Was nützt es, ihnen die Köpfe abzuschlagen? Du, dein Wort soll mir für Rom bürgen.»

«Wie meinst du das? Ich kann Belisar nicht abhalten.»

«Du sollst es nicht: Belisar wird kommen, aber verlaß dich drauf, er wird auch wieder gehn. Wir Goten werden diesen Feind bezwingen: vielleicht erst nach hartem Kampf, aber gewiß. Dann aber gilt es den zweiten Kampf um Rom.»

«Einen zweiten?» fragte Cethegus ruhig, «mit wem?»

Aber Witichis legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihm ins Antlitz mit einem Auge wie die Sonne: «Mit dir, Präfekt von Rom!»

«Mit mir!» Und er wollte lächeln, aber er konnte nicht.

«Verleugne nicht dein Liebstes, Mann: es ist deiner nicht würdig. Ich weiß es, für wen du die Türme und Schanzen um

diese Stadt erbaust, nicht für uns und nicht für die Griechen! Für dich! Ruhig! Ich weiß, was du sinnest, oder ich ahn' es: kein Wort! Es sei! Sollen Griechen und Goten um Rom kämpfen und kein Römer? Aber höre: Laß nicht einen zweiten jahrelangen Krieg unsre Völker hinraffen.

Wenn wir die Byzantiner niedergekämpft, hinausgeworfen aus unserm Italien, - dann, Cethegus, will ich dich erwarten vor den Mauern Roms; nicht zur Schlacht unsrer Völker, - zum Zweikampf: Mann gegen Mann, du und ich, wir wollen's um Rom entscheiden.»

Und in des Königs Blick und Ton lag eine Größe, eine Würde und Hoheit, die den Präfekten verwirrte.

Er wollte heimlich spotten der einfältigen Schlichtheit des Barbaren. Aber es war ihm, als könne er sich selbst nie mehr achten, wenn er diese Größe nicht zu achten, nicht zu ehren, nicht zu erwidern fähig sei. So sprach er ohne Spott: «Du träumst, Witichis, wie ein gotischer Knabe.»

«Nein, ich denke und handle wie ein gotischer Mann. Cethegus, du bist der einzige Römer, den ich würdige, so mit ihm zu reden. Ich habe dich fechten sehen im Gepidenkrieg: du bist meines Schwertes würdig. Du bist älter als ich, wohlan: ich gebe dir den Schild voraus!»

«Seltsam seid ihr Germanen», sagte Cethegus unwillkürlich: «was für Phantasien!»

Aber jetzt furchte Witichis die offene Stirn: «Phantasien? Wehe dir, wenn du nicht fähig bist, zu fühlen, was aus mir spricht. Wehe dir, wenn Teja recht behält! Er lachte zu meinem Plan sprach: <Das faßt der Römer nicht!> Und er riet mir, dich gefangen mitzuführen. Ich dachte größer von dir und Rom. Aber wisse: Teja hat dein Haus umstellt, und bist du so klein oder so feig, mich nicht zu fassen, - in Ketten führen wir dich aus deinem Rom. Schmach dir, daß man dich zwingen muß zur Ehre und zur Größe.»

Da ergrimmte Cethegus. Er fühlte sich beschämt. Jenes Ritterliche war ihm fremd, und es ärgerte ihn, daß er es nicht verhöhnen konnte.

Es ärgerte ihn, daß man ihn mit Gewalt nötige, daß man seiner freien Wahl mißtraut habe. Wütender Haß gegen Tejas Mißachtung wie gegen des Königs brutale Offenheit loderte in ihm auf. All diese Eindrücke rangen in ihm, er hätte gern den Dolch in des Germanen breite Brust gestoßen. Fast hätte er vorhin aus soldatischem Ehrgefühl im vollen Ernst sein Wort gegeben. Jetzt durchzuckte ihn ein davon sehr verschiedenes, unschönes Gefühl der Schadenfreude. Sie hatten ihm nicht getraut, die Barbaren, sie hatten ihn gering erachtet: nun sollten sie gewiß betrogen sein! Und mit scharfem Blick vortretend faßte er des Königs Hand. «Es gilt», rief er.

«Es gilt», sprach Witichis, fest seine Hand drückend.

