ich meinen Helden aus Italien fort haben will, sobald als möglich. Er soll in Persien Lorbeeren sammeln, statt hier Dornen. Aber ich gehe nicht weiter mit dir als bis... -»
«Zu deinem Ziel, das versteht sich.»
«Genug. Ich spreche sofort mit Antoninen: ich zweifle nicht am Erfolg. Sie langweilt sich hier aufs tödlichste. Sie brennt vor Begierde, in Byzanz nicht nur so manchen Freund wiederzufinden, auch die Feinde ihres Gatten zu verderben.»
«Eine gute schlechte Frau.»
«Aber Witichis? Meinst du, er wird eine Empörung Belisars für möglich halten?»
«König Witichis ist ein guter Soldat und schlechter Psychologe. Ich kenne einen viel schärferen Kopf, der's doch einen Augenblick für möglich hielt. Und du zeigst ihm ja alles schriftlich. Und jetzt gerade, da er von den Franken im Stich gelassen ist, geht ihm das Wasser an den Hals: - er greift nach jedem Strohhalm. Daran also zweifle ich nicht: - versichre dich nur Antoninens.» -
«Das laß meine Sorge sein. Bis Mittag hoff ich als Gesandter in Ravenna einzuziehn.»
«Wohl: - dann vergiß mir nicht, die schö ne Königin zu sprechen.»
Neunzehntes Kapitel
Und mittags ritt Prokop in Ravenna ein.
Er trug vier Briefe bei sich: den Brief Justinians an Belisar, die Briefe des Frankenkönigs an Cethegus und an Belisar und einen Brief Belisars an Witichis. Diesen letzten hatte Prokop geschrieben, und Cethegus hatte ihn diktiert.
Der Gesandte hatte keine Ahnung, in welcher Seelenverfassung er den König der Goten und seine Königin antraf. Der gesunde, aber einfache Sinn des Königs hatte schon seit geraumer Zeit begonnen, unter dem Druck unausgesetzten Unglücks zwar nicht zu verzagen, jedoch sich zu verdüstern. Die Ermordung seines einzigen Kindes, das herzzerfleischende Losreißen von seinem Weibe hatten ihn schwer erschüttert: -aber er hatte es getragen für den Sieg der Goten. Und nun war dieser Sieg hartnäckig ausgeblieben.
Trotz allen Anstrengungen war die Sache seines Volkes mit jedem Monat seiner Regierung tiefer gefallen: mit einziger Ausnahme des Gefechts bei dem Zug nach Rom hatte ihm nie das Glück gelächelt.
Die mit so stolzen Hoffnungen unternommene Belagerung von Rom hatte mit dem Verlust von drei Vierteln seines Heeres und traurigem Rückzug geendet. Neue Unglücksschläge, Nachrichten, die betäubend wie Keulenschläge auf den Helm in dichter Folge sich drängten, mehrten seine Niedergeschlagenheit und steigerten sie zu dumpfer Hoffnungslosigkeit.
Fast ganz Italien, außerhalb Ravennas, schien Tag für Tag verlorenzugehen. Schon von Rom aus hatte Belisar eine Flotte gegen Genua gesendet, unter Mundila, dem Heruler, und Ennes, dem Isaurier: ohne Schwertstreich gewannen deren gelandete Truppen den seebeherrschenden Hafen und von da aus fast ganz Ligurien. Nach dem wichtigen Mediolanum lud sie Datius, der Bischof dieser Stadt, selbst; von dort aus gewannen sie Bergomum, Comum, Novaria. Andrerseits ergaben sich die entmutigten Goten in Clusium und dem halbverfallnen Dertona den Belagerern und wurden gefangen aus Italien geführt. Urbinum ward nach tapferm Widerstand von den Byzantinern erobert, ebenso Forum Cornelii und die ganze Landschaft Ämilia durch Johannes den Blutigen: die Versuche der Goten, Ancona, Ariminum und Mediolanum wiederzunehmen, scheiterten.
Noch schlimmere Botschaften aber trafen bald des Königs weiches Gemüt.
Denn inzwischen wütete der Hunger in den weiten Landschaften Ämilia, Picenum, Tuscien. Dem Pfluge fehlten Männer, Rinder und Rosse.
