«Dann ist's vorbei!» seufzte Piso, den rechten Arm todmüde senkend. «Komm, Massurius, laß uns fliehn», mahnte Balbus.
«Nein, laßt uns hier sterben», rief Piso. Und schon tauchte der erste gotische Helm über den Rand der Mauer.
Da scholl es die Mauertreppen von der Stadtseite herauf: «Cethegus! Cethegus, der Präfekt!»
Und er war's; rasch sprang er auf die Zinne vor und hieb dem Goten, der eben die Hand auf die Brustwehr stützte, sich hinaufzuschwingen, die Hand samt dem Arme ab. Der Mann schrie und stürzte.
«O Cethegus», sagte Piso, «du kommst zu rechter Zeit!» -«Ich hoffe es», sprach dieser und stieß die Leiter um, die vor ihm angelegt stand. Witichis war darauf gestanden - behend sprang er hinab. «Aber jetzt Geschosse her, Speere, Lanzen. Sonst hilft alles nichts», rief Cethegus. «Kein Geschoß mehr weit und breit», antwortete Balbus. «Du kommst, hofften wir, mit deinen Isauriern?» - «Die sind noch weit, weit hinter mir!» rief Kallistratos, der eben als der erste nach Cethegus wieder erschien.
Und aufs neue wuchs die Zahl der Leitern und der aufsteigenden Helme. Und es wuchs die dringendste Gefahr.
Wild blickte Cethegus um sich. «Geschosse», rief er, mit dem Fuße stampfend, «es müssen Geschosse herbei!» Da fiel sein Auge auf die riesige Marmorstatue Zeus', des Erretters, die zu seiner Linken auf der Zinne stand. Ein Gedanke durchzuckte ihn mit Blitzesschnelle, er sprang hinzu und schlug mit einem Handbeil den rechten Arm der Statue mitsamt dem Donnerkeil in ihrer Faust herab. «Zeus», rief er, «leih mir deinen Blitz! Was hältst du ihn so müßig? Auf! Zerschlagt die Statuen, und schleudert sie den Feinden auf die Köpfe.» Und rascher als er dies gesagt, ward sein Beispiel befolgt. Mit Äxten und Beilen fielen die geängstigten Verteidiger über die Götter und Heroen her, und im Augenblick waren all die herrlichen Gestalten zertrümmert.
Es war ein grauenhafter Anblick: da barst ein erhabner
Hadrian, eine Reiterstatue, Roß und Reiter mitten auseinander: da stürzte eine lächelnde Aphrodite in die Knie: da flog der schöne Marmorkopf eines Antinous vom Rumpfe und sauste, von zwei Händen geschleudert, auf einen gotischen Büffelschild. Und weithin spritzten, die Zinnen bedeckend, Splitter und Trümmer von Marmor und Erz, von Bronze und Gold. Krachend und dröhnend schlugen die gewaltigen Lasten von Stein und Metall von den Zinnen herab und zerschmetterten die Helme und Schilde, die Panzer und die Glieder der stürmenden Goten und die Leitern selber, die sie trugen.
Mit Grauen blickte Cethegus auf das furchtbare Werk der Zerstörung, das sein Wort angerichtet. Aber es hatte gerettet. Zwölf, fünfzehn, zwanzig Leitern standen leer von den hart aufeinanderfolgenden Männern, die sie kurz zuvor ameisendicht besetzt hatten, ebenso viele lagen zerbrochen am Fuß der Mauer: überrascht von diesem unerwarteten Erz- und Marmorhagel wichen die Goten einen Augenblick. Aber gleich wieder rief sie das Horn Markjas zum Sturm: und wieder sausten die zentnerschweren Lasten hernieder.
«Unseliger, was hast du getan?» jammerte Kallistratos und starrte auf die Trümmer.
«Das Notwendige!» antwortete Cethegus und schleuderte den Rest von Zeus, dem Erretter, über den Wall. «Siehst du wie das traf? - zwei Barbaren auf einen Schlag» - und zufrieden blickte er hinab.
Da hörte er den Korinther rufen: «Nein, nein. Nicht diesen! Nicht den Apoll!»
Und Cethegus wandte sich und sah, wie ein riesiger Isaurier sein Beil gegen das Haupt des Latoniden schwang. «Narr, sollen die Goten herauf?» fragte der Barbar und holte wieder aus.
«Nicht meinen Apollon!» wiederholte der Hellene und umschlang den Gott schützend mit beiden Armen, weit sich vorbeugend.
