die Klagepunkte und die Beweise. Er hat des Kaisers Regierung eine Tyrannei gescholten. Er hat sich der Landung kaiserlicher Heere nach Kräften widersetzt. Er hat endlich noch vor wenig Tagen, er allein, dafür gestimmt, die Tore Roms dir nicht zu öffnen.«

«Und welche Strafe beantragt ihr?» fragte Belisar, in die Schrift blickend.

«Nach dem Gesetz den Tod», sprach Scävola. - «Und seine Güter verfallen nach dem Gesetz», sprach Albinus, «halb dem Fiskus, halb den Klägern.» - «Und seine Seele der Barmherzigkeit Gottes», schloß der Bischof von Rom.

«Wo ist der Angeklagte?» fragte Belisar.

«Er verhieß, dich aufzusuchen; aber ich fürchte, sein böses Gewissen wird ihn nicht haben kommen lassen.»

«Du irrst, Bischof von Rom», sprach Belisar, «er ist schon hier.»

Bei diesem Wort fiel der Vorhang im Hintergrund des Zeltes, und vor den erstaunten Anklägern stand Cethegus, der Präfekt. Überrascht fuhren die Ankläger auf; schweigend, mit vernichtendem Blick, trat Cethegus einige Schritte vor, bis er zur Rechten Belisars stand.

«Cethegus hat mich früher aufgesucht als du», fuhr der Feldherr nach einer Pause fort: «und er ist dir zuvorgekommen -auch im Anklagen. Du stehst als schwer Beschuldigter vor mir, Silverius. Verteidige dich, ehe du verklagst.»

«Ich als Beschuldigter?» lächelte der Papst. «Wo wäre ein Kläger oder ein Richter für den Nachfolger des heiligen Petrus?»

«Der Richter bin ich: an deines Herrn, des Kaisers Statt.»

«Und der Kläger?» fragte Silverius.

Cethegus wandte sich halb gegen Belisar und sprach: »Der Kläger bin ich! Ich habe Silverius, den Bischof von Rom, des Verbrechens der verletzten Majestät des Kaisers und des Hochverrats am Römischen Reich geziehen. Ich beweise sofort meine Klage. Silverius hat die Absicht, die Herrschaft der Stadt Rom und einen großen Teil Italiens dem Kaiser Justinian zu entreißen und lächerlich zu sagen! - ein Priesterreich zu gründen in dem Vaterlande der Cäsaren. Und schon hat er den nächsten Versuch getan zur Ausführung dieses - soll ich sagen: seines Wahnsinns oder seines Verbrechens? Hier überreiche ich einen Vertrag, - hier steht die Unterschrift seiner Hand den er mit Theodahad, dem letzten Fürsten der Barbaren, geschlossen. Der König verkauft darin für ewige Zeiten für die Summe von tausend Pfund Gold an den heiligen Petrus und seine Nachfolger, für den Fall, daß Silverius Bischof von Rom werde, die Herrschaft der Stadt und das Weichbild von Rom und dreißig Meilen in der Runde. Es sind aufgezählt alle Hoheitsrechte: Gerichtsbarkeit, Gesetzgebung, Verwaltung, Steuern, Zölle und selbst Kriegsgewalt. Dieser Vertrag ist nach seinem Datum drei Monate alt. Also im selben Augenblick, da der fromme Archidiakon, hinter Theodahads Rücken, die Waffen des Kaisers herbeirief, schloß er, hinter des Kaisers Rücken, einen Vertrag, der diesem die Früchte seiner Anstrengung rauben und den Papst für alle Fälle sichern sollte. Ich überlasse es dem Stellvertreter des Kaisers, wie solche Klugheit zu würdigen sei. Für die Erwählten des Herrn gilt als besondre Klugheit der Schlangen Moral, - unter uns Laien ist solches Tun... »

«Der schändlichste Verrat!» fiel Belisar donnernd ein, sprang auf und nahm die Urkunde aus des Präfekten Hand. - «Hier sieh, Priester, deinen Namen: kannst du noch leugnen?»

Der Eindruck dieser Anklage, dieses Beweises auf alle Anwesenden war ein gewaltiger. Staunen und Unwillen, gemischt mit Spannung auf des Papstes Verteidigung, lag auf den Zügen aller Gesichter; am meisten aber war Scävola, der kurzsichtige Republikaner, überrascht von diesen Herrscherplänen seines gefährlichen Verbündeten. Er hoffte, Silverius werde die Verleumdung siegreich niederschlagen.