Die Leute flüchteten in die Berge und Wälder, buken Brot aus
Eicheln und verschlangen das Gras und Unkraut. Verheerende Krankheiten entstanden aus der mangelnden und ungesunden Nahrung. In Picenum allein erlagen fünfzigtausend Menschen, noch mehr jenseits des Ionischen Meerbusens in Dalmatien, dem Hunger und den Seuchen. Bleich und abgemagert wankten die noch Lebenden dem Grabe zu: wie Leder ward die Haut und schwarz, die glühenden Augen traten aus dem Kopf, die Eingeweide brannten. Die Aasvögel verschmähten die Leichen dieser Pestopfer: aber von Menschen ward das Menschenfleisch gierig gegessen. Mütter töteten und verzehrten ihre neugeborenen Kinder. In einem Gehöft bei Ariminum waren nur noch zwei römische Weiber übrig. Diese ermordeten und verzehrten nacheinander siebzehn Menschen, die vereinzelt bei ihnen Unterkunft gesucht. Erst der achtzehnte erwachte, bevor sie ihn im Schlaf zu erwürgen vermochten, tötete die werwölfischen Unholdinnen und brachte das Schicksal der früheren Opfer ans Licht.
Endlich scheiterte auch die auf Langobarden und Franken gesetzte Hoffnung. Die letzteren, die große Summen für das zugesagte Hilfsheer empfangen hatten, verharrten in schweigender Ruhe. Die ungestüm zur Eile, zur Erfüllung der versprochenen und vorausbezahlten Leistungen mahnenden Boten des Königs wurden zu Mettis, Aurelianum und Paris festgehalten: keinerlei Antwort kam von diesen Höfen. Der Langobardenkönig Audoin aber ließ sagen, er wolle nichts entscheiden ohne seinen kriegsgewaltigen Sohn Alboin. Dieser jedoch sei mit großem Gefolge auf Abenteuer ausgezogen.
Vielleicht komme derselbe selbst einmal nach Italien: - er sei mit Narses eng befreundet. Dann werde er das Land ansehn und seinem Vater und Volke raten, welche Beschlüsse sie über dies Land Italia fassen sollten.
Tapfer widerstand zwar noch Auximum monatelang allen Anstrengungen des starken Belagerungsheeres, das Belisar selbst, begleitet von Prokop, vor die Mauern geführt hatte und während der Einschließung befehligte. Aber es zerriß dem König das Herz, als ihm durch einen Boten (der nur mit Mühe und verwundet sich durch die Reihen beider einschließenden Heere in das drei Tagreisen entfernte Ravenna schlich) der heldenmütige Graf Wisand, der Bandalarius, die folgenden Worte sandte: «Als du mir Auximum anvertrautest, sagtest du: ich sollte damit die Schlüssel Ravennas, ja des Gotenreichs hüten. Ich sollte männlich widerstehen, dann würdest du bald mit all deinem Heer zu unsrem Entsatz heranziehen. Wir haben männlich widerstanden Belisar und dem Hunger. Wo bleibt dein Entsatz? Wehe, wenn du recht gesprochen und mit unsrer Feste jene Schlüssel in der Feinde Hände fallen. Deshalb komm und hilf: - mehr um des Reichs als unsrer willen.»
Diesem Boten folgte bald ein zweiter, ein mit vielem Golde bestochner Soldat der Belagerer, Burcentius: sein Auftrag lautete - mit Blut war der kurze Brief geschrieben -: «Wir haben nur mehr das Unkraut zu essen, das aus den Steinen wächst. Länger als fünf Tage können wir uns nicht mehr halten.» Der Bote fiel auf der Rückkehr mit der Antwort des Königs in die Hand der Belagerer, die ihn im Angesicht der Goten vor den Wällen von Auximum lebendig verbrannten.
Ach, und der König konnte nicht helfen.
Noch immer widerstand das Häuflein Goten in Auximum, obwohl ihnen Belisar durch Zerstörung der Wasserleitung das Wasser abschnitt und den letzten Brunnen, der ihnen geblieben und nicht abzugraben war, durch Leichen von Menschen und Tieren und Kalklösungen vergiftete. Sturmangriffe schlug Wisand immer noch blutig ab: nur durch Aufopferung eines Leibwächters entging einmal Belisar hierbei dem ganz nahen Tode.
Endlich fiel zuerst Cäsena, die letzte gotische Stadt in der Ämilia, und dann Fäsulä, das Cyprianus und Justinus belagerten. «Mein Fäsulä!» rief der König, als er es erfuhr: - denn er war Graf dieser Stadt gewesen, und dicht dabei lag das Haus, das er mit
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