seinen Himmel stürmen, und nicht ruhen und rasten, bis man das teuflisch grausame Gespenst von seinem blutigen Schädelthron gestoßen hätte oder selbst gefallen wäre von

seinem Blitz.»

Entsetzt sprang Julius auf: «Hat denn der Geist der Gottesleugnung, der Gotteslästerung die gewaltigsten Männer der Welt ergriffen? Ich kann solche Worte nicht anhören.»

«Dann frag' mich nicht!»

Mit Staunen sah auch der König auf den sonst so schweigsamen Freund, aus dessen tief verschlossener Brust plötzlich lang verhaltener, grimmiger Schmerz glühend hervorbrach.

«Ihr staunt», fuhr dieser fort, «daß der grabesstille Teja noch so heiß empfindet. Ich staune selbst zuweilen darüber. Aber morgen ist der Tag der Sommersonnenwende; der Tag, da dereinst meine Sonne für immer sich gewandt. An jeder Wiederkehr des Tages bricht mir die alte Wunde schmerzend auf.»

«Ich begreife deine Düstre jetzt, unsel'ger Mann», sprach Julius nach einer Pause. «Ja, ich fasse nicht, wie du leben kannst - ich könnte nicht atmen: ohne Gott.»

«Wer sagt dir, Mönch, Teja hat keinen Gott? Weil ich ihn nicht nach deinem Glauben sehe, nicht, wie du, vermenschlicht, von Liebe, Haß, Zorn, Eifersucht entstellt? Weil ich nicht denken kann, daß er, der Vorschauende, Wesen schafft, sich und andern zur Qual, sie zu verdammen und sie hintendrein, durch ein Mirakel, durch schuldloses Blut des Edelsten, wieder zu erlösen? Weil ich ihn nicht denken kann wie einen ungeschickten Zimmerer, der seine Baute schlecht gemacht hat und nun immer daran nachflicken muß mit mirakelnder Hand? Ich sage dir: die Majestät meines Gottes ist so furchtbar, daß dein armseliger Engelkönig vor seiner Größe verschwindet, vor seiner unerbittlichen Furchtbarkeit, wie das Gewölbe deiner Kirchen gegen das Gewölbe des Weltalls.

Nein, wäre wirklich ein Allvater in den Wolken, und könnte er dem grausamen Gang der Geschicke nicht steuern: - ihn selber müßte der Gram ergreifen. Er müßte furchtbar leiden unter diesen Schmerzen seiner Kinder wie euer sanfter Jesus litt - das hat mich immer tief gerührt! als er auf dem Ölberg der Menschheit ganzen Jammer trug.

Und weil ich dir, mein Totila, versprochen, dir noch einmal von meiner Harfen- und Liedkunst zu vernehmen zu geben: - so höre den Gesang, den ich dem Allvater Odin in den Mund gelegt.»

Und er griff in die Saiten der kleinen Harfe, die neben ihm bei seinen Waffen lag, und sang dazu mit tiefernster Stimme:

Allvaters Gesang

«Es seufzt meine Seele in unsäglichem Jammer Um des Schmerzengeschlechts, um der Menschen Geschick. Denn was in der Welt von wechselndem Wehe Brandend sich bricht in jeglicher Brust, Mitempfinden, mitdurchkämpfen, Mitdurchklagen muß ich es alles, Alles, alles: - denn geheißen Bin ich <Allvater>: Bald des besiegten, bessern Mannes, Den ein Böser bezwungen, Bitter beißenden Seelenbrand, Wie er grollend in Todesgram Flucht dem grausamen Schicksal: Bald des Liebenden tödlich Leid. Der in leere Luft mit den Armen langt, Dem langsam das Leben verlodert An nie verlöschender Sehnsucht Licht: Und der Witwe Wehklage, der Weisen Weinen Und der versinkenden Seele Letzten schrillen Verzweiflungsschrei All dies Elend, öd' und endlos, Es empfindet's mit Allvater Und wie wenig wollen dawider Ach die winzigen Wonnen wiegen, Die, wie verwehte Rosenblätter, Wogen auf weiten, weiten Wellen, Auf des Wehs unendlichem Ozean. Traum, ein Trost nur tröstet die Trauer: Ein Ziel ist gezeichnet den zahllosen Zähren, Eine Endzeit. Ich segne den Tag, da der sengende Surtur Erbarmend der letzten Menschen Gebilde Zugleich mit der müden Erde zermalmt, Da endlich der Quell unerschöpflicher Qualen Verquillt: das letzte menschliche Herz. Willkommen der Tag! - und wären sie weise, Noch wärmer wünschten sie selbst ihn herbei.»

