«Wir haben acht Boten an dich gesandt, Präfekt», fand Faber Mut, einzuwerfen.

«Hinaus mit diesem Menschen», winkte Narses. «Ja, die Bürger Roms erinnerten sich in Liebe wieder des Präfekten, dem sie so viel verdanken: zwei Belagerungen, Hunger, Pest und Brand des Kapitols! Aber die an dich gesendeten Boten verirrten sich immer zu meinen Wölflein, und diese haben sie wohl zerrissen. An mich jedoch gelangte die Gesandtschaft, die der heilige Vater Pelagius abgeordnet hat; und ich habe mit ihm einen Vertrag geschlossen, den du, o Stadtpräfekt von Rom, gewiß gutheißen wirst.»

«Ich werde ihn nicht auflösen können.»

«Die guten Bürger Roms scheuen nichts so sehr als eine dritte Belagerung; sie haben sich erbeten, wir möchten nichts unternehmen, was zu einem neuen Kampf um ihre Stadt führen könnte, die Goten im Grabmal Hadrians müßten, schreiben sie, bald dem Hunger erliegen, und ihre Wälle wollten sie selbst decken, und sie haben geschworen, nach jener Gotenschar Untergang die Stadt nur zu übergeben ihrem natürlichen Beschützer und Haupt: dem Stadtpräfekten von Rom. Bist du damit zufrieden, Cethegus? Lies den Vertrag - gib ihn ihm, Basiliskos.»

Cethegus las in tiefer, freudiger Erregung; so hatten sie ihn doch nicht vergessen, seine Römer! So riefen sie doch nun, da alles zur Entscheidung drängte, nicht die gehaßten Byzantiner, sondern ihn, ihren Schirmherrn, zurück aufs Kapitol. Schon sah er sich wieder auf dem Gipfel der Macht.

«Ich bin's zufrieden», sagte er, die Rolle zurückgebend.

«Ich habe gelobt», sprach Narses, «keinen Versuch zu machen, die Stadt mit Gewalt in meine Hand zu bringen: erst muß König Teja dem König Totila nachgefolgt sein.

Dann Rom und - manches andre. Folge mir, Präfekt, in den Kriegsrat.»

Als Cethegus die Beratung in dem Zelt des Narses verließ und nach Tullus Faber forschte, war jede Spur von diesem
verschwunden.

Drittes Kapitel

Scharf hatte der große Feldherr Narses die Wegrichtung erkannt, auf welcher König Teja von der flaminischen Straße abgebogen war.

Nach Norden zunächst, nach der Küste des jonischen Busens, war er ausgewichen und führte hier, mit seltner Wegeskunde, auf vielfach gewundenen Pfaden, sein flüchtendes Volk und Heer unbehelligt, unerreicht von den Verfolgern, über Hadria, Aternum, Ortona nach Samnium: daß Rom für ihn verloren, erfuhr er durch einzelne aus der Stadt geflohene Goten schon hinter Nuceria Camellaria.

Nicht unerwünscht kam des Königs rasch zum Ende drängendem und schonungslosem Sinn die Nötigung, sich seiner Gefangenen zu entledigen: diese, an Zahl fast halb so stark als ihre Besieger, hatten die Überwachung so schwierig gemacht, daß Teja jeden Befreiungsversuch mit dem Tode bedrohen mußte. Hinter Fossatum bei der Nordschwenkung machten sie trotzdem einen Versuch, massenhaft mit Gewalt loszubrechen.

Sehr viele wurden bei dem Unternehmen getötet: alle, die übriggeblieben waren, mit Orestes und sämtlichen Führern, ließ der König bei dem Übergang über den Aternus mit gebundenen Händen in den Fluß werfen und ertränken.

Auf Adalgoths Fürbitte hatte er finster erwidert: «Zu vielen Tausenden haben sie wehrlose Goten-Weiber und -Kinder an ihren Herdfeuern überfallen und geschlachtet: das ist kein Krieg der Krieger mehr: das ist ein Mordkampf der Völker. Laß uns darin - halbwegs - auch das unsre tun.»

