verschwanden.
Narses hatte sich in seiner Sänfte mühsam aufrecht erhalten bis jetzt und alles mit angesehen. «Halt», rief er nun heftig. «Halt! Blast die Tuba! Blast zum Halten! Zum Rückzug! Es ist die plumpste Falle der Welt! Aber dieser Alboin meint, es muß Ernst sein, wenn einer vor ihm läuft.»
Aber die Trompeter hatten gut blasen. Das Siegesgeschrei der verfolgenden Langobarden übertönte das Signal: oder die es hörten, verachteten es.
Stöhnend sah Narses die letzten Reihen der Langobarden in dem Tore von Caprä verschwinden.
«Ach», seufzte er, «so muß ich sehenden Auges eine Torheit begehen. Ich kann sie nicht untergehen lassen für ihre Dummheit, wie sie es verdienten. Ich brauche sie noch. Also vorwärts, im Namen des Unsinns! Bis wir sie einholen, können sie schon halb zerhauen sein. Vorwärts, Cethegus, Anzalas und Liberius, mit den Isauriern, Armeniern und Illyriern. Hinein nach Caprä. Aber bedenkt, die Stadt kann nicht leer sein! Es ist eine Falle, in die wir jenen Stieren nachspringen, mit sehenden Augen. Meine Sänfte folgt euch. Aber ich kann nicht mehr stehen.» Und er lehnte sich müde zurück: ein leiser Schauer, wie er ihn oft in der Aufregung ergriff, schüttelte ihn.
Im Sturmschritt eilte des Cethegus und Liberius Fußvolk gegen die Stadt: beide Führer ritten voraus.
Inzwischen hatten Fliehende und Verfolger das schmale Städtlein durchflogen, auch die letzten Langobarden Caprä durcheilt und die ersten derselben mit Alboin die Stelle der flaminischen Straße halbwegs vor Taginä erreicht, wo die beiden Waldhügel links und rechts die Straße einengten.
Noch eine Pferdelänge floh der König : dann hielt er, wandte sich und winkte. Adalgoth an seiner Seite stieß ins Horn -: da brach aus dem Nordtor von Taginä Thorismut mit den Speerträgern: und aus dem Doppelhinterhalt stürzten von links und rechts, mit gellendem Zinkengeschmetter, die persischen Reiter des Korsen.
«Jetzt kehrt, meine Goten, vorwärts zum Angriff! Jetzt wehe den Getäuschten.»
Ratlos blickte Alboin nach allen drei Seiten. «So übel sind wir noch nirgends reingetrabt, meine Wölflein!» sagte er. Er wollte zurück. Aber aus dem Südtor von Caprä, den Rückweg sperrend, brach nun gotisches Fußvolk.
«Jetzt heißt's nur noch lustig sterben, Gisulf. Grüße mir Rosimunda, wenn du davonkommen solltest.» Und so wandte er sich gegen einen der Reiterführer mit reichem, offnem Goldhelm, der nun die Straße erreicht hatte und gerade auf ihn einsprengte.
Schon waren sie ganz nahe aneinander: da rief der mit dem Goldhelm: «Wende, Langobarde! Dort stehen unsre gemeinsamen Feinde. Nieder mit den Goten.»
Und schon durchrannte er einen gotischen Reiter, der Alboin bedrohte.
Und schon hieben auf beiden Seiten die persischen Reiter, an den Langobarden vorüberjagend, auf die entsetzten Goten ein.
Einen Augenblick noch hielten diese, überrascht, inne.
Aber als sie sahen, daß es kein Mißverständnis war - daß der Hinterhalt ihnen, nicht den Langobarden galt -, da riefen sie: «Verrat! Verloren!» und stoben, diesmal in unverstellter Flucht, zurück gegen Taginä, alles mit sich fortreißend, ihr eigenes, eben aus dem Tore rückendes Fußvolk niederreitend.
Auch aus des Königs Antlitz wich die Farbe, als er den Korsen an der Seite Alboins auf die Goten einhauen sah.
