sich Cethegus und begann: «Der Angeklagte beruft sich auf eine Urkunde.
Ich könnte, glaub' ich, ihn in große Verlegenheit versetzen, wenn ich ihr Vorhandensein bestritte, und die sofortige Vorlage der Urschrift von ihm verlange. Indessen will ich dem Manne, der sich das Haupt der Christenheit nennt, nicht wie ein gehässiger Anwalt begegnen. Ich räum ein, die Urkunde
existiert.»
Belisar macht eine Bewegung hilflosen Verdrusses.
«Mehr noch! Ich habe dem Heiligen Vater die Mühe der Vorlage derselben, die ihm sonst sehr schwer fallen dürfte, erspart, und die Urkunde selbst mitgebracht in meiner tempelschänderischen Hand.» Er zog ein vergilbtes Pergament aus dem Sinus und sah lächelnd bald in dessen Zeilen, bald auf des Papstes, bald auf Belisars Gesicht, an deren Spannung sich weidend.
«Ja, noch mehr. Ich habe die Urkunde viele Tage lang mit feindselig forschenden Augen, mit Zuziehung noch schärferer Juristen, als ich es leider bin, - so meines jungen Freundes Salvius Julianus, - bis auf jeden Buchstaben nach ihrer formellen Gültigkeit geprüft. Vergebens. - Selbst der Scharfsinn meines verehrten und gelehrten Freundes Scävola könnte keinen Mangel herausinterpretieren. Alle Formen des Rechts, alle Klauseln höchster unanfechtbarer Sicherheit sind in der Schenkungsakte haarscharf gewahrt; und in der Tat: ich hätte den Protonotarius des Kaisers Constantin kennen mögen, er muß ein Jurist ersten Ranges gewesen sein.» Er hielt inne: höhnisch ruhte sein Auge auf dem Antlitz des Silverius, der sich den Schweiß von den Schläfen wischte.
«Also», fragte Belisar in höchster Aufregung: «die Urkunde ist formell ganz richtig - daher beweiskräftig?»
«Jawohl!« seufzte Cethegus, »die Schenkung ist ganz makelloser Ordnung. Schade nur, daß... -»
«Nun?» unterbrach Belisar.
«Schade nur, daß sie falsch ist.»
Da flog ein Schrei von aller Lippen. Belisar, Antonina sprangen auf, alle Anwesenden traten einen Schritt näher zu dem Präfekten. Nur Silverius wankte einen Schritt zurück.
«Falsch?» fragte Belisar mit einem Ruf, der wie ein Jubel
klang. «Präfekt, - Freund, - kannst du das beweisen?»
«Sonst hätte ich mich gehütet, es zu behaupten. Das Pergament, auf das die Schenkung geschrieben ist, zeigt alle Spuren eines hohen Alters: Brüche, Wurmstiche, Flecken jeder Art, alles, was man von Ehrwürdigkeit verlangen kann, - so daß es manchmal sogar schwierig ist, die Buchstaben zu erkennen. Gleichwohl stellt sich die Urkunde nur so alt: mit so großem Aufwand von Kunst, als manche Frauen sich den Schein der Jugend geben, lügt sie die Heiligkeit des Alters. Es ist echtes Pergament aus der alten, von Constantin begründeten, noch heute bestehenden kaiserlichen Pergamentfabrik zu Byzanz.»
«Zur Sache», rief Belisar.
«Aber es ist wohl nicht jedem bekannt, - und es scheint auch leider dem heiligen Bischof entgangen zu sein! - daß bei diesem Pergament ganz unten - links, am Rande - durch Stempelschlag das Jahr der Fertigung durch Angabe der Jahreskonsuln in allerdings kaum wahrnehmbaren Buchstaben bezeichnet wird. Nun gib wohl acht, o Feldherr!
Die Urkunde will, wie sie im Text sagt, gefertigt sein im sechzehnten Jahre von Constantins Regierung, im gleichen Jahre, da er die Heidentempel schließen ließ, wie das fromme Pergament besagt, ein Jahr nach der Erhebung von Constantinopolis zur Hauptstadt, und nennt richtig die richtigen Konsuln dieses Jahres, Dalmatius und Xenophilos.
