Schweine bauen zu lassen. Ich bat sie, mir Zeit zu geben, mich an ihn an eine ganz andere Vorstellung. Das war sogar leichter als gedacht; er hatte zwar das gute Aussehen seiner Mutter (das Aussehen einer Frau ist sozusagen der Honig, der Manner zum Bienenstock lockt, wo’s dann Stiche setzt), aber nicht ihre gottserbarmliche Sturheit geerbt. Es war lediglich notig, ihm auszumalen, wie sein Leben in Omaha oder St. Louis aussehen wurde. Ich sprach die Moglichkeit an, dass selbst diese beiden ubervolkerten Ameisenhaufen sie vielleicht nicht befriedigen wurden; sie konnte beschlie?en, nur Chicago sei gut genug. »Dann«, sagte ich, »konntest du erleben, dass du mit schwarzen Niggern auf die Highschool gehen musst.«

Das Verhaltnis zu seiner Mutter kuhlte zusehends ab; nach einigen Bemuhungen, seine Zuneigung wiederzugewinnen - alle unbeholfen, alle zuruckgewiesen -, reagierte sie ebenso kalt. Ich (oder vielmehr der Hinterhaltige) frohlockte daruber. Anfang Juni teilte ich ihr mit, nach reiflicher Uberlegung sei ich entschlossen, sie diese 40 Hektar nie kampflos verkaufen zu lassen; wenn es nicht anders gehe, wurde ich uns eben alle in Armut und Ruin sturzen.

Sie blieb ruhig. Sie beschloss, selbst juristischen Rat einzuholen (denn wie wir wissen, ist die Justiz jedermanns Freund, der sie bezahlt). Das hatte ich vorausgesehen. Und lachelte daruber! Sie konnte solchen Rat namlich nicht bezahlen. Unterdessen hatte ich die Hand auf dem wenigen Bargeld, das wir besa?en. Henry ubergab mir sogar sein Sparschwein, als ich es verlangte, damit sie nichts daraus stehlen konnte, so kummerlich diese Quelle auch sein mochte. Sie suchte naturlich die Farrington Company in Deland auf, weil sie sich (wie ich selbst) sicher war, dass diese Leute, die so viel zu gewinnen hatten, ihr die Anwaltskosten vorstrecken wurden.

»Sie werden’s tun, und sie wird gewinnen«, erklarte ich Henry im Heuschober, in dem jetzt alle unsere Gesprache stattfanden. Ich war nicht vollig davon uberzeugt, aber mein Entschluss, den ich noch nicht »einen Plan« nennen will, stand bereits fest.

»Aber das ist nicht fair, Papa!«, rief er aus. Wie er so im Heu sa?, sah er sehr jung aus, eher wie 10 als 14.

»Das ist das Leben nie«, sagte ich. »Manchmal muss man sich einfach nehmen, was man haben muss. Auch wenn dabei jemand verletzt wird.« Ich machte eine Pause und musterte seinen Gesichtsausdruck. »Auch wenn dabei jemand stirbt.«

Er wurde leichenblass. »Papa!«

»Ware sie weg«, sagte ich, »ware wieder alles wie fruher. Aller Streit wurde aufhoren. Wir konnten hier friedlich leben. Ich habe ihr alles Menschenmogliche geboten, damit sie geht, aber sie tut’s nicht. Es gibt nur noch eine Sache, die ich tun kann. Die wir tun konnen.«

»Aber ich liebe sie!«

»Ich liebe sie auch«, sagte ich. Was sogar stimmte, auch wenn Sie’s vielleicht nicht glauben werden. Der Hass, den ich im Jahr 1922 fur sie empfand, war gro?er als der, den ein Mann fur irgendeine Frau empfinden kann, wenn nicht Liebe im Spiel ist. Und obwohl Arlette verbittert und eigensinnig war, war sie von Natur aus warmherzig. Unsere »ehelichen Beziehungen« hatten nie aufgehort, obwohl unsere Handgemenge im Dunkeln seit dem Streit wegen der 40 Hektar immer mehr der Paarung brunstiger Tiere glichen.

»Es muss nicht wehtun«, sagte ich. »Und wenn’s vorbei ist … nun …«

Ich ging mit ihm hinter die Scheune und zeigte ihm den Brunnen, wo er in bittere Tranen ausbrach. »Nein, Papa. Das nicht. Auf keinen Fall.«

Als sie dann aus Deland zuruckkam (Harlan Cotterie, unser nachster Nachbar, hatte sie das gro?te Stuck hingefahren, so dass sie nur noch zwei Meilen hatte gehen mussen) und Henry sie anflehte, »aufzuhoren, damit wir einfach wieder eine Familie sein konnen«, geriet sie in Wut, schlug ihm ins Gesicht und forderte ihn auf, nicht wie ein Hund zu winseln.

»Dein Vater hat dich mit seinem Kleinmut angesteckt. Noch schlimmer, er hat dich mit seiner Geldgier angesteckt.«

Als ob sie von dieser Sunde frei gewesen ware!