«Mich freut es, daß ich recht behielt und nicht Teja. Leb' wohl! Hüte mir mein Rom. Von dir fordre ich es wieder in ehrlichem Kampf.» Und er ging.

«Nun», sprach Teja draußen mit den andern Goten rasch vortretend, «soll ich das Haus stürmen?»

«Nein», sagte Witichis, «er gab mir sein Wort.»

«Wenn er's nur hält!»

Da trat Witichis heftig zurück. «Teja! Dich macht dein finstrer Sinn ungerecht! Du hast kein Recht, an eines Helden Ehre zu zweifeln, Cethegus ist ein Held.»

«Er ist ein Römer. Gute Nacht!» sagte Teja, das Schwert einsteckend.

Und er ging mit seinen Goten andren Weges.

Cethegus aber warf sich diese Nacht unwillig aufs Lager. Er war uneins in sich. Er grollte mit Julius. Er grollte bitter mit

Witichis, bittrer noch mit Teja. Am bittersten mit sich selbst.

*

Am folgenden Tage versammelte Witichis noch einmal Volk, Senat und Klerus der Stadt bei den Thermen des Titus. Von der höchsten Stufe der Marmortreppe des stolzen Gebäudes herab, die von den Großen des Heeres besetzt war, hielt der König eine schlichte Ansprache an die Römer. Er erklärte, daß er auf kurze Zeit die Stadt räumen und zurückweichen werde. Bald aber werde er wiederkehren.

Er erinnerte sie der Milde der gotischen Herrschaft, der Wohltaten Theoderichs und Amalaswinthens, und forderte sie auf, Belisar, falls er heranrückte, mutig zu widerstehen, bis die Goten zum Entsatz wieder heranrückten: der Römer wieder an die Waffen gewöhnte Legionäre und ihre starken Mauern machten langen Widerstand möglich.

Zuletzt forderte er den Eid der Treue und ließ sie nochmals feierlich schwören, daß sie ihre Stadt auf Leben und Tod gegen Belisar verteidigen wollten. Die Römer zögerten: denn ihre Gedanken waren jetzt schon im Lager Belisars, und sie scheuten den Meineid.

Da scholl dumpfer feierlicher Gesang von der Sacra Via her: und an dem slawischen Amphitheater vorbei zog eine große Prozession von Priestern mit Psalmengesang und Weihrauchschwang heran. In der Nacht war Papst Agapet gestorben, und in aller Eile hatte man Silverius den Archidiakon, zu seinem Nachfolger gewählt.

Langsam und feierlich wogte das Heer von Priestern heran: die Insignien der Bischofswürde von Rom wurden vorausgetragen: silberstimmige Knaben sangen in süßen und doch weihevollen Weisen.

Endlich nahte die Sänfte des Papstes: offen, breit, reichvergoldet, einem Schiffe nachgebildet. Die Träger gingen langsam, Schritt für Schritt, nach dem Takt der Musik, von ringsum drängendem Volk umwogt, das nach dem Segen seines neuen Bischofs verlangte.

Silverius spendete unablässig denselben, mit seinem klugen Haupte rechts und links nickend.

Eine große Zahl von Priestern und ein Zug von speertragenden Söldnern schloß die Prozession. Sie hielt inne, als sie in die Mitte des Platzes gelangt war.

Schweigend, mit trotzigen Augen, sahen die arianischen, gotischen Krieger, die alle Mündungen des Platzes besetzt hielten, den stolzen, prachtentfaltenden Aufzug der ihnen feindlichen Kirche, indes die Römer die Ankunft ihres Seelenhirten um so freudiger begrüßten, als seine Stimme ihre Gewissenszweifel wegen des zu leistenden Eides lösen sollte.

Eben wollte Silverius seine Ansprache an das versammelte Volk beginnen, als der Arm eines baumlangen Goten, über die Brüstung der Sänfte hereinlangend, ihn an dem goldbrokatnen Mantel zupfte.

Unwillig ob der wenig ehrerbietigen Störung wandte Silverius das strenge Gesicht, aber uneingeschüchtert sprach der Gote, den Ruck wiederholend: «Komm, Priester, du sollst hinauf

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