Da ist es nun wirklich durch ein Wunder zu erklären, - aber hier hat Gott der Herr ein Wunder gegen seine Kirche getan! -daß man jenem Jahre, also im Jahre dreihundertfünfunddreißig nach der Geburt des Herrn, schon ganz genau wußte, wer im Jahr nach dem Tode des Kaisers Justinus und des Königs Theoderich Konsul sein würde; denn seht, hier unten am Rande der Stempel besagt: der Schreiber hatte ihn nicht beachtet - er ist wirklich sehr schwer wahrzunehmen, wenn man das Pergament nicht gegen das Licht hält - so etwa, siehst du, Belisar? und er hatte blindlings drei Kreuze darauf gemalt; ich aber habe diese Kreuze mit meiner - wie hieß es doch? <tempelschänderischen>, aber geschickten Hand weggewischt und siehe, da steht eingestempelt: <VI Indiktion: Justianinus Augustus, allein Konsul im ersten Jahre seiner Herrschaft.»)
Silverius wankte und hielt sich an dem Stuhl, den man für ihn bereit gestellt.
«Das Pergament der Urkunde, auf welches der Protonotar des Kaisers Constantin vor zweihundert Jahren die Schenkung niederschrieb, ist also erst vor einem Jahr zu Byzanz einem Esel von den Rippen gezogen worden. Gesteh, o Feldherr, daß hier das Gebiet des Begreiflichen endet, und des Übernatürlichen beginnt, daß hier ein Wunder der Heiligen geschah, und verehre das Walten des Himmels.» Er reichte Belisar die Urkunde.
«Das ist auch ein tüchtig Stück Weltgeschichte, heilige und profane, was wir da erleben!» sagte Prokop zu sich selbst.
«Es ist so, beim Schlummer Justinians!» frohlockte Belisar. «Bischof von Rom, was hast du da zu erwidern?»
Mühsam hatte sich Silverius gefaßt; er sah den Bau seines Lebens vor seinen Augen in die Erde versinken. Mit halb versagender Stimme antwortete er:
«Ich fand die Urkunde im Archiv der Kirche vor wenigen Monden. Ist dem so, wie ihr sagt, so bin ich getäuscht, wie ihr.»
«Wir sind aber nicht getäuscht», lächelte Cethegus.
«Ich wußte nichts von jenem Stempel, ich schwöre es bei den Wunden Christi.» - «Das glaub' ich dir ohne Schwur, Heiliger Vater», fiel Cethegus ein. - «Du wirst einsehn, Priester», sprach Belisar, sich erhebend, «daß über diese Sache die strengste Untersuchung... » -
«Ich verlange sie», sprach Silverius, «als mein Recht.»
«Es soll dir werden, zweifle nicht! Aber nicht ich darf es wagen, hier zu richten: nur die Weisheit des Kaisers selbst kann hier das Recht finden. Vulkaris, mein getreuer Heruler, dir übergeb' ich die Person des Bischofs. Du wirst ihn sogleich auf ein Schiff bringen und nach Byzanz führen.»
«Ich lege Verwahrung ein», sprach Silverius. «Über mich kann niemand richten auf Erden als ein Konzil der ganzen rechtgläubigen Kirche. Ich verlange, nach Rom zurückzukehren.»
«Rom siehst du niemals wieder! Und über deine Rechtsverwahrung wird der Kaiser Justinian, der Kaiser des Rechts, mit Tribonian entscheiden. Aber auch deine Genossen, Scävola und Albinus, die falschen Mitankläger des Präfekten, der sich als des Kaisers treuster, klügster Freund erwiesen, sind hoch verdächtig. Justinian entscheide, wieweit sie unschuldig. Auch sie führt in Ketten nach Byzanz. Zu Schiff! Dort hinaus, zur Hintertür des Zeltes, nicht durchs Lager. Vulkaris, dieser Priester aber ist des Kaisers gefährlichster Feind. Du bürgst für ihn mit deinem Kopf.»
«Ich bürge», sprach der riesige Heruler, vortretend und die gepanzerte Hand auf des Bischofs Schulter legend. «Fort mit dir, Priester, zu Schiff! Er stirbt, eh' er mir entrissen wird.»
Silverius sah ein, daß weiteres Widerstreben nur seine Würde gefährdende Gewalt hervorrufen werde. Er fügte sich und schritt neben dem Germanen, der die Hand nicht von seiner Schulter löste, nach der Tür im Hintergrund des Zeltes, die eine der Wachen auftat.
Er mußte hart an Cethegus vorbei. Er beugte das Haupt und sah ihn nicht an, aber er hörte, wie dieser ihm zuflüsterte: «Silverius, diese Stunde vergilt deinen Sieg in den Katakomben. Nun sind wir wett!»
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