schlagen.
Mit banger Ahnung hatte Valeria allmählich erraten, daß die Entscheidung gerade hier fallen werde, in dem Tal ihrer Sorgen und Schmerzen.
Der König hatte auch den übrigen, das Volksheer begleitenden Frauen, darunter den Neuvermählten Gotho und Liuta, das Kloster und die Kapelle auf den beiden Hügeln im Rücken des Heeres bei «spes bonorum» als den angemessensten und sichersten Aufenthalt angewiesen: selbst im Fall des Sieges der Feinde gewährten diese katholischen Kultstätten gegenüber den katholischen Überwindern noch am ehesten Schutz.
Das Lager des Königs und die durch dasselbe gedeckten Gebiete wurden aber täglich mehr angefüllt von Angehörigen des Gotenvolks jedes Alters und Geschlechts, die aus den von Narses bedrohten oder durchzogenen Gegenden nach Süden flüchteten: denn das furchtbare System der Ausrottung alles gotischen Lebens, das der Gewaltige verfolgte, war alsbald schrecklich bekannt geworden und jagte die entsetzten Goten in banger Verzweiflung auf, bevor auch über sie hin der eherne Wagen der Austilgung rollte.
Sie erkannten, daß ein Vernichtungskrieg gegen ihr gesamtes Volkstum, nicht nur ein politischer Streit hier geführt werde. Nicht nur die gotischen Krieger, alle Tropfen gotischen Blutes waren die von Narses bedrohten Feinde.
Dazu kam, daß nun auch die Italier diese Natur und Absicht des jetzt erneuten Kampfes erkannten: und nun brach auch in ihnen der alte Barbarenhaß, der Gegensatz des Blutes und des Glaubens, wieder aus: die Versöhnung nach der Kriegsnot und durch die Milde des Friedenskönigs war erzwungen und künstlich - die Ausnahme - gewesen: nun kehrte das Natürliche, die Regel, der Haß wieder. Überall, wo sie sich durch die «Romäer» gesichert glaubten, zeigten diesen die Italier die Wohnstätten oder Verstecke der gotischen Familien an oder lieferten sie gleich selbst in die Gefangenschaft.
So also war es nicht mehr möglich, wie in dem belisarischen Feldzug, daß die Goten-Siedlungen sich vor der vorüberbrausenden Woge des Krieges duckend verbargen, und, nachdem sie weitergestürmt, wieder emporrichteten, wie Halme nach dem Gewitterwind: - nein, so weit Narses kam, kam der Gotenuntergang, und war er weitergezogen, war hinter ihm ausgetilgt das Gotentum.
Daher wurde denn, was noch flüchten konnte, was entronnen war vor der wandelnden Mauer der Vernichtung, von Norden nach Süden in des Königs Lager gedrängt: es nahm der Krieg den Charakter der alten Kämpfe eines Wandervolkes an, dessen Geschick an Schlacht und Lager gebunden war: die Wagenburg der ineinandergeschobenen Karren, welche die Zelte trugen, die einzige Heimat: es war nicht mehr die Verteidigung eines vom Feinde bedrohten Landes und der friedlichen Einwohner durch ein Heer: denn außer dem Lager des Königs und dem von diesem gedeckten Lande gab es fast keine Goten mehr in Italien. Totila ließ, schon um der Hungergefahr zu steuern, welche die Anhäufung solcher Massen Volkes in und hinter dem Lager herbeiführen mußte, die unwehrhafte Menge weiter nach dem Süden führen und verteilen.
Als den König auf einem Erkundungsritt über die Höhen dicht an der «Spes bonorum» vorüber der junge Herzog Adalgoth jenes Abends erinnerte, da sie zuerst die Kapelle besuchten, lächelte jener: «Jawohl - da ich mir die Grabesstätte wählte bei Numa Pompilius. Nun gut: falle ich hier, habt ihr mich nicht weit zu tragen.»
Aber im Grunde seines Herzens war der König nicht ohne Sorge über den Ausgang der hier sich langsam vorbereitenden
Schlacht.
Ihn beunruhigte der Mangel an Reiterei: der größere Teil seiner Berittenen stand bei den Truppen von Guntharis und Grippa. Den tapfern Langobarden auf ihren starken Gäulen im Lager des Narses hatte der König keine an Zahl entsprechende Waffe entgegenzustellen.