«Ja, das ist Verrat!» rief er. «Ah, der Tiger! Nieder mit ihm!» Und er sprengte auf den Korsen los. Aber bevor er ihn erreichen
konnte, war von der linken Seite her Isdigerd, der Perser, mit seiner Schar, zwischen dem König und dem Korsen, auf die Straße gestürmt. «Auf den König!» rief er den Seinigen zu. «Alle Wurfspeere auf den König! Der dort, der Weiße! mit dem Schwanenhelm! Alle auf den.»
Ein Hagel von Wurfspeeren sauste durch die Luft.
Im Nu starrte des Königs Schild von Geschossen.
Da erkannte auch der Korse von weitem die hohe, die leuchtende Gestalt. «Er ist's! Mein muß sein Herzblut werden.» Und er bahnte sich einen Weg durch seine und Isdigerds Reiter. Nur einige Pferdelängen trennten noch die ergrimmten Feinde. Vorher traf noch Totila auf Isdigerd. Augenblicks flog dieser, vom König durch Hals und Genick gestoßen, tot vom Pferd.
Alsbald mußten nun Totila und Furius sich begegnen.
Schon hob der Korse zielend den Wurfspeer: er zielte auf das offene, ungedeckte Antlitz des Königs.
Aber plötzlich war der leuchtende Schwanhelm verschwunden und der helle Mantel.
Zwei Wurfspeere hatten des Königs weißes Roß niedergestreckt und gleichzeitig ein dritter seinen Schild durchbohrt und seinen Schildarm schwer getroffen. Roß und Reiter stürzten.
Wild jauchzten die Perser Isdigerds und drangen ein: auch Furius und Alboin spornten ihre Rosse vor.
«Schont des Königs Leben! Nehmt ihn gefangen! Er hat auch mich verschont!» rief Alboin.
Denn tief gerührt hatte ihn, was ihm Gisulf erzählt, der Totila deutlich die Lanzenspitze mit dem Schaftende vertauschen gesehn.
«Nein! Nieder mit dem König!» rief Furius.
Und schon war er heran und warf den Speer auf den Verwundeten, den eben Aligern auf des Präfekten Rappe hob und aus dem Gefecht führen wollte. Jenen ersten Wurfspeer des Korsen fing Julius mit dem trefflichen Schilde Tejas auf. Furius ließ sich einen zweiten Wurfspeer reichen und zielte auf das Gedränge um den König: Phaza, der Arsakide, wollte den Speer mit dem Schilde fangen, aber durch Schild und Panzer flog er, der wutbeflügelte, ihm ins Herz.
Da schwang Furius, der sein Roß nun ganz nahe herangespornt hatte, den langen, krummen Säbel gegen den König. Jedoch ehe der Streich fiel, flog der Korse rücklings aus dem Sattel. Der junge Herzog von Apulien hatte ihm den Fahnenspeer mit aller Kraft gegen die Brust gerammt, daß der Schaft brach.
Allein nun geriet Totilas Banner - das kunstvolle und kostbare Werk Valerias und ihrer frommen Schar - in äußerste Gefahr in Adalgoths Hand. Denn alle Reiter drängten jetzt auf den kühnen, jungen Fahnenträger ein: - der Beilhieb des Langobarden Gisulf traf den Schaft, der nochmal splitterte. Rasch entschlossen riß Adalgoth das Seidentuch von der gebrochenen Fahnenstange und barg es fest im Schwertgurt.
Nun war Alboin heran und rief dem König zu:
«Gib dich gefangen, Gotenkönig: mir, dem Königssohn.»
Da war Aligern mit seiner Arbeit, den König auf des Präfekten Rappen zu heben, fertig: er wandte sich gegen den Langobarden. Dieser wollte des Königs Flucht hemmen und doch den König nicht töten; er führte, sich tief vorbeugend, einen Speerstoß gegen den Rappen, der dessen Hinterbug traf. Aber im gleichen Moment schlug ihn Aligern durch den geiergeflügelten Helm: betäubt wankte er im Sattel.
So gewannen, nachdem die Führer der Verfolgung für den Augenblick gelähmt, Adalgoth, Aligern und Julius Zeit, den König aus dem Getümmel zu führen bis an das Nordtor von Taginä.
Hier hatte Graf Thorismut seine Speerträger wieder geordnet.
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