Dann trat er zurück unter einen hochragenden Baum, der sich über einem vergessenen Grabhügel erhob, und sprach zu der kleinen Schar, die ehrfurchtsvoll, schicksalergriffen, schweigend, diese Stätte des Todes umgab:
«Gotische Männer: die Schlacht ist verloren. Und das Reich dazu. Wer unter euch zu Narses gehen, sich dem Kaiser unterwerfen will - ich halte keinen. Ich aber bin gewillt, fortzukämpfen bis ans Ende. Nicht um den Sieg: um freien Heldentod. Wer den mit mir teilen will, der bleibe. Ihr alle wollt es? Alle? Gut.»
Da fiel Hildebrand ein: «Der König ist gefallen. Die Goten können nicht, auch um zu sterben nicht, kämpfen ohne König. Athalarich: - Witichis: - Totila: - nur einer kann der vierte sein, der dieser edeln Dreizahl folgen darf - du Teja, unser größter Held.»
«Ja», sprach Teja, «ich will euer König sein. Nicht freudig leben, nur herrlich sterben sollt ihr unter mir. Still! Kein froher Ruf - kein Waffenlärm begrüße mich. Wer mich zum König will - der tue mir nach.»
Und er brach von dem Baum, unter dem er stand, einen schmalen Zweig und wand ihn um den Helm.
Und schweigend folgten alle seinem Beispiel.
Adalgoth, der ihm zunächst stand, flüsterte ihm zu: «O König Teja! Es sind Zypressenzweige -: geweihte Opfer kränzt man so!»
«Ja, mein Adalgoth, du sprichst Weissagung» - und er schwang das Schwert im Kreis über sein Haupt - «dem Tode geweiht».
9. Buch
Teja
(Prokop, Gotenkrieg IV. 35)
Erstes Kapitel
Und rasch vollendeten sich nun des Gotenvolkes Geschicke. Der rollende Stein rollte dem Abgrund zu. -
Als Narses die Besinnung wiedergefunden und das inzwischen Beschlossene und Geschehene erfahren, befahl er sofort, Liberius zu verhaften und zur Verantwortung nach Byzanz zu schicken.
«Ich will nicht sagen», sprach er zu seinem Vertrauten, Basiliskos, «daß er die falsche Entscheidung getroffen.
Ich selbst hätte sie nicht anders getroffen. Aber aus andern Gründen. Er hat vor allem seinen Freund und dann auch jene Zehntausend retten wollen. Das war ein Fehler: man mußte sie opfern, wenn man Liberius war. Denn Liberius übersah nicht die Lage des Kriegs.
Liberius wußte nicht, wie Narses es weiß, daß, nach dieser Schlacht, das Gotenreich verloren ist - ob es schon hier bei Taginä oder etwa erst bei Neapolis vollends vernichtet wird, ist gleich: und nur deshalb konnte, mußte man jene Zehntausend retten.»
«Bei Neapolis? Aber warum nicht bei Rom? Gedenkst du der furchtbaren Wälle des Präfekten nicht? Warum werden sich die Goten nicht nach Rom werfen zu mondenlangem Widerstand?»
«Warum? Weil... weil es mit Rom eine eigene Bewandtnis hat
- aber das wissen sowenig die Goten wie Liberius.
Und das darf noch lange nicht wissen - Cethegus. Also schweige. Wo ist der Stadtpräfekt von Rom?»
«Vorausgeeilt, um sofort, nach Ablauf des Waffenstillstandes, als der erste, die Verfolgung zu leiten.»
«Du hast doch gesorgt -?»
«Zweifle nicht! Er wollte mit seinen Isauriern allein aufbrechen: ich - d. h. Liberius auf meinen Rat - hab' ihm Alboin und die Langobarden beigegeben, und du weißt...»
«Ja», lächelte Narses, «meine Wölfe lassen ihn nicht aus den Augen.»
«Aber wie lange noch soll er -?»
«Solang ich ihn brauche. Nicht eine Stunde länger.
Also der junge königliche Wundertäter liegt auf seinem Schild? Nun mag Justinianus sich mit Recht <Goticus> nennen und wieder ruhig schlafen. Aber freilich, der schläft wohl nie mehr ruhig der enttäuschte Witwer Theodoras.»
Die beiden Führer Teja und Narses hatten also das gleiche Urteil über das Gotenreich.
Es war verloren.
Bei Caprä und Taginä war die Blüte des Fußvolks gefallen, fünfundzwanzig Tausendschaften hatte Totila hier aufgestellt: nicht eine volle derselben ward gerettet, auch die beiden Flügel hatten Verluste gehabt, so waren es kaum zwanzig Tausendschaften, mit welchen König Teja eilig, zunächst auf der flaminischen Straße, nach Süden abzog.
Ihn mahnte zum Aufbruch auch der Hilferuf des kleinen Heeres von Herzog Guntharis und Graf Grippa, das von der zwiefachen Übermacht der zwischen Rom und Neapolis unter Armatus und Dorotheos gelandeten Byzantiner bedrängt war.
Und ihn zwang zur Eile die furchtbare Verfolgung, mit welcher Narses, nach Ablauf des Waffenstillstandes, gemäß seinem schrecklichen System der «wandelnden Mauer» drängte. Während die Langobarden und Cethegus rastlos nachsetzten, langsam gefolgt von Narses, breitete dieser nach links und rechts zwei furchtbare Flügel aus, die im Südwesten über das suburbicarische Tuscien hinaus bis an das tyrrhenische Meer, im Nordosten durch das Picenum bis an den jonischen Meerbusen langten und, wie sie von Norden nach Süden und von Westen nach Osten vordrangen, alles gotische Leben hinter sich ausgelöscht zurückließen.
Wesentlich erleichtert wurde dies Verfahren durch den nun ganz allgemeinen Abfall der Italier von der verlorenen gotischen Sache: der milde König, der sie dereinst gewonnen, war ersetzt worden durch einen düsteren Helden gefürchteten Namens; nicht Neigung zu dem Regiment von Byzanz, aber Furcht vor des Narses und des Kaisers Strenge, die jeden Italier, der es noch mit den Barbaren hielt, mit dem Tode bedrohten, zog rasch die Schwankenden herüber. Die Italier, die noch in König Tejas Heere dienten, verließen ihn und eilten zu Narses.
Noch viel häufiger als vor der Schlacht von Taginä wurden jetzt die Fälle, in welchen gotische Siedlungen von ihren italischen Nachbarn, oft von dem Hospes, der ein Drittel seines Gutes dem Goten hatte abtreten müssen, den «Romäern» verraten oder, wo die Italier in großer Überzahl waren, von diesen selbst ausgemordet, gefangen an die beiden Flotten des Narses, die «tyrrhenische» und die «jonische», abgeliefert wurden, die langsam im tyrrhenischen und im jonischen Meer an der Küste hinfuhren, den Vormarsch der Landheere begleitend und alle gefangenen Goten, Männer, Weiber und Kinder, mit sich schleppend.
Die Burgen und Städte, schwach besetzt, denn Totila hatte sein kleines Heer
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