»Der Anwalt versichert mir, dass ich mit meinem Land tun kann, was mir gefallt, und ich werde es verkaufen. Was euch zwei betrifft, konnt ihr hier hocken und abgesengte Schweineborsten riechen und euer Essen selbst kochen und eure Betten selbst machen. Du, mein Sohn, kannst den ganzen Tag pflugen und die ganze Nacht seine ewigen Bucher lesen. Ihm haben sie wenig genutzt, aber vielleicht kommst du ja besser damit klar. Wer wei??«

»Mama, das ist nicht fair!«

Sie sah ihren Sohn an, wie eine Frau einen Fremden ansehen wurde, der sich herausgenommen hatte, sie am Arm zu beruhren. Und wie mein Herz jubelte, als ich ihn ihren Blick ebenso kalt erwidern sah! »Ihr konnt zum Teufel gehen, alle beide. Was mich betrifft, ich gehe nach Omaha und mache da ein Modegeschaft auf. Das ist meine Vorstellung von fair.«

Dieses Gesprach fand in dem staubigen Hof zwischen Haus und Scheune statt, und ihre Idee von fair war das letzte Wort. Sie marschierte uber den Hof, wobei sie mit ihren zierlichen Stadtschuhen kleine Staubwolken aufwirbelte, verschwand im Haus und knallte die Tur zu. Henry wandte sich mir zu. Er hatte Blut im Mundwinkel, und seine Unterlippe schwoll an. In seinem Blick lag die rohe,

Jener Schlag ins Gesicht war ihr Todesurteil.

Als Henry zwei Tage spater im neuen Mais zu mir kam, sah ich, dass er wieder wankend geworden war. Ich war weder besturzt noch uberrascht; die Jahre zwischen Kindheit und Erwachsensein sind sturmische Jahre, und wer sie durchlebt, kreiselt wie die Wetterhahne, die manche Farmer im Mittleren Westen damals auf ihren Getreidesilos anbrachten.

»Wir durfen nicht«, sagte er. »Papa, sie befindet sich im Irrtum. Und wer im Irrtum stirbt, kommt in die Holle.«

Zum Teufel mit der Methodistenkirche und ihrem Jugendbund, dachte ich … aber der Hinterhaltige lachelte nur. In den folgenden zehn Minuten theologisierten wir im grunen Mais, wahrend die Fruhsommerwolken - jene willkommenen Wolken, die wie Schoner schwimmen - langsam uber uns hinwegsegelten und ihre Schatten wie Kielwasser hinter sich herzogen. Ich setzte ihm auseinander, dass wir Arlette keineswegs in die Holle, sondern in den Himmel schicken wurden. »Denn«, sagte ich, »ein Ermordeter oder eine Ermordete stirbt nicht auf Gehei? Gottes, sondern durch Menschenhand. Er … oder sie … wird aus dem Leben gerissen, bevor er … oder sie … alle Sunden wiedergutmachen kann. Also mussen alle Irrtumer vergeben werden. Wenn man die Sache so betrachtet, ist jeder Morder eine Himmelspforte.«

»Aber was ist mit uns, Papa? Wurden wir nicht in die Holle kommen?«

Ich deutete auf die Felder, auf das schone neue Wachstum. »Wie kannst du das sagen, wo du um uns herum

Er starrte mich beunruhigt an. Finster. Ich bedauerte es, das Wesen meines Sohns solcherart zu verfinstern, aber irgendwie glaubte ich damals - und tue es noch heute -, dass nicht ich ihm das antat, sondern sie.

»Und denk daran«, sagte ich. »Wenn sie nach Omaha geht, dann grabt sie sich selbst einen noch tieferen Hollenpfuhl. Wenn sie dich mitnimmt, wirst du ein Stadtjunge …«

»Niemals!« Er rief das so laut, dass die Krahen vom Weidezaun aufflogen, um wie verkohltes Papier durch den blauen Himmel davonzuwirbeln.

»Du bist jung, und du wirst einer werden«, sagte ich. »Du wirst all das hier vergessen … du wirst das Stadtleben annehmen … und anfangen, deinen eigenen Hollenpfuhl zu graben.«

Hatte er erwidert, Morder durften nicht darauf hoffen, wie ihre Opfer in den Himmel zu kommen, ware ich vermutlich um eine Antwort verlegen gewesen. Aber entweder reichte sein theologisches Verstandnis nicht so weit oder er wollte nicht uber solche Dinge nachdenken. Gibt es die Holle uberhaupt, oder erschaffen wir sie uns auf Erden selbst? Wenn ich an die letzten acht Jahre meines Lebens zuruckdenke, pladiere ich fur Letzteres.

»Wie?«, fragte er. »Wann?«

Ich sagte es ihm.

»Und wir konnen danach hier weiterleben?«

Ich bejahte es.

»Und es tut ihr nicht weh?«

»Nein«, sagte ich. »Es geht ganz schnell.«

Er wirkte zufrieden. Es hatte allerdings noch immer nicht passieren mussen, hatte Arlette sich anders verhalten.

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