nach dem Schlüssel, aber ihre Hand zitterte. Er fiel.

«Was ist dir», fragte der König, den Schlüssel ihr in die Rechte drückend, - sie steckte ihn in den Gürtel ihres weißseidnen Unterkleides - «du zitterst? Bist du krank?» setzte er besorgt hinzu.

«Nein - es ist nichts. - Aber sieh mich nicht an so - so wie jetzt und wie heute morgen... -»

«Vergib mir, Königin», sagte Witichis, sich abwendend. «Meine Blicke sollten dich nicht kränken. Ich hatte viel, recht viel Gram in diesen Tagen. Und wenn ich nachsann, mit welcher Schuld ich all dies Unglück verdient haben könnte...» - seine Stimme wurde weich.

«Dann? O rede?» bat Mataswintha hingerissen. Denn sie zweifelte nicht mehr an dem Sinn seines unausgesprochenen Gedankens.

«Dann hab' ich, unter all den ringenden Zweifeln, oft auch gedacht, ob es nicht Strafe sei für eine harte, harte Tat, die ich an einem herrlichen Geschöpf begangen habe. An einem Weibe, das ich meinem Volk geopfert -.» Und unwillkürlich sah er im Eifer seiner Rede auf die Hörerin.

Mataswinthens Wangen erglühten: sie faßte, sich aufrecht zu halten, nach der Lehne des Stuhles neben ihr. «Endlich - endlich erweicht sein Herz, und ich - was habe ich ihm getan!» dachte sie, «und er bereut -»

«Ein Weib», fuhr er fort, «das unsäglich um mich gelitten, mehr als Worte es sagen können.»

«Halt ein!» flüsterte sie so leise, daß er es nicht vernahm. «Und wenn ich dich in diesen Tagen um mich walten sah, weicher, milder, weiblicher als je zuvor - dann rührtest du mein Herz mit Macht: und Tränen drangen in meine Augen.» -

«O Witichis!» hauchte Mataswintha.

«Jeder Ton deiner Stimme sogar drang tief in meine Seele. Denn du mahnst mich dann so ganz, so herzerschütternd an -»

«An wen?» fragte Mataswintha und wurde leichenblaß.

«Ach, an sie, die ich geopfert! Die alles um mich gelitten, an mein Weib Rauthgundis, die Seele meiner Seele.» Wie lange hatte er den geliebten Namen nicht mehr laut gesprochen! Jetzt überwältigte ihn bei diesem Klang die Macht des Schmerzes und der Sehnsucht: und in den Stuhl sinkend bedeckte er sein Gesicht mit beiden Händen.

Es war gut. Denn so bemerkte er nicht, wie es blitzähnlich durch die Gestalt der Königin zuckte, ihr schönes Antlitz sich medusenhaft verzerrte. Doch hörte er einen dumpfen Schlag und wandte sich.

Mataswintha war zu Boden gesunken. Ihre linke Hand klammerte sich in die durchbrochene Rücklehne des Stuhls, an dem sie niedergeglitten war, während die Rechte sich fest auf den Mosaikboden stemmte. Ihr bleiches Haupt war vorgebeugt, das prachtvoll rote Haar flutete, losgerissen aus dem Scheitelband, über ihre Schultern: ihre scharf geschnittenen Nüstern flogen.

«Königin!» rief er hinzueilend, sie aufzuheben, «was hat dich befallen?»

Aber ehe er sie berühren konnte, schnellte sie wie eine Schlange empor und richtete sich hoch auf: «Es war eine Schwäche», sagte sie, «die jetzt vorbei: - leb' wohl!» Wankend

erreichte sie die Tür und fiel draußen bewußtlos in Aspas Arme.

*

Unterdessen hatte sich das unheimliche, drohende Ansehen der ganzen Natur noch gesteigert.

Die kleine, rundgeballte Wolke, die Cethegus am Tage zuvor bemerkt, war der Vorbote einer ungeheuren, schwarzen Wolkenwand gewesen, welche die Nacht über aus dem Osten aufgestiegen war, jedoch seit dem Morgen unbeweglich, wie Verderben brütend, über dem Meere stand und die Hälfte des Horizonts bedeckte.

