sehr - unhistorisch. Aus diesem italischen Gesindel, unsern höchst liebwerten Bundesgenossen gegen die Goten, willst du Bürger einer Republik machen? Sie sind zu nichts mehr gut als zur Tyrannis!»
«Ich will darüber nicht streiten!» lächelte Cethegus. «Aber vor eurer Tyrannis möcht' ich mein Vaterland bewahren.»
«Kann dir's nicht verdenken!» lächelte Prokop, «die Segnungen unserer Herrschaft sind erdrückend!»
«Ein eingeborner Statthalter unter dem Schutz von Byzanz genügt zunächst.»
«Jawohl. und dieser würde Cethegus heißen!»
«Wenn's sein muß, - auch das!»
«Höre», sprach Prokop ernsthaft, «ich warne dich dabei nur vor einem. Die Luft von Rom heckt stolze Pläne aus. Man ist dort, als Herr von Rom, nicht gern der Zweite auf Erden. Und glaube dem Historikus: es ist doch nichts mehr mit der Weltherrschaft Roms.»
Cethegus ward unwillig. Er gedachte der Warnung König Theoderichs. «Historikus von Byzanz, meine römischen Dinge kenne ich besser als du. Laß dich jetzt einweihen in unsre römischen Geheimnisse; dann verschaffe mir morgen früh, eh' die Gesandschaft von Rom anlangt, ein Gespräch mit Belisar und - sei eines großen Erfolges gewiß.» Und nun begann er, dem staunenden Prokop mit raschen Strichen ein Bild der Geheimgeschichte der jüngsten Vergangenheit und seine Pläne der Zukunft zu entwerfen, sein letztes Ziel wohlweislich verhüllend.
«Bei den Manen des Romulus!» rief Prokop, als er geendet hatte. «Ihr macht noch immer Weltgeschichte an dem Tiber. Nun, hier meine Hand. Meine Hilfe hast du! Belisar soll siegen, doch nicht herrschen in Italien; darauf laß uns noch einen Krug herben Sallustius leeren!»
Früh am andern Tage vermittelte Prokop seinem Freunde eine Unterredung mit Belisar, von welcher jener sehr befriedigt zurückkam.
«Nun, hast du ihm alles gesagt?» fragte der Historiker.
«Nicht eben alles!» sprach Cethegus mit feinem Lächeln: «Man muß immer noch etwas zu sagen übrig behalten.»
Zwölftes Kapitel
Bald darauf ward das Lager von seltsamer Aufregung erfüllt.
Das Gerücht von der Ankunft des Heiligen Vaters, das seiner reich vergoldeten Sänfte voranflog, riß die Tausende von Soldaten mit Kräften der Andacht, der Ehrfurcht, des Aberglaubens, der Neugier aus ihren Zelten, von Schlaf und Schmaus und Spiel hinweg, ihm entgegen. Kaum, daß die Anführer die Mannschaft im Dienst und auf den Wachen zurückhalten konnten; meilenweit waren ihm die Gläubigen entgegengeeilt und geleiteten jetzt, mit Haufen des Landvolks der Umgegend gemischt, seinen Zug ins Lager. Längst hatten sich Bauern und Soldaten an der Eselinnen Statt, die seine Sänfte trugen, eingespannt: - vergebens hatte sich die Bescheidenheit des Papstes dagegen gesträubt - und unter unaufhörlichem Jubelruf: «Heil dem Bischof von Rom, Heil dem heiligen Petrus!» wälzte sich der Strom der Tausende heran, über die Silverius unermüdlich Segen sprach. Seiner beiden Mitgesandten, Scävola und Albinus, dachte kein Mensch.
Belisar sah von seinem Zelthügel aus mit ernsten Augen das mächtige Schauspiel. «Der Präfekt hat recht!» sprach er dann, «dieser Priester ist gefährlicher als die Goten. Es ist ein Triumphzug! Prokop, laß die byzantinische Leibwache an meinem Zelt ablösen, sowie die Unterredung beginnt: sie sind allzugute Christen. Laß die Hunnen aufziehn und die heidnischen Gepiden.»
Damit schritt er in sein Zelt zurück, wo er alsbald von seinen Heerführern umgeben, die römische Gesandtschaft empfing. Den Prinzen Areobindos hatte Prokop von der Notwendigkeit einer Rekognoszierung überzeugt, die nur heute und nur von ihm vorgenommen werden konnte.
