dann hasse ich es, wenn man affektierten Eseln vorgestellt wird, die die Lunts göttlich finden, und daß man im Lift fahren muß, wenn man nur mal rausgehen will, und bei Brooks immer diese Kerle, bei denen man Hosen anprobieren muß und daß die Leute immer -»

«Bitte, schrei nicht so», sagte Sally. Das war unsinnig, denn ich hatte überhaupt nicht geschrien.

«Zum Beispiel Autos», sagte ich mit gedämpfter Stimme. «Die meisten Leute sind mit Autos nicht bei Trost. Sie nehmen es furchtbar tragisch, wenn der kleinste Kratzer dran ist, und reden die ganze Zeit davon, wie viele Liter Benzin es braucht, und wenn sie einen ganz neuen Wagen haben, denken sie schon wieder daran, ihn gegen einen noch neueren umzutauschen. Ich kann nicht einmal alte Autos ausstehen. Sie interessieren mich einfach nicht. Ich hätte lieber ein verdammtes Pferd. Ein Pferd ist doch wenigstens menschlich, Herr im Himmel. Mit einem Pferd kann man wenigstens -»

«Ich weiß nicht, von was du eigentlich reden willst», sagte Sally. «Du springst von einem -»

«Soll ich dir etwas sagen? Du bist vielleicht der einzige Grund, warum ich jetzt in New York oder überhaupt irgendwo bin. Wenn du nicht da wärst, wäre ich wahrscheinlich irgendwo beim Kuckuck.

Im Urwald oder was weiß ich. Du bist praktisch der einzige Grund, warum ich noch hier bin.»

«Das ist lieb von dir», sagte sie. Aber man merkte deutlich, daß sie mich von dem verdammten Thema abbringen wollte.

«Du solltest einmal in eine Jungenschule gehen», sagte ich. «. Versuch's nur einmal. Dort sind lauter verlogene Heuchler, und man soll nur immer lernen, damit man sich später einen verdammten Cadillac kaufen kann, und man muß immer so tun, als ob es einem wichtig wäre, daß die Fußballmannschaft gewinnt, und man schwätzt den ganzen Tag nur über Mädchen und Alkohol und sexuellen Mist, und alle kleben in dreckigen Cliquen zusammen. Die von der Basketballmannschaft halten zusammen, die Katholischen halten zusammen, die gottverdammten Intellektuellen halten zusammen, die Bridgespieler halten zusammen. Sogar die vom Buch-des-Monats-Klub halten zusammen. Wenn man versucht, eine halbwegs intelligente -»

«Jetzt hör aber auf», sagte Sally. «Viele haben von der Schule wirklich mehr als das.»

«Stimmt! Allerdings haben manche mehr davon! Aber das ist eben alles, was ich selber davon habe.

Verstehst du? Davon rede ich. Von diesem verfluchten Punkt rede ich. Ich habe überhaupt von fast nichts etwas. Ich bin schon vollkommen runter.»

«Offenbar.»

Plötzlich kam mir eine Idee.

«Hör», sagte ich, «ich habe eine Idee. Hättest du nicht Lust, von hier wegzukommen? Ich habe schon einen Plan. Ich kenne einen in Greenwich Village, der uns ein paar Wochen sein Auto leihen würde. Er war früher in der gleichen Schule wie ich und ist mir noch zehn Dollar schuldig. Wir könnten morgen früh nach Massachusetts und Vermont und so weiter fahren. Dort ist es phantastisch schön, wirklich.» Ich wurde immer aufgeregter, je länger ich daran dachte, und schließlich griff ich über den Tisch und nahm ihre verdammte Hand. Ein solcher gottverfluchter Idiot war ich. «Wirklich im Ernst», sagte ich. «Ich habe ungefähr hundertachtzig Dollar auf der Bank. Die kann ich holen, sobald die Bank am Morgen offen ist, und dann könnte ich mir das Auto leihen. Im Ernst. Wir bleiben einfach auf den Campingplätzen und so, bis uns das Geld ausgeht. Wenn wir dann keins mehr haben, kann ich irgendwo eine Arbeit finden und wir könnten irgendwo an einem Fluß und so weiter leben, und später könnten wir heiraten oder so. Im Winter würde ich für uns Holz fällen. Großer Gott, wir hätten es fabelhaft schön! Was meinst du? Komm, sag etwas! Was meinst du? Willst du das mit mir tun? Bitte!»