Aber gerade diesem Mangel schien das alte Glück des Königs abhelfen zu wollen.
Siebenundzwanzigstes Kapitel
In den Gotenzelten gingen schon seit mehreren Tagen dunkle Gerüchte von der Annäherung neuer Hilfsscharen von Osten her, die zugewanderte Goten meldeten.
Der König wußte von keinem Zuzug aus jener Richtung und sandte deshalb vorsichtig, einem etwaigen Flankenangriff der Byzantiner zu begegnen, Graf Thorismut, Wisand, den Bandalarius, und den jungen Adalgoth mit einigen berittenen Sajonen auf Kundschaft aus.
Aber am Tage darauf schon kamen diese zurück, und Graf Thorismut sprach frohen Angesichts, da er mit Adalgoth in das Zelt des Königs trat: «Ich bringe dir, o König, einen alten Freund zur rechten Stunde.» - «Er gleicht ganz dem Königstiger», fiel Adalgoth ein, «den du in den letzten Zirkusspielen dem Volke zu Rom gezeigt. Nie sah ich solche Ähnlichkeit zwischen Mensch und Tier.» - «Er wird dir hochwillkommen sein - da ist er schon.»
Und vor dem König stand - Furius Ahalla, der Korse.
Er neigte das stolze, noch tiefer gebräunte Antlitz und legte die linke Hand auf die Brust «Ich grüße dich, König der Goten.»
«Willkommen, Weltumsegler, in Italien. Woher kommst du?» - «Von Tyrus.» - «Und was führt dich zurück?» - «Das, o König,
kann ich nur dir vertraun.»
Auf einen Wink Totilas verließen die andern das Zelt: da faßte der Korse in fiebernder Erregung seine beiden Hände. «O sage ja, sage ja: mein Leben, - mehr als mein Leben hängt daran!»
«Was meinst du?» fragte der König, mit unwilligen Staunen zurücktretend. Die heiße, wilde, hastige Art des Mannes war seiner Natur sehr entgegen.
«Sage ja: du bist mit des Westgotenkönigs Agila Tochter verlobt? - Valeria ist frei?»
Der König furchte die Stirn und schüttelte zürnend das Haupt. Aber ehe er sprechen konnte, fuhr der Korse in heftiger Erregung fort: «Staune nicht - frage nicht! Ja: ich liebe Valeria mit aller Glut, fast hass' ich sie: - so lieb' ich sie. Ich warb um sie vor Jahren. Ich erfuhr, sie sei dein: - vor dir trat ich zurück: -erwürgt hätt' ich jeden andern mit diesen Händen. Ich eilte fort, ich stürzte mich in Indien, in Ägypten in neue Gefahren, Abenteuer, Schrecknisse, Genüsse. Umsonst. Ihr Bild blieb unvermischt in meiner Seele. Höllenqualen der Entbehrung erlitt ich um sie. Ich dürstete nach ihr wie der Panther nach Blut. Und ich verfluchte sie, dich und mich. Und ich wähnte, längst sei sie dein geworden.
Da traf ich im Hafen von Alexandria auf westgotische Schiffe aus Spanien, und die Männer, alte Handelsfreunde von Valerius und mir, erzählten von deiner Erhebung zum König: und als ich nach Valeria, deiner Königin, forschte, beteuerten sie, du seist unvermählt, und sie fügten bei, ihr König Agila habe dir seine Tochter und ein Waffenbündnis angetragen gegen Byzanz: du habest das angenommen. Aber vor allem, wiederholten sie - ja, sie beschworen es, da ich zweifelnd in sie drang - du seiest unvermählt, und deine frühere Braut Valeria, die ihnen sehr wohl bekannt, lebe einsam zu Taginä.
<Valeria frei!> jauchzte alles in mir auf. Noch dieselbe Nacht lichtete ich die Anker meiner Schiffe, nach Italien zu eilen. Auf der Höhe vor Kreta stieß ich auf ein stattliches Geschwader. Es waren persische Reiter, die Justinian geworben und auf Kauffahrteischiffen nach Italien gegen dich senden wollte unter ihrem Häuptling Isdigerdes, meinen alten Bekannten. Von ihnen erfuhr ich, mit
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