daß ihr Goten mit den Amalerfürsten und den Balten ursprünglich unsre Brüder wart, und nur durch Verirrung auf der Wanderung seiet ihr allmählich immer weiter nach Süden abgekommen: denn ihr folgtet der Kraniche Flug vom Kaukasus ab, wir aber dem Rennen der Wölfe.»
«Wenn dem so ist» lächelte Totila, «zieh' ich die Kraniche als Wegweiser vor.»
«So mag dir das jetzt wohl noch scheinen hier in dieser stolzen Methalle», sprach König Harald ernst.
«Aber mein weiser Vater Frode meint anders. Wie dem nun sei - (ich glaub's nicht recht, denn sonst müßten wir unsre Worte leichter verstehen) -. Wir ehren hoch und treu die alte Blutsgemeinschaft, sind wir nicht Brüder, sind wir doch sicher Vettern.
Und lange Zeit kam von eurem warmen Gotaland in unser kaltes immer nur frohe, stolze Kunde höchsten Ruhms: und mein Vater und euer König Thidrekr, den unsrer Skalden Harfenlieder preisen, tauschten einmal Gesandte und Geschenke, vermittelt durch die Bernstein-Esthen, die an dem Austrweg wohnen. Diese führten unsre Boten zu den Wenden an der Wyzla: diese zu den Langobarden an der Tisia: diese zu den Herulern am Dravus: diese durch Savien nach Salona und Ravenna.»
«Du bist ein weg- und länderkundiger Mann», meinte Totila.
«Das muß der Wiking sein. Sonst kommt er erst nicht vorwärts. Und dann oft nicht mehr zurück. - Lange also hörten wie nur vom Glück und Glanz bei euch.
Aber einmal und dann öfter kam durch Kaufleute, die von uns Pelz, Eiderdunen und Bernstein kaufen und den Friesen, Sachsen und Franken zuführen und uns künstlich Gerät und Gold und Silber zubringen - und immer trauriger kam zu uns die Kunde, daß König Thidrekr gestorben und nach seinem Tod groß Unheil ausgebrochen sei in eurem Reich. Unsieg, Verrat, Königsmord, Krieg von Goten wider Goten und der falschen Fürsten Grekaland Übergewalt.
Und es hieß: zu vielen Tausenden hättet ihr euch die Schädel eingerannt an den hohen Mauern eurer eignen Romaburg, die aber nicht ihr hättet, sondern ein Mann wie Asathor und ein zweiter, noch schlimmerer, wie Loki der Feuer-Arge.
Und wir forschten, ob euch denn gar niemand Hilfe leiste von den vielen Königen und Fürsten, die um Thidrekrs von Raven Gunst gebettelt. Aber da lachte der fränkische Kaufmann, der in meines Vaters Halle feines Gewebe feilbot von der Wahala, und sprach: <Bricht Glück, bricht Treue. Alle haben sie von den glücklosen Gotenhelden gelassen, Westgoten und Burgunden, Heruler und Thüringe und zumeist wir Franken. Denn wir sind klug vor andern.>
Da warf aber mein Vater, König Frode, seinen Stab zürnend zur Erde und rief: <Wo ist Harald, mein starker Sohn?>
<Hier>, sprach ich, <Vater>, und ergriff seine Hand.
<Hast du gehört>, fuhr mein Vater fort, <die Kunde von der Südlandskönige Untreue? Solches soll man nicht singen und sagen von den Männern von Götaland. Wenn alle untreu geworden gegen die Goten von Gardarike und Raven: - wir wollen Treue halten und ihnen helfen in ihrer Not.
Auf, mein starker Harald und du, meine kühne Haralda, rüstet hundert Drachenschiffe aus und füllt sie mit Männern und Waffen - greift tief in meinen Königshort zu Kingsala und schonet nicht die gehäuften Goldringe - und fahret aus mit Odins Hauch in den Segeln. -
Von Konghalla erst an den Inseldänen und den Jüten vorüber gen Niedergang, dann entlang den Küsten der Friesen und Franken durch den Schmalpfad der See. Weiter segelt um das Reich der Sueven in dem Bergland, das da Asturia heißt: und um der Westgoten Land biegt nach Süden: dann windet euch wieder durch den Schmalpfad der Weit-See, wo Asathor und Odin zwei Säulen gesetzt haben: dann seid ihr schon im Meer von Midilgardh, wo zahllose Eilande liegen in immergrünen Büschen, daraus weiße Marmorhallen schimmern, getragen von hohen, runden Steinbalken.
