«Wird kein groß Vergnügen sein, in der Nacht zwischen alten feuchten Mauern und gotischen Lanzen einem Fuchs nachzuspüren, der zehnmal schlauer ist als wir beide.»

«Was hast du vor?» fragte Belisar, aufmerksam werdend.

«Was ich vorhabe? Ein Ende zu machen der verfluchten Stellung, in der wir alle, in der du, o Feldherr, nicht zum mindesten stehst. Es ist schon alles ganz recht. Seit Monaten liegen die Barbaren vor diesen Mauern und haben nichts dabei gewonnen. Wir erschießen sie wie Knaben die Dohlen vom Hinterhalt und können ihrer lachen. Aber wer ist er eigentlich, der all dies vollbringt? Nicht, wie es sein sollte, du, des Kaisers Feldherr, noch des Kaisers Heer: sondern dieser eisige Römer, der nur lachen kann, wenn er höhnt. Der sitzt da oben im Kapitol und verlacht den Kaiser und die Goten und uns und, mit Verlaub zu sagen, dich selber am meisten. Woher weiß dieser

Odysseus und Ajax in einer Person alle Gotenpläne so scharf, als säße er mit im Rat des Königs Witichis? Durch sein Dämonium, sagen die einen. Durch seine Egeria, sagen die andern. Er hat einen Raben, der hören und sprechen kann wie Menschen, meinen wieder andere: den schickt er alle Nacht ins Gotenlager. Das mögen die alten Weiber glauben und die Römer, nicht meiner Mutter Sohn. Ich glaube den Raben zu kennen und das Dämonium. Gewiß ist, er kann die Kunde nur aus dem Gotenlager selbst holen, laß uns doch sehen, ob wir nicht selbst an seiner Statt aus dieser Quelle schöpfen könnten.»

«Ich habe das längst bedacht, aber ich sah kein Mittel.»

«Ich habe von meinen Hunnen alle seine Schritte belauern lassen. Es ist verdammt schwer: denn dieser braune Maurenteufel folgt ihm wie ein Schatten. Aber tagelang ist Syphax fern: - und dann gelingt es eher. Nun, ich habe erspäht, daß Cethegus so manche Nacht die Stadt verließ, bald aus der Porta portuensis, rechts vom Tiber, bald aus der Porta Sankt Pauls, links vom Tiber im Süden, die er beide besetzt hält. Weiter wagten ihm die Späher nicht zu folgen. Ich aber denke heute nacht - denn heute muß es wieder treffen, - ihm so nicht von den Fersen zu weichen. Doch muß ich ihn vor dem Tore erwarten: seine Isaurier ließen mich nicht durch; ich werde bei einer Runde vor den Mauern in einem der Gräben zurückbleiben.»

«Gut. Es sind aber, wie du sagst, zwei Tore zu beobachten.» -«Deshalb hab' ich mir Perseus, meinen Bruder, zum Genossen erkoren; er hütet das paulinische, ich das portuensische Tor; verlaß dich drauf - bis morgen vor Sonnenaufgang kennt einer von uns das Dämonium des Präfekten.» Und wirklich: einer von ihnen sollte es kennenlernen.

Gerade gegenüber dem Sankt-Pauls-Tor, etwa drei Pfeilschüsse von den äußersten Gräben der Stadt, lag ein mächtiges altertümliches Gebäude, die Basilika Sancti Pauli extra muros, die Paulskapelle vor den Mauern, deren letzte

Reste erst zur Zeit der Belagerung Roms durch den Connetable von Bourbon völlig verschwanden. Ursprünglich ein Tempel des Jupiter Stator, war der Bau seit zwei Jahrhunderten dem Apostel geweiht worden: aber noch stand die bronzene Kolossalstatue des bärtigen Gottes aufrecht: man hatte ihm nur den flammenden Donnerkeil aus der Rechten genommen und dafür ein Kreuz hineingeschoben. Im übrigen paßte die breite und bärtige Gestalt gut zu ihrem neuen Namen.

Es war um die sechste Stunde der Nacht. Der Mond stand glanzvoll über der ewigen Stadt und goß sein silbernes Licht über die Mauerzinnen und über die Ebene, zwischen den römischen Schanzen und der Basilika, deren schwarze Schatten nach dem Gotenlager hin fielen.

Eben hatte die Wache am Sankt-Pauls-Tor gewechselt.

Aber es waren sieben Mann hinausgeschritten, und nur sechs kamen herein. Der siebente wandte der Pforte den Rücken und schritt hinaus ins freie Feld.