Das ersah auf der nächsten Leiter Graf Markja, und glaubend, jener wolle die Statue auf ihn niederschleudern, kam er ihm zuvor: sein Wurfspeer flog und traf den Griechen mitten in die Brust. «Ach - Cethegus!» seufzte er und starb. Der Präfekt sah ihn fallen und preßte die Brauen zusammen. «Rettet die Leiche, und seine beiden Götter verschont!» sprach er kurz und stieß die Leiter um, auf der Markja gestanden, mehr konnte er nicht sagen und nicht tun, denn schon rief ihn eine neue, die drohendste Gefahr.
Witichis, von seiner Leiter halb herabgeschleudert, halb herabgesprungen, war seither hart an der Mauer gestanden unter dem Hagel der Stein- und Metalltrümmer nach neuen Mitteln spähend. Denn seit der erste Versuch der Sturmleitern durch die unverhofften, neuen Geschosse, die Götter und Heroen, abgewiesen war, hoffte er kaum noch, den Wall zu gewinnen. Während er sann und spähte, schlug das schwere Marmorfußgestell eines Mars gradivus dicht neben ihm auf die Erde, prallte nochmal empor und traf dabei an eine Mauerplatte. Und siehe, diese Platte, die ein Quader von härtestem Stein geschienen hatte, zerprang zerbröckelnd in kleine Stücke von Mörtel und Lehm: und an ihrer Stelle wurde sichtbar eine schmale Holzpforte, die, von jener Masse nur locker verkleidet und verdeckt, den Maurern und Werkleuten zum Ausgang und Eingang gedient hatte, wenn sie an dem großen Gebäude arbeiteten und nachbesserten.
Kaum ersah Witichis die Holztür, als er jubelnd ausrief: «Hierher, hierher, ihr Goten! Beile zur Hand!» Und schon schlug seine eigne Streitaxt donnernd an die dünnen Bretter, die nichts weniger als stark schienen.
Verhängnisvoll drang der neue, seltsame Ton an des Präfekten Ohr! Er hielt oben inne in der Blutarbeit und lauschte. «Das ist Eisen gegen Holz! Bei Cäsar!» sagte er zu sich selbst und sprang die schmale Mauertreppe herab, die an der Innenseite der zweiten Mauer in den schwach durch Öllampen beleuchteten
Innenraum des Grabmals führte.
Da dröhnte ein Schlag lauter als alle früheren, ein dumpfes Krachen und helles Splittern folgte und jauchzendes Siegesgeschrei der Goten. Wie Cethegus auf die letzte Stufe der Treppe sprang, fiel die Pforte krachend nach innen in den Hof, und König Witichis ward sichtbar auf der Schwelle.
«Mein ist Rom!» jubelte er, das Beil fallen lassend und das Schwert aus der Scheide ziehend. «Du lügst, Witichis: Zum erstenmal im Leben!» rief Cethegus grimmig und sprang vor, so gewaltig den starken Schildstachel stoßend gegen des Goten Brust, daß dieser überrascht einen Schritt zurücktrat.
Diesen Schritt benutzte der Präfekt und stellte sich selbst auf die Schwelle, die ganze enge Pforte füllend. «Wo bleiben die Isaurier!» rief er.
Aber nur einen Augenblick hatte ihm Witichis Zeit gelassen, bis er ihn erkannte. «So treffen wir uns doch im Zweikampf um Rom.» Und nun war das Anspringen an ihm. Cethegus, bemüht, die ganze Öffnung der Pforte zu verschließen, deckte mit dem Schild seine Linke; sein rechter Arm mit dem kurzen Römerschwert vermochte nicht genug, seine rechte Seite zu decken. Der Stoß des langen Schwertes des starken Goten drang, nicht stark genug von Cethegus abgewehrt, die Schuppenringe des Panzers durchschneidend, tief in seine rechte Brust.
Der Präfekt wankte nach links, schon neigte er sich zu fallen: aber er fiel nicht. «Rom! Rom?» sagte er tonlos, und krampfhaft hielt er sich noch aufrecht.
Witichis war einen Schritt zurückgetreten, um in neuem Ansprung dem gefährlichen Feind den Rest zu geben. Aber in diesem Augenblick erkannte ihn oben auf der Zinne Piso und schleuderte einen prachtvollen, schlafenden Faun, der bereits mit abgehauenen Füßen auf dem Walle lag, auf den König herab; er traf die Schulter, und Witichis stürzte nieder. Graf Markja, Iffamer und Aligern trugen ihn aus dem Gefecht.
Cethegus sah ihn noch fallen. Dann brach er selbst auf der Schwelle der Pforte zusammen; schützende Arme eines Freundes fingen ihn auf: - aber er erkannte diesen nicht mehr, sein
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