinerie der Filmvorführung zurückgelassen. Der umworbene Dollar, mit dem man Eintrittskarten kaufte, unterstützte nicht mehr Bergman und Fellini, nein, nicht einmal Doris Day. Intellektuelle und philosophische Betrachtungen wurden durch die äußerst realen Probleme ersetzt, die das Überleben in einer Welt des »Zukunftsschocks« behandelten, und fader Eskapismusbrei wurde der Öffentlichkeit vierundzwanzig Stunden am Tag im Fernseher ausgeteilt. Der Verleiher konzentrierte sich auf Gewalt, Horror und Sex. Diese Sensationsgier ist momentan der wirkliche Schlüssel für das Überleben der Filmindustrie. Sie mag oftmals getarnt daherkommen, wie in
Der Pate
oder
Beim Sterben ist jeder der Erste,
aber eine behutsame, objektive Analyse wird aufdecken, daß selbst diese quasikünstlerischen

Anstrengungen, die dynamische Kassenschlager sind, auf die Sensationsgeilheit des Publikums ausgerichtet sind.

Diese Bedingungen jedoch öffneten dem unabhängigen Filmemacher die Tür zur Industrie. Zwar konnte er die Barrieren der geheimen Zirkel der Hollywood-Gesellschaft nicht aufbrechen, aber es gelang ihm,, bei kleinen, unabhängigen Verleihern Gehör zu finden. Und obwohl die kleinen Verleiher natürlich nicht mit
Quo Vadis
konkurrieren konnten, waren sie doch in der Lage, die leeren Kinoleinwände zu füllen, wenn sie zur Verfügung standen.

Wahrlich, der unabhängige Filmemacher war ein InvestmentBanker geworden und gewillt, seine Kunst zu kompromittieren, aber wenigstens war für ihn nun das Arbeiten möglich.

Eine Gruppe von uns - Freunde seit alten Collegetagen -betrieb seit 1961 in Pittsburgh eine Firma, die sich in der Werbesparte tummelte. Während wir Fernsehwerbung und Industriefilme produzierten, freuten wir uns hämisch darüber, daß wir Gewinne erzielt und daß wir eine stattliche Ausrüstung zusammengetragen hatten. Außerdem war uns das technische Knowhow, das die Produktion von Filmen erforderte, nicht mehr fremd. Wir waren vollkommen unabhängig. Wir hatten die Kapazität, in unserer Firma einen Spielfilm zu produzieren. Die Firma lief unter dem Namen The Latent Image, Inc., und sie existiert heute noch. Dort werden Werbefilme produziert, mit denen das Geld erwirtschaftet wird, um andere Projekte durchzuziehen. Gerade wurde der vierte Spielfilm fertiggestellt.

Vor der Konzeption von
Die Nacht der lebenden Toten
versuchten wir bei verschiedenen Investoren in Pittsburgh ein Interesse an der Rentabilität preiswerter Produktionen zu wecken, ohne dabei den geringsten Erfolg zu haben. Frustriert von der negativen Reaktion beobachteten wir die Ereignisse im Distributionsfilmsektor und kamen auf die Idee, daß die Investition in einem Film, der darauf abzielt, aus der Verwirrung der Industrie und ihrer Gier nach dem Bizarren Kapital zu schlagen, eine relativ sichere Angelegenheit sein mußte. Und so handelten wir bewußt gegen jene Regel, die bei jedem Unternehmen an erster Stelle steht: Wir gingen ein großes Risiko ein und steckten unser eigenes Geld in die Sache.

Zu zehnt gründeten wir eine Firma, Image Ten genannt, und streckten Geld vor, um mit der Produktion beginnen zu können. Ich hatte eine Kurzgeschichte geschrieben, eine Allegorie, zu der mich Richard Mathesons »I Am Legend« inspiriert hatte. Bei dieser Geschichte handelte es sich um die Rückkehr von kürzlich Verstorbenen, die in Massen aus den Gräbern steigen und ein enormes Bedürfnis nach dem Fleisch und Blut der Lebenden haben. Ich war gerade dabei, die Idee in einen Drehplan zu verpacken, als die Firma bereit war, mit dem Drehen anzufangen. John Russo, einer der Koproduzenten und Autor dieser Geschichte, übernahm die Aufgabe, das Drehbuch zu schreiben, während wir nach Evans City, Pennsylvania, fuhren und unsere Kameras einschalteten.