Vorsichtig wählte er seinen Weg: vorsichtig vermied er die zahlreichen Fußangeln, Wolfsgruben, Selbstschüsse vergifteter Pfeile, die hier überall umhergestreut waren und manchem Goten bei den Angriffen auf die Stadt Verderben gebracht hatten. Der Mann schien sie alle zu kennen und wich ihnen leicht aus. Aber er vermied auch das Mondlicht sorgfältig, den Schatten der Mauervorsprünge suchend und oft von Baum zu Baum springend.

Als er aus dem äußersten Graben auftauchte, sah er sich um und blieb im Schatten einer Zypresse stehen, deren Zweige die Ballistengeschosse zerschmettert hatten. Er entdeckte nichts Lebendes weit und breit: und er eilte nun mit raschen Schritten der Kirche zu.

Hätte er nochmal umgeblickt, er hätte es wohl nicht getan.

Denn sowie er den Baum verließ, tauchte aus dem Graben eine zweite Gestalt hervor, die in drei Sprüngen ihrerseits den

Schatten der Zypresse erreicht hatte. «Gewonnen, Johannes! Du stolzer Bruder, diesmal war das Glück dem jüngeren Bruder hold. Jetzt ist Cethegus mein und sein Geheimnis.» Und vorsichtig folgte er dem rasch Voranschreitenden.

Aber plötzlich war dieser vor seinen Augen verschwunden, als habe ihn die Erde verschlungen. Es war hart an der äußeren Mauer der Kirche, die doch dem Armenier, als er sie erreichte, keine Tür oder Öffnung zeigte.

«Kein Zweifel», sagte der Lauscher, «das Stelldichein ist drinnen im Tempel: ich muß nach.»

Allein an dieser Stelle war die Mauer unübersteiglich.

Tastend und suchend bog der Späher um die Ecke derselben. Umsonst, die Mauer war überall gleich hoch. - Im Suchen verstrich ihm fast eine Viertelstunde.

Endlich fand er eine Lücke in dem Gestein: mühsam zwängte er sich hindurch. Und er stand nun im Vorhofe des alten Tempels, in dem die dicken dorischen Säulen breite Schatten warfen, in deren Schutz er von der rechten Seite her bis an das Hauptgebäude gelangte.

Er spähte durch einen Riß des Gemäuers, den ihm die Zugluft verraten hatte. Drinnen war alles finster. Aber plötzlich wurde sein Auge von einem grellen Lichtstrahl geblendet. Als er es wieder aufschlug, sah er einen hellen Streifen in der Dunkelheit: er rührte von einer Blendlaterne her, deren Licht sich plötzlich gezeigt hatte.

Deutlich erkannte er, was in dem Bereich der Laterne stand, den Träger derselben aber nicht, wohl dagegen Cethegus, den Präfekten, der hart vor der Statue des Apostels stand und sich an diese zu lehnen schien. Vor ihm stand eine zweite Gestalt: ein schlankes Weib, auf dessen dunkelrotes Haar schimmernd das Licht der Laterne fiel.

«Die schöne Gotenkönigin, bei Eros und Anteros!» dachte der Lauscher: «kein schlechtes Stelldichein, sei's nun Liebe, sei's

Politik! Horch, sie spricht. Leider kam ich zu spät, auch den Anfang der Unterredung zu hören.»

«Also: merk' es dir wohl! Übermorgen auf der Straße vor dem Tor von Tibur wird etwas Gefährliches geplant.» - «Gut: aber was?» fragte des Präfekten Stimme. - «Genaueres konnte ich nicht erkunden: und ich kann es dir auch nicht mehr mitteilen, wenn ich es noch erfahre. Ich wage nicht mehr, dich hier wiederzusehen: denn... -» Sie sprach nun leiser.

Perseus drückte das Ohr hart an die Spalte: da klirrte seine Schwertscheide an das Gestein, und nun traf ihn ein Strahl des Lichts.

«Horch!» rief eine dritte Stimme - es war eine Frauenstimme, die der Trägerin der Laterne, die sich jetzt in dem Strahl ihres eigenen Blendlichts gezeigt hatte, da sie sich rasch gegen die Richtung des Schalles gekehrt hatte. Perseus erkannte eine Sklavin in maurischer Tracht.

Einen Augenblick schwieg alles in dem Tempel. Perseus hielt den Atem an. Er fühlte, es galt das Leben. Denn Cethegus griff ans Schwert.

«Alles still», sagte die Sklavin. «Es fiel wohl nur ein Stein auf den Erzbeschlag draußen.»

«Auch in das Grab vor dem portuensischen Tor geh' ich nicht mehr. Ich

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