Bewußtsein schwand.
Doch weckte ihn gleich wieder ein wohlbekannter Ton, der seine Seele entzückte: es war die Tuba seiner Legionäre, das Feldgeschrei seiner Isaurier, die jetzt - endlich - im Sturmschritt eintrafen und, von den Liciniern geführt, in dichten Scharen sich auf die durch den Fall ihres Königs erschütterten Goten stürzten. Sie drängten sie siegreich zu einer (einstweilen von den eingedrungenen Goten von innen hinausgebrochenen) Bresche der ersten Mauer unter großem Blutvergießen hinaus.
Der Präfekt sah die letzten Barbaren flüchten, dann schlossen sich abermals seine Augen. «Cethegus!» rief der Freund, der ihn im Arme hielt, «Belisar im Sterben: und so bist auch du verloren?» Cethegus erkannte jetzt die Stimme Prokops. «Ich weiß nicht», sprach er mit letzter Kraft, «aber Rom - Rom ist gerettet!» Und damit vergingen ihm die Sinne.
Vierzehntes Kapitel
Nach der Anspannung aller Kräfte zu dem allgemeinen Sturm und seiner Abwehr, der mit dem Morgenrot begonnen und bei sinkender Sonne erst beendet war, trat bei Goten und Römern eine lange Pause der Erschlaffung ein. Die drei Führer Belisar, Cethegus und Witichis lagen wochenlang an ihren Wunden darnieder.
Aber noch mehr wurde die tatsächliche Waffenruhe veranlaßt durch die tiefe Niedergeschlagenheit und Entmutigung, die das Heer der Germanen befallen hatte, nachdem der mit höchster Anstrengung angestrebte Sieg in dem Augenblick, da er bereits gewonnen schien, ihnen entrissen wurde.
Sie hatten einen ganzen Tag lang ihr Bestes getan. Ihre
Helden hatten an Tapferkeit gewetteifert: und doch waren beide Pläne, der gegen Belisar und der gegen die Stadt, im Gelingen selbst noch gescheitert. Und wenn auch König Witichis in seinem steten Mute die Gedrücktheit des Heeres nicht teilte, so erkannte er dafür desto klarer, daß er seit jenem blutigen Tage das ganze System der Belagerung ändern mußte.
Der Verlust der Goten war ungeheuer; Prokop schätzte ihn auf dreißigtausend Tote und mehr als ebenso viele Verwundete: sie hatten sich im ganzen Umkreis der Stadt mit äußerster Todesverachtung den Geschossen der Belagerten ausgesetzt, und am pankratischen Tor und bei dem Grabmal Hadrians waren sie zu Tausenden gefallen.
Da nun auch in den achtundsechzig früheren Gefechten die Angreifenden immer viel mehr als die hinter Mauer und Turm gedeckten Verteidiger gelitten hatten, so war das große Heer, das Witichis vor Monden gegen die ewige Stadt geführt, furchtbar zusammengeschmolzen. Dazu kam, daß schon seit geraumer Zeit Seuchen und Hunger in ihren Zelten wüteten. Bei dieser Entmutigung und Abnahme seiner Truppen mußte Witichis den Gedanken, die Stadt im Sturm zu nehmen, aufgeben, und seine letzte Hoffnung - er verhehlte sich ihre Schwäche nicht - bestand in der Möglichkeit, der Mangel werde den Feind zur Übergabe zwingen. Die Gegend um Rom war völlig ausgesogen: und es schien nun darauf anzukommen, welche Partei die Entbehrung länger würde ertragen oder welche sich aus der Ferne würde Vorräte verschaffen können. Schwer fehlte den Goten die an der Küste von Dalmatien beschäftigte Flotte.
Der erste, der sich von seiner Wunde erholte, war der Präfekt.
Von der Pforte, die er mit seinem Leibe verschlossen, bewußtlos weggetragen, lag er anderthalb Tage in einem Zustand, der halb Schlaf, halb Ohnmacht war.
Als er am Abend des zweiten Tages die Augen aufschlug, traf sein erster Blick auf den treuen Mauren, der am Fußende des Lagers auf der Erde kauerte und kein Auge von ihm wandte. Die Schlange war um seinen Arm gerollt.
«Die Holzpforte!» war des Präfekten erstes, noch schwach gehauchtes Wort, «die Holzpforte muß fort - ersetzt durch Marmorquadern... -»
«Danke, danke dir, Schlangengott!» jubelte der Sklave, «jetzt ist der Mann gerettet. Und auch du selbst. Und ich, Herr, habe dich gerettet.» Und er warf sich mit gekreuzten Armen nieder und küßte das Lagergestell seines Herrn. - Er wagte nicht, dessen Füße zu berühren. «Du mich gerettet? - Wodurch?»