Die Schauspieler rekrutierten wir aus unserem Freundeskreis. Dabei handelte es sich um Profis und Laienschauspieler, die allesamt aus Pittsburgh stammten. Von Anfang an stand das Schicksal auf unserer Seite, während wir den Film drehten, der dann einen ungewöhnlichen Erfolg erzielte und zum Klassiker seines Genres wurde. Duane Jones, der die Rolle des Ben spielte, war einer der ersten Glückstreffer. Im Drehbuch war Ben nur vage festgelegt. Er mußte jung, fit, kräftig und gerissen sein. Wir wählten für die Rolle einen Schwarzen aus, aber nicht, weil er schwarz war, sondern weil uns Duanes Vorsprechen besser gefallen hat als das aller anderen. Die soziopolitischen Implikationen der Tatsache, daß Ben schwarz war, sind in verschiedenen Zeitschriften analysiert und endlos zerpflückt worden; darüber hinaus veranlaßte Bens Hautfarbe einen der Kritiker in seiner überschwenglichen Freude zu schreiben, daß er die Melodie von >Ole Man River< bei Bens Sterbestimme aus der Filmmusik herausgehört habe.

Vielleicht war
Die Nacht der lebenden Toten
der erste Film, in dem ein Schwarzer die Hauptrolle spielte, und zwar ungeachtet seiner Hautfarbe. In diesem Sinne ist die Beachtung dieses Umstands berechtigt, obwohl wir nicht davon ausgingen, daß die Besetzung derartige Aufmerksamkeit erregen würde. Unsere Haltung - gelassen, ehrlich, hemmungslos und naiv -bewirkte einige unbewußte Elemente in dem Film, aber genau dieses Unbewußte war es, das zu seinem Realismus, seiner Lässigkeit und Einzigartigkeit beitrug.

Denselben Effekt hatte die Tatsache, daß wir in Schwarz weiß und nicht in Farbe drehten: Dabei handelte es sich um eine finanzielle und nicht um eine ästhetische Entscheidung. Die dem Film gemeinhin zugeschriebene allegorische Botschaft kam uns, während wir drehten, überhaupt nicht in den Sinn. Unsere Art zu denken führte uns jedoch vom Formelhaften weg. Die Charaktere waren weder heroisch noch irgendwie außergewöhnlich angelegt. Die Hauptfiguren waren glücklose Opfer ohne eine wirkliche Geschichte, die Zombies waren banale Erscheinungen, schwache und besiegbare Individuen, die aber aufgrund ihrer Anzahl nicht zu besiegen waren. Die Angehörigen der Regierung, die Presseleute und die rachedurstigen Truppen der Zombiejäger waren ineffektive Nichtsnutze, die nicht die richtigen Antworten parat hatten und sich damit begnügten, in Transportern über Land zu fahren und den Zombies mit ihren Gewehren in den Kopf zu schießen. Diese Vernichtungsmethode war außerordentlich unprätentiös. All diese Faktoren bewirkten, daß der Film ungewöhnlich war, und wegen seiner realistischen Präsentation ist die allegorische Interpretation nachvollziehbar.

Ich habe die Regie so geführt, daß alles naturalistisch wirkt, und sah keinen Grund dafür, ein paar Filmmeter herauszuschneiden, wenn die Zombies anfangen, das Fleisch ihrer Opfer zu fressen. Tatsächlich war ich höchst erfreut, als einer unserer Investoren, der zufälligerweise sein Geld mit

Fleischverarbeitung verdiente, am Drehort erschien und ein paar Säcke Tierinnereien mitbrachte. Deshalb wirken die Sequenzen so realistisch. Auf der anderen Seite sind wir nie auf die Idee gekommen, daß diese Szenen so enttabuisierend wirken könnten, und wir meinen, daß der Film dafür Worte der Anerkennung finden sollte.

All dies wurde noch durch die Tatsache gekrönt, daß der Film eine nostalgische Qualität hat, an die Horrorfilme und E. C. Comics der fünfziger Jahre erinnert. Was noch dadurch unterstrichen wurde, daß wir in einigen Fällen ausgiebigen Gebrauch von unglaublich klischierten Dialogen machten.

Dazu addiert sich, daß
Die Nacht der lebenden Toten
einige Attribute erstklassiger cineastischer Handwerkskunst vorzuweisen hat. Diese Handwerkskunst bedient das Publikum mit wirklich beängstigenden Schockszenen, evoziert eine Angst, die sich im Bauch breitmacht und den Zuschauer auf die Sitzkante des Kinosessels rutschen läßt, während die Geschichte ihren Verlauf nimmt und der unausweichliche Höhepunkt immer

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