«So empfand ich früher in die Seele eines gütigen Gottes hinein. Aber seither -, ich habe viel gegrübelt und gesonnen -habe ich einen andern, meinen furchtbaren Gott gefunden. Doch freilich, diesen meinen Gott muß man erlebt haben in den Todesschmerzen des zuckenden Herzens.»

Dreiunddreißigstes Kapitel

Julius schwieg kopfschüttelnd. Der König aber fragte: «Und wie hast du ihn erlebt, diesen furchtbaren Gott?»

«Die Stunde ist gekommen, Totila, mein König und mein Freund, da du vernehmen magst, was ich so lange auch dir verschwiegen; mein Schicksalsgeheimnis, den Schatten, der über mein Leben fiel, es verfinsternd für immerdar. Nein, bleibe nur, Christ. Auch du magst es hören und dir es dann zurechtlegen mit der Unerforschlichkeit der Wege Gottes, mit der Züchtigung dessen, den er liebt, und anderer Weisheit der Mönche. Solches magst du bei dir denken. Aber sprich es nicht aus; ich ertrage nicht - heute nicht - es zu hören. - Du kennst, Totila, meiner Eltern fluchbeladenes Geschick: denn wir beide wurden ja zusammen in König Theoderichs Waffenschule zu Regium von dem alten Hildebrand erzogen.»

«Ja, und wir liebten uns wie Brüder», sprach der König.

«Anfangs scheu, verschlossen, niedergedrückt durch das Geschick meiner Eltern, lebte ich in deiner sonnigen Nähe allmählich wieder auf. Da überfielen, mitten im Frieden, Kriegsschiffe des Kaisers - er zürnte mit dem König wegen des Grenzstreits bei Sirmium - feindlich Regium und führten, außer andern Gefangenen, auch uns vierzig Jünglinge, auf ihre Trieren uns verteilend, fort, nur du warst ihnen entgangen, denn der König hatte dich tags zuvor als seinen Becherwart nach Ravenna in das Palatium entboten.

Der alte Hildebrand und Graf Uliaris setzten, sobald sie es erfuhren, mit der sizilischen Flotte den Griechen nach, holten ihre Schiffe ein auf der Höhe von Catana, nahmen sie und befreiten alle Gefangenen. Nur ein Schiff entkam den Befreiern mit raschen Segeln: - die Triere <Naus Petrou>, in welcher ich mit zwei Genossen gebunden lag.

Der Trierarch Lykos, anstatt uns Kriegsgefangene nach Byzanz zu führen, zog es vor, uns als Sklaven zu verkaufen und den Kaufpreis einzustecken. Er lief ein in den Hafen der Insel Paros. Dort verschacherte er uns an seinen Gastfreund Dresos, den reichsten Kaufmann jener Eilande.

So war denn Teja, des Grafen Tagila Sohn, ein freier Gote -Sklave eines Griechen. - Ich beschloß, sobald ich meiner Ketten entledigt und meiner Glieder Herr würde, mich zu töten. Aber als wir, in kleinen Booten ausgeschifft, ans Land gebracht wurden, da - o mein Freund - da... Und er hielt inne und fegte die Hand vor die Augen.

«Mein Teja», sprach der König, die Hand auf des Seufzenden Schulter legend.

«Da fiel mein Blick auf die reichvergoldete, offene Sänfte, die neben Dresos hielt - und auf ein Mädchen - wunderbar schön! Bald kamen wir auf des Dresos Villa, nahe bei der Stadt, an. Dresos mißhandelte alle seine Sklaven mit Schlägen und übermäßiger Arbeit, ja er mißhandelte selbst seine Mündel Myrtia, das zarte, wundersame Bild.

Mich traf ein milderes Los.

Als er von mir erfuhr, daß ich Waffen zu schmieden und edles Geschmeide wohl verstand, - ich hatte es vom Knaben an geübt - da behandelte er mich besser, baute nahe seiner Villa mir eine Werkstätte und machte mich zum Vorstand der hier beschäftigten Sklaven.

Auch die Ketten nahm er mir - bei Tage - ab.

Nur bei Nacht ward ich mit meinen zwei gotischen Mitsklaven zusammengekettet an den Amboß in der Werkstatt.

Ich hätte die Flucht bei Tage wohl wagen können.

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