Aber im Süden brannte die Sonne mit unerträglich stechenden Strahlen aus dem unbewölkten Himmel. Die gotischen Wachen hatten Helm und Harnisch abgelegt: sie setzten sich lieber den Pfeilen der Feinde als dieser unleidlichen Hitze aus. Kein Lüftchen regte sich mehr. Der Ostwind, der jene Wolkenschicht heraufgeführt, war plötzlich gefallen. Unbeweglich, bleigrau lag das Meer: die Zitterpappeln im Schloßgarten standen regungslos.

Allein in die tags zuvor ebenfalls verstummte Tierwelt war Angst und Unruhe geraten. An dem heißen Sand der Küste hin flatterten Schwalben, Möwen und Sumpfvögel unsicher, ziellos, hin und her, ganz nieder an der Erde hinstreichend manchmal schrille Rufe gellend. In der Stadt aber liefen die Hunde winselnd aus den Häusern: die Pferde rissen sich in den Ställen los und schlugen, ungeduldig schnaubend, dröhnenden Hufes um sich; kläglich schrien Katzen, Esel und Maultiere, und von den Dromedaren Belisars rasten und schäumten sich drei zu Tode, in wütenden Anstrengungen, zu entkommen. -

Es neigte jetzt gegen Abend. Die Sonne drohte alsbald unter den Horizont zu sinken.

Auf dem Forum des Herkules saß ein Bürger von Ravenna auf der Marmorstufe vor seinem Hause. Es war ein Winzer und schenkte, wie der verdorrte Rebenzweig über seiner Tür zeigte, in seinem Hause selbst von seinem Gewächs. Er blickte nach dem drohenden Wettergewölk. «Ich wollte, es käme Regen», seufzte er. «Kommt nicht Regen, so kommt Hagel und zerschlägt vollends, was an Wachstum draußen die Rosse der Feinde noch nicht zerstampft haben.»

«Nennst du die Truppen unseres Kaisers Feinde?» flüsterte sein Sohn, ein römischer Patriot. Aber leise. Denn eben bog um die Ecke eine gotische Runde.

«Ich wollte, der Orkus verschlänge sie alle miteinander, Griechen und Barbaren! Die Goten haben wenigstens immer Durst. Siehst du, da kommt der lange Hildebadus, der ist der Durstigsten einer. Sollte mich wundern, wenn er heute nicht

trinken wollte da die Steine bersten möchten vor Trockenheit.»

Hildebad hatte die nächste Wache abgelöst und schlenderte nun langsam heran, den Helm im linken Arm, die lange Lanze lässig über der Schulter. Er schritt an der Weinschenke vorbei, zum großen Befremden ihres Herrn, bog in die nächste Seitengasse und stand bald vor einem hohen und dicken Rundturm - er hieß Turm des Aetius -, in dessen Schatten oben auf dem Walle ein schöner, junger Gote auf und nieder schritt. Lange, hellblonde Locken rieselten auf seine Schultern: und das zarte Weiß und Rot seines Gesichts wie die milden, blauen Augen gaben ihm ein fast mädchenhaftes Ansehn.

«He, Fridugern», rief ihm Hildebad hinauf, «huiweh! Blitzjunge, hältst du's noch immer aus auf diesem Bratrost da oben? Und mit Schild und Panzer - uf!»

«Ich habe die Wache, Hildebad!» sagte der Jüngling sanft.

«Ach, was Wache! Glaubst du, bei dieser Schmelzofenhitze wird Belisar stürmen? Ich sage dir, der ist froh, wenn er Luft hat, und verlangt heute kein Blut. Komm mit: ich kam dich zu holen - der dicke Ravennate auf dem Herkulesplatz hat alten Wein und junge Töchter: laß uns beide zu Munde führen.»

Der junge Gote schüttelte die langen Locken, und seine Stirn faltete sich. «Ich habe Dienst und keinen Sinn für Mädchen. Durst habe ich freilich: - schicke mir einen Becher Wein herauf.»

«Ach, richtig, bei Freia, Venus und Maria! Du hast ja eine Braut über den Bergen am Danubius! Und du glaubst, die merkt es gleich, und die Treue sei gebrochen, wenn du hier einer Römerdirne in die Kohlenaugen guckst. O lieber Freund, bist du noch jung! Nun, nun, nichts für ungut. Mir kann's ja recht sein. Bist sonst ein guter Gesell und wirst schon noch älter werden. Ich schicke dir vom

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