Sprich, Hildebrand, wie verteilt sich jetzt unsres Heeres Macht? Sagt an, ihr Feldherren, wie viele führt ein jeder von euch? Ihr Notare, zeichnet auf!»
«Ich führe drei Tausendschaften Fußvolk», rief Hildebad. «Ich vierzig Tausendschaften zu Fuß und zu Roß mit Schild und Speer», sprach Herzog Guntharis. «Ich vierzig Tausendschaften zu Fuß: Bogenschützen, Schleuderer, Speerträger», sagte Graf Grippa von Ravenna. «Ich sieben Tausendschaften mit Messer und Keule», zählte Hildebrand. «Und dazu Totilas sechs Tausendschaften Reiter und vierzehn erlesene Tausendschaften Tejas mit der Streitaxt - wo ist er? Ich vermisse ihn hier!» -«Und ich habe meine Scharen zu Fuß und zu Roß auf fünfzig Tausendschaften erhöht», schloß der König.
«Das sind zusammen einhundertsechzig Tausendschaften», schrieb der Protonotar, die Pergamentrolle dem König überreichend.
Da flog ein froher Glanz kriegerischen Stolzes über des Königs ernstes Angesicht. «Einhundertsechzig Tausendschaften gotischer Männer: Belisar, sollen sie vor dir die Waffen strecken, ohne Kampf? Wie lang braucht ihr noch Rast, um aufzubrechen?»
Da eilte der schwarze Teja ins Zelt. Er hatte beim Eintreten die letzte Frage vernommen. Sein Auge sprühte Blitze, er bebte vor Zorn. «Rast? Keine Stunde Rast mehr: auf zur Rache, König Witichis! Ein ungeheuren Frevel ist geschehn, der laut um
Rache gen Himmel schreit. Führ' uns sofort zum Kampf!»
«Was ist geschehn?»
«Ein Feldherr Belisars, der Hunne Ambazuch, umschloß, wie du weißt, seit lange mit Hunnen und Armeniern das feste Petra. Kein Entsatz war nah und fern. Der junge Graf Arahad nur - er suchte wohl den Tod - überfiel mit seiner kleinen Gefolgschaft die Übermacht; er fiel im tapfersten Gefecht. Verzweifelt widerstand das Häuflein gotischer Männer in der Burg. Denn alles wehrlose Volk der Goten: Greise, Kranke, Weiber, Kinder, vom flachen Land in Tuscien, Valeria und Picenum war hierher geflüchtet vor dem Feind, wohl viele Tausend. Endlich zwang sie der Hunger, gegen freien Abzug die Tore zu öffnen. Der Hunne schwor allen Goten in der Stadt, ihr Blut nicht zu vergießen. Er zog ein und befahl den Goten, sich in der großen Basilika Sankt Zenos zu versammeln. Das taten sie, über fünftausend Köpfe, Greise, Weiber, Kinder und ein paar hundert Krieger. Und als sie alle beisammen... -» Teja hielt schaudernd inne.
«Nun?» fragte Mataswintha, erblassend.
«Da schloß der Hunne die Türen, umstellte das Haus mit seinem Heer und - verbrannte sie alle fünftausend samt der Kirche.»
«Und der Vertrag?» rief Witichis.
«Ja, so schrien auch die Verzweifelten ihn an durch Qualm und Flammen. <Der Vertrag>, lachte der Hunne, <sei erfüllt: kein Tropfen Blutes sei vergossen. Ausbrennen müsse man die Goten aus Italien wie die Feldmäuse und schlechtes Gewürm>. Und so sahen die Byzantiner zu, wie fünftausend Goten, Greise, Weiber, Kranke, Kinder - König Witichis, hörst du's? Solches geschieht, und du - du sendest Friedensboten! Auf, König Witichis», rief der Ergrimmte, das Schwert aus der Scheide reißend, «wenn du ein Mann bist, brich jetzt auf zur Rache. Die Geister der Erwürgten ziehen vorauf: Führ' uns zum Kampf! Zur
Rache führ' uns an!»
«Führ' uns zum Kampf! Zur Rache führ' uns an!» widerhallte das Zelt vom Ruf der Goten.
Da stand Witichis auf in ruhiger Kraft.
«So soll's sein. Das Äußerste geschah. Und unsere beste Rüstung ist unser Recht: jetzt auf, zum Kampf.»
Und er reichte seiner Königin die Pergamentrolle, die er in der Hand hielt, die über seinem Stuhl hängende Königsfahne, das blaue Bandum, zu ergreifen.
