Nur auf sie selbst, ihre weiße Gestalt, die sich von den Zinnen der Türme scharf abhob, auf die Höhe, wo das Kloster ragte und seine Mauern, sowie auf die noch etwas höher und östlicher gelegene Kapelle bei dem Grab des Numa Pompilius, die Spes bonorum, fiel noch voll und leuchtend der Widerschein der sinkenden Sonne.

Lange blickte Valeria, schwerer Ahnungen voll, hinaus in die heute noch friedlich ruhende Landschaft. Welches Ansehen würde sie wohl morgen um diese Stunde zeigen? Wie viele Herzen, die heute noch trotzig, freudig, heißblutig pochten, waren bis dahin still und kalt. - So träumte sie hinaus in den Himmel und in das Gefilde. -

Sie beachtete es kaum, daß die Sonne längst gesunken, daß es rasch dunkelte, schon brannten einzelne Wachtfeuer in beiden Lagern.

«Wundersames Geschick», sprach die Jungfrau zu sich selbst. «Fröhlich, fast vergessen des Gelübdes, das mich an diesen Ort knüpft, lebe ich jahrelang. Da ergreift mich plötzlich eine Hand aus den Wolken und führt mich, wie mit zwingender Gewalt, hierher an den Ort meiner Bestimmung, nicht meiner Wahl. Und nach bangem, trübem Harren folge ich, wieder hoffend, wieder diesen Mauern entrinnend, dem lockenden Ruf des Freundes hinaus in die Freude, in die Welt der Glücklichen. Ich vertausche diese Grabesstille mit dem rauschenden Brautfest in seiner Königsburg.

Und abermal faßt mich, an der Schwelle der Ehefeier, plötzlich die Hand des Geschickes, reißt uns alle aus Freude und Jubel und führt mich und den Geliebten zur Entscheidung -gerade hierher, an den Ort meines Verhängnisses.

Ist das eine Mahnung, eine Vorverkündung? Soll auch den Freund, der sein Geschick an meines gebunden, hier der auf mir lastende, unheimliche Bann ergreifen? Kann ich ihn davon lösen, wenn ich ihm entsage?

Soll er mit dafür büßen, daß wir das Gelübde nicht erfüllt? Ach, der Himmel bleibt taub für die Fragen des geängsteten Menschenherzens. Er öffnet sich nur, um zu strafen; seine furchtbare Sprache ist der Donner und seine Schicksalsleuchte sein zugleich zermalmender Blitz. Bist du versöhnt, du strenger Gott des Kreuzes? Oder forderst du unerbittlich die dir verfallene Seele ein?»

Aus diesem Träumen und Sinnen weckte sie - schon war es ganz dunkel geworden, und der eben aufsteigende Mond warf noch wenig Licht in den hochgelegenen, ummauerten Garten - der rasche Schritt eines Mannes, der hastig nahte von dem Garten her; der Sand der Gartenwege knisterte unter seinen Füßen.

Das war nicht Totilas schwebender Gang.

Die Jungfrau stieg die Marmortreppe herab und wollte sich auf dem schmalen Gang, der zwischen den Zypressen an der Mauer hinführte, nach dem Hause zu wenden, - da vertrat ihr der Nahende, der ihre weiße Gestalt erkannt hatte, plötzlich den

Weg, er selbst im dunkeln Mantel kaum kenntlich -, es war der Korse.

Sie erschrak über den plötzlichen Anblick. Wohl hatte sie von je des Mannes Leidenschaft erkannt, aber mit Grauen, mit seltsamer Furcht. «Du hier, Furius Ahalla! Was führt dich in diese frommen Mauern?» Eine Weile schwieg der Fremde. Er atmete schwer und schien, ringend, nach Worten zu suchen. Allmählich stieg das Licht des Mondes über die Mauer. Hell zeigte er bald der schönen Römerin edle Züge und Gestalt. Endlich sprach Furius abgerissen, mühsam. «Das Verlangen führt mich her... - Abschied zu nehmen, Valeria. Abschied für immer. Wir schlagen morgen eine blutige Schlacht. Dein - -König hat mir verstattet, noch einmal zu sehen die... Dasjenige, was ich unter allen Männern nur ihm gönne. Oder», fügte er leidenschaftlich hinzu, auf ihre Gestalt blickend und den Arm leise hebend, «gönnen soll, und doch nicht - gönnen kann.»