«Man kann doch so etwas nicht einfach tun», sagte Sally. Sie schien tief gekränkt zu sein.

«Warum nicht? Warum zum Teufel denn nicht?»

«Schrei mich nicht so an», sagte sie. Reiner Mist, denn ich hatte sie überhaupt nicht angeschrien.

«Warum soll man das nicht können? Warum nicht?»

«Weil man es einfach nicht kann. Erstens sind wir beide eigentlich noch Kinder. Und hast du dir vielleicht überlegt, was du tun willst, falls du keine Arbeit findest, wenn du kein Geld mehr hast? Wir würden einfach verhungern. Das Ganze ist so phantastisch, es ist überhaupt nicht -»

«Gar nicht phantastisch. Ich bekäme schon Arbeit. Deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Was hast du denn dagegen. Willst du nicht mit mir fort? Sag's ehrlich, wenn du nicht willst.»

«Es ist nicht deswegen. Gar nicht deswegen», sagte Sally. Ich hatte schon eine Art Haß gegen sie.

«Wir haben später noch lange Zeit für das alles. Ich meine, wenn du im College warst und so, und wenn wir geheiratet hätten. Wir können dann noch tausend fabelhafte Reisen machen. Du bist nur -»

«Nein, dann geht das alles nicht mehr. Dann wäre alles ganz anders», sagte ich. Ich wurde wieder wahnsinnig deprimiert.

«Was?» sagte sie. «Ich kann nicht verstehen, was du sagst. Zuerst schreist du mich an, und im nächsten Augenblick murmelst-»

«Ich habe gesagt, es wird keine fabelhaften Reisen mehr geben, nachdem ich im College war und so. Mach doch die Ohren auf. Es wäre nicht mehr das gleiche. Wir müßten dann mit unsern Koffern im Lift hinunterfahren. Wir müßten uns von allen Leuten telefonisch verabschieden und ihnen von jedem Hotel Postkarten schicken. Und ich würde in einem Büro arbeiten und einen Haufen Geld verdienen und im Taxi oder mit dem Autobus ins Büro fahren und Zeitungen lesen und die ganze Zeit Bridge spielen und ins Kino gehen und blöde Kurzfilme und neueste Moden und die Wochenschau sehen. Die Wochenschau, heiliger Bimbam. Man sieht immer irgendein blödes Pferderennen und so ein Weib, das über einem Schiff eine Flasche zerschlägt, und einen Schimpansen, der in Hosen Rad fährt. Es wäre gar nicht mehr das gleiche wie jetzt. Du weißt überhaupt nicht, was ich meine.»

«Vielleicht nicht! Aber vielleicht weißt du es selber auch nicht», sagte Sally. Wir konnten uns gegenseitig schon nicht mehr ausstehen. Es war hoffnungslos, ein vernünftiges Gespräch führen zu wollen. Ich bereute wahnsinnig, daß ich damit angefangen hatte.

«Komm, wir wollen von hier weg», sagte ich. «Von dir bekomme ich Bauchkrämpfe, falls du die Wahrheit hören willst.»

Junge,

sie stieg fast zur Decke, als ich das sagte. Natürlich hätte ich es nicht sagen sollen, und wahrscheinlich würde ich sonst auch nichts Derartiges sagen, aber sie deprimierte mich fürchterlich.

Im allgemeinen bin ich mit Mädchen nie so grob.
Junge,
sie stieg bis an die Decke. Ich entschuldigte mich wie besessen, aber sie wollte keine Entschuldigungen hören. Sie heulte sogar. Ich bekam ein bißchen Angst, weil ich dachte, sie könnte nach Hause laufen und ihrem Vater sagen, daß ich gesagt hätte, von ihr bekäme man Bauchkrämpfe. Ihr Vater war so ein großer schweigsamer Mensch und schwärmte ohnedies nicht für mich. Er hatte einmal zu Sally gesagt, ich sei verdammt geräuschvoll.

«Ganz im Ernst, es tut mir leid», sagte ich fortwährend.

«Es tut dir leid. Es tut dir leid. Wirklich sonderbar», antwortete sie.

Sie weinte immer noch halb, und plötzlich tat es mir tatsächlich leid, daß ich das gesagt hatte. «Komm, ich bring dich heim. Im Ernst.»

«Ich kann allein heimfahren, danke. Wenn du meinst, ich ließe mich von dir

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