«Als ich dich so todesbleich auf diese Decken gelegt, habe ich den Schlangengott herbeigeholt, dich ihm gezeigt und gesprochen: <Du siehst, starker Gott, des Herrn Augen sind geschlossen. Hilf, daß er sie wieder aufschlägt. Bis du geholfen, erhältst du keine Krume Brot und keinen Tropfen Milch. Und wenn er die Augen nicht wieder aufschlägt - an dem Tage, da sie ihn verbrennen, verbrennt Syphax mit, aber du, o großer Schlangengott, desgleichen. Du kannst helfen, also hilf: oder brenne.) So sprach ich und er hat geholfen.»
«Die Stadt ist sicher - das fühl' ich, sonst hätte ich nicht entschlafen können. Lebt Belisar? Ja! Wo ist Prokop?»
«In der Bibliothek mit deinen Tribunen. Sie erwarten nach des Arztes Ausspruch noch heute dein Erwachen oder deinen... -» -«Tod? Diesmal hat dein Gott noch geholfen, Syphax. Laß die Tribunen ein.»
Bald standen die Licinier, Piso, Salvius Julianus und einige andere vor ihm; sie wollten bewegt an sein Lager eilen: er winkte ihnen Ruhe zu. «Rom dankt euch, durch mich. Ihr habt gefochten wie Römer. Mehr, Stolzeres kann ich euch nicht sagen.» Und er übersah wie nachsinnend die Reihe, dann sagte er: «Einer fehlt mir - ah, mein Korinther! Die Leiche ist gerettet. Denn ich empfahl sie Piso, sie und die beiden Letoiden; setzt ihm als Denkmal eine schwarze Platte von korinthischem Marmor an die Stelle, wo er fiel: stellt die Statue des Apollo über die Aschenurne und schreibt darauf: <Kallistratos von Korinth ist hier für Rom gestorben; er hat den Gott, der Gott nicht ihn gerettet.) Jetzt geht, bald sehen wir uns wieder - auf den Wällen. Syphax, nun sende mir Prokop. Und bring einen großen Becher Falernerwein.» - «Freund», rief er dem eintretenden Prokopius entgegen, «mir ist, ich habe vor diesem Fieberschlaf noch flüstern hören: <Prokop hat den großen Belisar gerettet.) Ein unsterblich Verdienst! Die ganze Nachwelt wird dir's danken - so brauch ich's nicht zu tun. Setze dich hierher und erzähle mir das Ganze... - Aber halt: erst schiebe die Kissen zurecht, daß ich meinen Cäsar wieder sehen kann. Sein Anblick stärkt mehr als Arzneien. Nun sprich.»
Prokopius sah den Liegenden durchdringend an.
«Cethegus», sagte er dann, ernsten Tones, «Belisar weiß alles.» - «Alles?» lächelte der Präfekt, «das ist viel.» - «Laß den Spott, und versage Bewunderung nicht dem Edelsinn: du, der du selber edel bist» - «Ich? Nicht daß ich wüßte.» - «Sowie er zum Bewußtsein kam, hat ihm Bessas natürlich sofort alles mitgeteilt, hat ihm haarklein erzählt, wie du befohlen, das Tor gesperrt zu halten, als Belisar in seinem Blute davor lag, den wütigen Teja auf den Fersen, daß du befohlen, seine Leibwächter niederzuhauen, die mit Gewalt öffnen wollten. Jedes Wort von dir hat er berichtet, auch deinen Ausruf: <Erst Rom, dann Belisar): und hat deinen Kopf verlangt im Rat der Feldherren. Ich erbebte. Aber Belisarius sprach: <Er hat recht getan! Hier, Prokop, bring ihm mein eigen Schwert und die ganze Rüstung, die ich an jenem Tage trug, zum Dank.) Und in dem Bericht an den Kaiser hat er mir die Worte diktiert: <Cethegus hat Rom gerettet und nur Cethegus! Schick' ihm den Patriciat von Byzanz!)»
«Ich danke, ich habe Rom nicht für Byzanz gerettet.» - «Das brauchst du mir nicht erst zu sagen, unattischer Römer.»
«Ich bin nicht in attischer Laune, Lebensretter! Was war dein Dank?»
«Still. Er weiß nichts davon. Und soll es nie erfahren.»
«Syphax, Wein. - So viel Edelsinn kann ich nicht vertragen! Es macht mich schwach. Nun, wie war der Reiterspaß?»
«Freund, das war kein Spaß. Sondern der furchtbarste Ernst, der mir noch
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