«Furius Ahalla», sprach Valeria mit Hoheit zurücktretend, -denn sie hatte jene Armbewegung wohl bemerkt - «Ich bin deines Freundes Braut.»

«O ich weiß es - nur zu gut weiß ich es.» Und er trat, ihr folgend, einen Schritt vor. «In meinem Herzen steht es eingeschrieben mit der brennenden Schrift der Qualen. O ich könnte ihn grimmig hassen. Weshalb schritt er - gerade er! -zwischen dich, du schönheitsschimmerndes Weib, und meine rasende Leidenschaft? Jeden andern würde ich zerreißen. Es ist sehr schwer, ihn nicht zu hassen.»

«Du irrst», sprach Valeria - «und nur um dir dies zu sagen -hörte ich solche Sprache zu Ende. Hätte ich Totila nie gesehen -ich wäre doch nie die Deinige geworden.»

«Warum?» fragte der Korse gereizt.

«Weil wir nicht zusammen taugen. Weil, was mich zu Totila hinzieht, mich von dir hinwegreißt.»

«O du irrst! Es muß jedes Weib gewinnen, sich so rasend, so

wütend geliebt zu sehn, wie ich dich liebe.»

«Deine Liebe hätte mir Grauen eingeflößt - und nun laß mich in das Haus.»

Aber Furius versperrte den schmalen Pfad mit seiner Gestalt. «Grauen - das schadet nicht. Süßes Grauen st die Mutter der Liebe. Es gibt verschiedne Art zu lieben, zu werben. Mir hat von je zumeist des Löwen Werbe-Brauch gefallen. Er läßt der Braut nur die Wahl zwischen Liebe und Tod.»

«Genug dieser Worte, die dir zu sprechen, mir zu hören gleich unziemlich ist. Laß mich vorbei.»

«Ha, fürchtest du dich, Vestalin?» Und er trat noch einen Schritt näher.

Jedoch hoheitsvoll maß ihn Valeria mit kaltem Blick der Verachtung. «Vor dir? Nein.»

«Dann bist du allzukühn, Valeria: denn du hättest allen Grund. Und wüßtest du, was in mir lodert seit Jahren, kenntest du die Folterqualen meiner Nächte, - du würdest zittern. Ah, und könntest du mich nicht lieben, - auch dich zittern sehen - wie jetzt - dich zittern machen, wäre Wollust.»

«Schweig!» rief Valeria und wollte sich an ihm vorüber durch die Bäume drängen. Allein nun vertrat er ihr hier den Weg und griff nach ihrem Mantel - seiner Sinne kaum mehr mächtig. «Nein, ich will nicht schweigen», flüsterte er heiß. «Du sollst es wenigstens wissen und in dir nachglühen fühlen, solang du atmest. Schon fühle ich Schauer des Grauens durch deine stolzen Glieder rieseln. Nicht abkürzen will ich mir die Wonne, dich erbeben zu sehen. Ah, wie würdest du erst zittern in diesen Armen, wie würde diese stolze Gestalt hinschmelzen unter dem heißen Hauch meines Mundes... - Wie solltest du mir...» - Und er griff die Widerstrebende an beiden Schultern.

«Hilfe, Licht! Hilfe!» rief Valeria.

Und schon eilte man mit Licht aus der Tür des Hauses.

Jedoch der Korse, der Türe den Rücken wendend, ließ nicht von ihr.

«Laß meinen Arm los.»

«Nein, einmal sollst du mir -»

Aber in diesem Augenblick ward er mit zorniger Gewalt zurückgerissen, daß er Valeria losließ und gegen die Mauer taumelte. Totila leuchtete ihm mit der Fackel in das glühende Antlitz. Furchtbarer, aber heiliger Zorn loderte aus des Königs Augen. «Tiger!» rief er, «willst du meine Braut ermorden wie die deine?»

Mit einem gellenden Schrei der Wut sprang der Korse, beide Fäuste ballend, gegen ihn an. Allein ruhig blieb Totila stehen und durchbohrte ihn mit den Blicken. Furius faßte sich.

Da flog Valeria an Totilas Brust. «O laß von ihm, rasch fort! Er ist rasend! - -

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