Auf diesen Eilanden heeret: denn sie gehören den falschen Fürsten von Grekaland.
Und dann fahret gen Romaburg oder gen Raven und helfet dem Volke Thidrekrs wider seine Feinde und kämpfet für sie zu Wasser und zu Lande und stehet treu zu ihnen, bis niedergekämpft sind alle ihre Feinde.
Dann aber sprecht zu ihnen: So rät euch König Frode, der bald hundert Winter gesehn hat und vieler Fürsten und Völker Geschicke hat aufsteigen sehn und wieder sinken, und der selber in jungen Jahren jenes Südland gesehn hat als Wiking.
So rät euch König Frode: Räumet das Südland, so herrlich es ist.
Ihr werdet nicht darin dauern.
So wenig die Eisscholle dauert, die im Südmeer treibt. Es zehren schmelzend an ihr unablässig Sonne, Luft und leise nagende Wellen. Und mag sie noch so mächtig sein - sie muß zerrinnen, und keine Spur wird bleiben ihres Daseins.
Es ist aber besser, im armen Nordland leben als im reichen Südland sterben.
Besteigt unsre Drachenschiffe und rüstet eigne und ladet darauf all euer Volk, Männer, Frauen, Kinder, Knechte und Mägde, und Rinder und Rosse und Waffen und Edelgerät, und räumet den heißen Boden, der euch sicher verschlingen wird: und fahret von dannen und kommt zu uns. Wir wollen zusammenrücken oder den Finnen, den Wenden und Esthen so viel Land nehmen als ihr braucht.
Und ihr sollt erhalten bleiben, frisch und grünend.
Dort unten verwelkt und versengt euch die Südsonne. So rät euch König Frode, den die Menschen den Weisen nennen seit fünfzig Jahren.>
Und wir hörten nun freilich schon, wie wir einfuhren in das Meer von Midilgardh, von den Seefahrern, daß eure Not gewendet sei durch einen neuen König, den sie schilderten wie den Gott Baldur, daß ihr Romaburg und alles Land von Gardarike wiedergewonnen und siegreich in Grekaland selbst geheert habt.
Und wir sehen ja jetzt mit Augen, daß ihr unsre Waffenhilfe nicht braucht. Ihr lebt herrlich und in Freuden in dieser Methalle: und alles ist voll roten Goldes und weißen Gesteins. Aber doch muß ich wiederholen meines Vaters Wort und Rat: folgt ihm! Er ist weise! Noch jeder hat's bereut, der König Frodes Rat verschmäht.»
Allein Totila schüttelte lächelnd das Haupt und sprach:
«Großen Dank sagen wir König Frode und euch für edle, seltne Treue. Unvergessen soll in der Goten Gesänge solche Brudertreue sein der Nordland-Helden. Aber, o König Harald, folge mir und blick' um dich her.» -
Und er stand auf, nahm den Gast an der Hand und führte ihn an den Eingang des Zeltes, die Vorhänge zurückschlagend: da lagen Strom und Land und Stadt in glühendem Licht des Sonnenuntergangs: «Sieh dies Land, unvergleichlich an Herrlichkeit des Himmels und des Bodens und der Kunst: -siehe diesen Tiberstrom von glücklichen, jubelnden, schönen Menschen bedeckt, schau' diese Büsche von Lorbeer und Myrten: blicke hin auf die Säulenpaläste, die dort von Rom her im Abendstrahl schimmern, auf die hohen Marmorbilder auf diesen Stufen -: und sage du selbst, würdest du dies Land räumen, wenn es dein wäre? Würdest du diese Herrlichkeit vertauschen mit Nordes Fichten und Föhren und frühlingslosem Eise, mit den rauchgeschwärzten Holzhütten auf nebliger Heide?»
«Ja, das würd' ich, beim Hammer Thors! Dies Land hier ist gut, drin zu heeren, drin zu schwelgen, drin zu siegen: jedoch dann schleunig auf und davon gefahren mit der Siegesbeute nach
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