Aus Samnium eilte der König, das unwehrhafte Volk langsam unter schwacher Bedeckung nach sich führend - denn hier drohte keine Verfolgung - mit den besten Truppen rasch nach

Campanien. So unerwartet traf er hier ein, daß er das kleine, durch die bisherigen Gefechte mit der Überzahl zusammengeschmolzene Heer von Herzog Guntharis und Graf Grippa - er traf sie in fester Stellung zwischen Neapolis und Beneventum - fast ebenso überraschte, wie bald darauf die siegessichern Gegner.

Er erfuhr, daß die «Romäer», von Capua aus, Cumä bedrohten. «Nein», rief er, «diese Burg sollen sie nicht vor mir erreichen. Dort hab' ich noch ein wichtig Werk zu vollenden.»

Und verstärkt durch die Besatzung aus seiner eignen Grafenstadt Tarentum, unter dem tapfern Ragnaris, griff er die Übermacht der Byzantiner, die auf geheimem Marsche von Capua aus Cumä überrumpeln wollten, sie selbst aufs höchste überraschend, an und schlug sie unter blutigen Verlusten grimmig aufs Haupt; er spaltete mit der Streitaxt dem Archonten Armatus die Stirn; an seiner Seite durchrannte der junge Herzog von Apulien den Dorotheos mit dem Speer. Entsetzt flohen die Byzantiner gen Norden bis nach Terracina.

Es war der letzte Sonnenkuß, den der Siegesgott auf die blaue Gotenfahne legte. Tags darauf zog König Teja in Cumä ein.

Totila hatte, auf sein ernstes Andringen, sich entschlossen, bei dem diesmaligen allentscheidenden Auszug von Rom, gegen seine Gewohnheit, für die Treue der Stadt Rom Geiseln zu nehmen. Niemand wußte, wohin diese gebracht worden.

Am Abend seines Einzugs ließ König Teja den zugemauerten Garten des Kastells zu Cumä aufbrechen; hier waren, hinter turmhohen Wällen, die Geiseln Roms geborgen: Patrizier, Senatoren - darunter Maximus, Cyprianus, Opilio, Rusticus, Fidelius: die angesehensten Männer des Senats im ganzen dreihundert an der Zahl. Sie waren alle Glieder des alten Bundes der Katakomben wider die Goten.

Teja ließ ihnen von den aus Rom entwichenen Goten berichten, wie die Römer, verführt von Sendlingen des Narses, sich in einer Nacht plötzlich erhoben, alle Goten, auch Weiber und Kinder, deren sie habhaft werden konnten, ermordet und den Rest in die Moles Hadriani zusammengedrängt hatten.

So furchtbar war der Blick des Königs, den er auf den zitternden Geiseln während dieser Erzählung ruhen ließ, daß zwei derselben das Ende abzuwarten nicht ertrugen, sondern sich sofort an den harten Felswällen die Köpfe einrannten.

Nachdem die Boten eidlich ihre Erzählung bekräftigt hatten, wandte sich der König schweigend und schritt aus dem Garten. Eine Stunde darauf starrten die Köpfe der dreihundert Geiseln gräßlich von den Mauerzinnen herab.

«Aber nicht bloß dies furchtbare Richteramt zog mich nach Cumä», sprach Teja zu Adalgoth. «Es gilt, hier noch ein heiliges Geheimnis zu erheben.»

Und er lud ihn, sowie die anderen Führer des Heeres, zum fest- und freudelosen Nachtmal. Als das traurige Gelage zu Ende, winkte der König dem alten Hildebrand. Dieser nickte, hob eine düster brennende Pechfackel aus dem Eisenring der Mittelsäule der gewölbten Halle und sprach:

«Folgt mir nach, ihr Kinder junger Tage, nehmt eure Schilde und eure Schwerter mit.»

Es war die dritte Stunde der Julinacht, die Sterne standen in der Mitternacht.

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