Umwogt von einem glänzenden geistlichen Gefolge nahte der Papst dem Feldherrnzelt. Große Massen Volkes drängten nach, aber sowie der Papst mit Scävola und Albinus die Mündung der engen Lagergasse hinter sich hatten, sperrten die Wachen mit gefällten Lanzen den Weg und ließen weder Priester noch Soldaten folgen.
Lächelnd wandte sich Silverius zu dem Führer der Schar und hielt ihm eine schöne Rede über den Text: «Lasset die Kleinen zu mir kommen und wehret ihnen nicht.» Aber der Germane schüttelte den zottigen Kopf und wandte ihm den Rücken: der Gepide verstand kein Latein, außer dem Kommando.
Da lächelte Silverius wieder, segnete nochmals seine Getreuen und schritt dann ruhig weiter in das Zelt. Belisar saß auf einem Feldsessel, darüber war eine Löwenhaut gebreitet. Ihm zur Linken thronte die schöne Antonina auf einem Pardelfell. Ihre wunde Seele hatte in dem Nachfolger des heiligen Petrus einen Arzt und Helfer zu finden gehofft. Aber bei dem Anblick der weltklugen Züge des Silverius zog sich ihr
Herz zusammen.
Belisar erhob sich beim Eintritt des Papstes.
Dieser schritt, ohne sich zu neigen, gerade auf ihn zu und legte ihm - er mußte sich mühsam dazu aufrichten - wie segnend beide Hände auf die Schultern. Er wollte ihn leise niederdrücken auf die Knie: - aber eichenfest blieb der Feldherr aufrecht stehen, und Silverius mußte dem Stehenden den Segen erteilen.
«Ihr kommt als Gesandte der Römer?» begann Belisar.
«Ich komme», unterbrach Silverius, «im Namen des heiligen Petrus, als Bischof von Rom dir und dem Kaiser Justinian meine Stadt zu übergeben. Diese guten Leute», fuhr er fort, auf Scävola und Albinus weisend, «haben sich mir angeschlossen wie die Glieder dem Haupt.» Unwillig wollte Scävola einfallen -so hatte er seinen Bund mit der Kirche nicht verstanden! -, aber Belisar winkte ihm, zu schweigen.
«Und so heiße ich dich willkommen in Italien und Rom im Namen des Herrn. Ziehe ein in die Mauern der ewigen Stadt zum Schirme der Kirche und der Gläubigen wider die Ketzer! Erhöhe dort den Namen des Herrn und das Kreuz Jesu Christi und vergiß nie, daß es die Heilige Kirche war, die dir die Wege gebahnt und die Pfade gebaut. Ich bin es gewesen, den Gott zum Werkzeug gewählt, die Goten in törichte Sicherheit zu wiegen und blinden Auges aus der Stadt zu führen, ich bin es gewesen, der die schwankende Stadt, die Bürger für dich gewonnen und die Anschläge deiner Feinde vernichtet hat. Der heilige Petrus ist es, der dir mit meiner Hand die Schlüssel seiner Stadt überreicht, auf daß du sie ihm beschirmest und beschützest. Vergiß niemals diese Worte.» Und er reichte ihm die Schlüssel des asinarischen Tores.
«Ich werde sie nie vergessen!» sprach Belisar und winkte Prokop, der den Schlüssel aus der Hand des Papstes nahm. «Du sprachst von Anschlägen meiner Feinde. Hat der Kaiser Feinde in Rom?»
Da sprach Silverius mit Seufzen: «Laß ab, Feldherr, zu fragen.
Ihre Netze sind zerrissen: sie sind unschädlich, und der Kirche steht nicht an, zu verklagen, sondern zu entschuldigen und alles zum besten zu kehren.»
«Es ist deine Pflicht, Heiliger Vater, dem rechtgläubigen Kaiser die Verräter zu entdecken, die unter seinen römischen Untertanen sich bergen, und ich fordre dich auf, seinen Feind zu entlarven.»
Silverius seufzte: «Die Kirche dürstet nicht nach Blut.» -«Aber sie darf den Arm der weltlichen Gerechtigkeit nicht hemmen», sprach Scävola. Und der Jurist trat vor und überreichte Belisar eine Papyrusrolle. «Ich hebe Klage gegen Cornelius Cethegus Cäsarius, den Präfekten von Rom, wegen Majestätsbeleidigung und Empörung gegen Kaiser Justinian. Diese Schrift enthält
Вы читаете Ein Kampf um Rom