«Ihr seht das alte Banner Theoderichs in meiner Hand, das er von Sieg zu Sieg getragen. Wohl ruht es jetzt in schlechtrer Hand, als seine war: - doch zaget nicht. Ihr wisset: übermütige Zuversicht ist meine Sache nicht, doch diesmal sag' ich euch voraus: in dieser Fahne rauscht ein naher Sieg, ein großer, stolzer, rachefroher Sieg. Folgt mir hinaus. Das Heer bricht auf, sogleich. Ihr Feldherren, ordnet eure Scharen: nach Rom!»
«Nach Rom», widerhallte das Zelt. «Nach Rom!»
Sechstes Kapitel
Inzwischen schickte sich Belisar an, mit der Hauptmacht seines Heeres die Stadt zu verlassen. Johannes hatte er deren Bewachung übertragen.
Er hatte beschlossen, die Goten in Ravenna aufzusuchen. Sein bisher von keinem Unfall gehemmter Siegeslauf und die Erfolge seiner vorausgeschickten Streitsachen, die durch den Übergang der Italier alles flache Land, auch alle Festen und Burgen und Städte, bis nahe bei Ravenna, gewonnen, hatten in ihm die Zuversicht erzeugt, daß der Feldzug bald beendigt und nur das Erdrücken der ratlosen Barbaren in ihrem letzten Schlupfwinkel übrig sei.
Denn nachdem Belisar selbst den ganzen Süden der
Halbinsel: Bruttien, Lucanien, Calabrien, Apulien, Campanien: dann Rom mit Samnium und die Valeria durchzogen und besetzt hatte, waren seine Unterfeldherren, Bessas und Constantinus, mit der lanzentragenden Leibwache des Feldherrn, die unter Führung des Armeniers Zanter, des Persers Chanaranges und des Massageten Aschman standen, vorausgesendet worden, Tuscien zu unterwerfen.
Bessas rückte vor das sturmfeste Narnia: für die damaligen Belagerungsmittel war die Burgstadt fast uneinnehmbar: - sie thront auf hohem Berge, dessen Fuß der tiefe Nar umspült. Die beiden einzigen Zugänge, vom Osten und vom Westen, sind ein enger Felsenpaß und die hohe, alte, vom Kaiser Augustus gebaute, befestigte Brücke. - Aber die römische Bevölkerung überwältigte die halbe gotische Hundertschaft, die hier lag, und öffnete den Thrakiern des Bessas die Tore. Dem Constantinus erschlossen sich ebenso ohne Schwertstreich Spoletium und Perusia. Auf der östlichen Seite des Ionischen Meerbusens hatte inzwischen ein andrer Unterfeldherr Belisars, der Comes Sacri Stabuli Constantinus, den Tod zweier byzantinischer Heerführer, des Magister Militum für Illyrien, Mundus, und seines Sohnes Mauricius, die gleich im Anfang des Krieges bei Salona in Dalmatien im Gefecht gegen die Goten gefallen waren, gerächt, Salona besetzt und durch seine große Übermacht die geringen gotischen Scharen zum Rückzug auf Ravenna gezwungen. Ganz Dalmatien und Liburnien war darauf den Byzantinern zugefallen. Von Tuscien aus streiften, wie wir sahen, die Hunnen Justinians schon durch Picenum und bis in die Ämilia.
Die Friedensvorschläge des Gotenkönigs hielt Belisar daher für Zeichen der Schwäche. Daß die Barbaren zum Angriff übergehen könnten, fiel ihm nicht ein. Dabei trieb es ihn, Rom zu verlassen, wo es ihn anwiderte, der Gast des Präfekten zu heißen; im freien Felde mußte sein Übergewicht bald wieder hervortreten.
Der Präfekt ließ das Kapitol in der treuen Hut Lucius Licinius und folgte dem Zuge Belisars. Vergebens warnte er diesen vor allzu großer Zuversicht.
«Bleibe du doch hinter den Felsen des Kapitols, wenn du die Barbaren fürchtest», hatte dieser stolz geantwortet.
«Nein», erwiderte dieser. «Eine Niederlage Belisars ist ein zu seltnes Schauspiel, man darf es nicht versäumen.» In der Tat, Cethegus hätte eine Demütigung des großen Feldherrn, dessen Ruhm die Italier allzusehr anzog, gern gesehen.
Belisar hatte sein Heer aus den nördlichen Toren der Stadt geführt und wenige Stadien vor der Stadt in einem Lager versammelt, es hier zu mustern und neu zu ordnen und zu gliedern. Schon der starke Zufluß von Italiern, die zu seinen Fahnen geeilt waren, machte es nötig. Auch
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