Die Lage des Papstes war in der Tat höchst gefährlich, die Anklage schien unwiderleglich, und das zornlohende Antlitz Belisars hätte manch tapfres Herz erschreckt. Aber Silverius zeigte in diesem Augenblick, daß er kein unebenbürtiger Gegner des Präfekten und des Helden von Byzanz war. Nicht eine Sekunde hatte er die Fassung verloren, nur als Cethegus die Urkunde aus dem Gewand hervorzog, hatte er einen Moment die Augen niedergeschlagen, wie aus Schmerz. Aber dem donnernden Ruf wie den blitzenden Augen Belisars hielt er ein unerschütterlich ruhiges Angesicht entgegen. Er fühlte, daß er in dieser Stunde den Gedanken seines Lebens verfechten mußte: dies gab ihm kühne Kraft, keine Wimper zuckte ihm.

«Wie lange wirst du noch schweigen?» fuhr ihn Belisar an.

«Bis du fähig und würdig bist, mich zu hören. Du bist besessen von Urchitophel, dem Dämon des Zornes.»

«Sprich! Verteidige dich!» sagte Belisar, sich setzend.

«Die Klage dieses gottlosen Mannes», hob Silverius an, «bringt nur ein Recht der heiligen Kirche noch früher ans Licht, als sie es in dieser unruhigen Zeit geltend machen wollte. Es ist wahr, ich habe diesen Vertrag mit dem Barbarenkönig geschlossen.»

Eine Bewegung der Entrüstung ging durch die Reihen der Byzantiner.

«Nicht aus weltlicher Herrschsucht, nicht, um neues Recht zu erwerben, habe ich mit dem König der Goten, als dem damaligen Besitzer der Stadt, verhandelt. Nein! die Heiligen sind mir Zeugen! Nur weil es meine Pflicht, ein uraltes Recht des heiligen Petrus nicht fallen zu lassen.»

«Ein uraltes Recht?» fragte Belisar unwillig.

«Ein uraltes Recht!» wiederholte Silverius, «das geltend zu machen die Kirche nur bisher unterlassen hat. Ihre Feinde nötigen sie, in diesem Augenblick damit hervorzutreten. Wisse denn, du Vertreter des Kaisers, höret es, ihr Kriegsobersten und Schwertgewaltigen, was sich die Kirche von Theodahad hat einräumen lassen, ist schon seit zwei Jahrhunderten ihr Eigentum: der Gote hat es nur bestätigt.

An demselben Ort, wo des Präfekten tempelschänderische Hand diese Bestätigung entwendet, hätte er auch die Urkunde finden können, die ursprünglich unser Recht begründet hat. Der fromme Kaiser Constantinus, der sich zuerst von den Vorgängern Justinians der Lehre des Heils zugewandt, hat auf Bitten seiner gottseligen Mutter Helena, nachdem er alle seine Feinde mit sichtbarer Hilfe der Heiligen, besonders des heiligen Petrus, unter seine Füße getreten, zur dankbaren Anerkenntnis solchen Beistandes und um vor aller Welt zu bezeugen, daß Krone und Schwert sich vor dem Kreuz der Kirche zu beugen haben, die Stadt Rom mit ihrem Weichbild und die benachbarten Städte und Marken durch eine feierliche

Schenkungsurkunde für ewige Zeiten dem heiligen Petrus zu eigen übertragen, mit Gericht und Verwaltung, Steuer und Zoll und allen Kronrechten irdischer Herrschaft, auf daß die Kirche auch einen weltlichen Boden habe zur leichteren Vollführung ihrer weltlichen Aufgaben. Diese Schenkung ist durch eine rechtsgültige Urkunde in aller Form verbrieft: der Fluch von Gehenna ist jedem gedroht, der sie anstreitet. Und ich frage im Namen des dreieinigen Gottes den Kaiser Justinian, ob er diese Rechtshandlung seines Vorgängers, des in Gott seligen Kaisers Constantinus, anerkennen oder ob er sie, aus weltlicher Habgier, umstoßen und damit den Fluch der Gehenna und die ewige Verdammnis auf sein Haupt laden will?»

Diese Rede des Bischofs von Rom, mit aller Kraft geistlicher Würde und aller Kunst weltlicher Rhetorik vorgetragen, war von unwiderstehlicher Wirkung. Belisar, Prokop und die Feldherren, die eben noch über den verräterischen Priester ein zorniges Gericht hatten halten wollen, fühlten sich jetzt durch den plötzlich ihnen entgegengehaltenen Rechtstitel selbst wie verurteilt.

Der Kern Italiens schien unwiderbringlich dem Kaiser verloren und der Herrschaft der Kirche anheimgegeben. Ein banges Schweigen lagerte über den jüngst noch so herrischen Byzantinern, und triumphierend stand der Priester als Sieger in ihrer Mitte. Endlich sprach Belisar, der die Aufgabe der Bekämpfung oder die Schmach der Niederlage von sich abwälzen wollte: «Präfekt von Rom, was hast du zu erwidern?»

Mit einem kaum bemerkbaren Zucken des Spottes um die feinen Lippen verneigte

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