ich aus diesem wortreichen Brief erfuhr.»

Und er zerriß die Papyrusrollen in kleine Stückchen.

«Ich breche auf, noch heute, auch wenn Syphax nichts weiter erlauscht in diesem Augenblick -: denn jetzt ist ja wohl die Badestunde.»

Da ward von den Isauriern Johannes der Archon gemeldet und, auf des Cethegus Wink, hereingeführt.

«Präfekt von Rom», sprach ihn dieser an, «ich habe dir ein altes Unrecht noch abzubitten. Der Schmerz um meinen Bruder Perseus hat mich damals argwöhnisch gemacht.»

«Laß das ruhn», sprach Cethegus, «es ist vergessen.»

«Aber unvergessen», fuhr jener fort, «ist mir deine heldenkühne Tapferkeit. Diese zu ehren und zu nützen zugleich komme ich mit einem Vorschlag zu dir. Ich und meine Kameraden, an Belisars frisches Drauflosgehen gewohnt, - wir finden diese vorsichtige Weise des großen Narses äußerst langweilig. Liegen wir nun doch bald zwei Monate vor jenem Paß, verlieren Leute und gewinnen wahrlich keinen Ruhm dabei. Aushungern will der Oberfeldherr die Barbaren! Wer weiß, wie lange das noch währt. Und dann wird es ein hübsches Gemetzel, wann sie endlich vorbrechen, von der Verzweiflung getrieben, jeden Tropfen Bluts teuer verkaufend. Es ist nun klar,

wenn wir nun die Mündung des verfluchten Engpasses hätten... -

»

«Ja, wenn!» lächelte Cethegus. «Er ist nicht schlecht gehütet von diesem Teja.»

«Eben deshalb muß er fallen. Er, der König, hält offenbar den ganzen Bündel lockerer Speere noch allein zusammen. Darum habe ich mit einer Schar - mehr als ein Dutzend etwa - der besten Klingen im Lager einen Bund geschlossen. Wir wollen -es kann ja immer nur einer zum Nahekampf heran, so schmal ist der Felsensteig - sooft den König die Wache trifft, einer nach dem andern - das Los entscheidet den Vortritt - den König bestehen. Die andern halten sich so nahe als möglich hinter dem

Vorkämpfer, retten den Verwundeten, oder treten an des Gefallenen Stelle oder dringen mit dem Sieger nach des Goten Erlegung in den Paß. Außer mir sind dabei die Langobarden Alboin, Gisulf und Autharis, die Heruler Rodulf und Suartua, Ardarich der Gepide, Gundebad der Burgunde, Clothachar und Bertchramm, die Franken, Vadomar und Epurulf, die Alamannen, Garizo, der lange Bajuvare, Kabades der Perser, Althlas der Armenier, Taulantius der Illyrier.

Wir möchten auch gern dein gefürchtet Schwert dabei haben. Du hassest diesen schwarzlockigen Helden. Willst du, Cethegus, mit im Bunde sein?»

«Gern», sprach dieser, «solang' ich noch hier bin.

Aber ich werde das Lager hier bald mit dem Kapitol vertauschen.»

Ein seltsames, spöttisches Lächeln flog über des Archonten Antlitz, das Cethegus nicht entging. Aber er deutete es nicht richtig. «An meinem Mut kannst du, nach deinen eignen Worten, nicht wohl zweifeln», sagte er. «Aber es gibt für mich noch Wichtigeres, als hier die letzten glimmenden Kohlen des Gotenkrieges auszutreten. Die verwaiste Stadt verlangt ihren Präfekten. Mich ruft das Kapitol.»

«Das Kapitol!» - - wiederholte Johannes. «Ich dächte, Cethegus, ein frischer, schöner Heldentod ist auch was wert.»

«Ja, nachdem des Lebens Ziele erreicht sind.»

«Keiner aber von uns weiß, o Cethegus, wie nah ihm dieses Ziel gerückt ist. - Aber noch eins.

Es kommt mir vor, als ob sich bei den Barbaren etwas vorbereite auf ihrem verfluchten Feuerberg. Von dem Hügel auf meiner Lagerseite kann man ein klein wenig durch eine Spalte über die Lavaspitzen gucken. Dein geübtes Auge möchte ich dahin richten. Sie sollen uns doch mit ihrem Hervorbrechen wenigstens nicht überraschen. Folge mir dorthin. Aber schweige von jenem Bund vor Narses: - er liebt das nicht -. Ich wählte die

Stunde seines Bades zu diesem Besuch bei dir.»

«Ich folge», sagte Cethegus, vollendete seine Bewaffnung und ging, nachdem er vergeblich bei der isaurischen Schildwache nach Syphax gefragt, mit Johannes quer durch sein eignes, dann durch des Narses Mittellager und bog endlich in das äußerste rechte, das Lager des Johannes ein.

Auf der Krone des von diesem erwähnten Hügels standen bereits mehrere Heerführer, die eifrig über eine kleine Senkung der Lavawälle hinweg in den hier sichtbaren schmalen Teil der gotischen Lagerungen spähten.

Nachdem Cethegus einige Zeit hinübergeblickt, rief er: «Kein Zweifel! Sie räumen diesen Teil, den östlichsten, ihres Lagers: sie fahren die ineinandergeschobenen Wagen auseinander und ziehen sie weiter nach rechts, nach Westen: das deutet auf Zusammendrängung, vielleicht auf ein Hervorbrechen.»

«Was meinst du», - fragte da rasch den Johannes ein junger, offenbar eben erst aus Byzanz angelangter Heerführer, den Cethegus nicht kannte «was meinst du? Könnten die neuen Ballisten nicht von jener Felsennase aus die Barbaren erreichen? Weißt du, des Martinus letzte Erfindung, die mein Bruder nach Rom schaffen mußte?»

«Nach Rom?» rief Cethegus und warf einen blitzenden Blick auf den Frager und auf Johannes.

Heiße und kalte Schrecken jagten urplötzlich ihm durch Herz und Mark -: erschütternder, als da er die Nachricht von Belisars Landung, von Totilas Erhebung, von Totilas Abschwenkung nach Rom bei Pons padi, von Totilas Eindringen auf dem Tiber, von Narses' Ankunft in Italien erfahren. Ihm war, als kralle sich eine zerdrückende Hand ihm um Herz und Hirn. Scharf erkannte er, daß Johannes mit einem grimmigen Furchen der Brauen dem jungen Frager Schweigen gewinkt.

«Nach Rom?» wiederholte Cethegus tonlos, bald den Fremden, bald Johannes mit seinem Auge durchbohrend.

«Nun ja, freilich nach Rom!» rief endlich Johannes. «Zenon, dieser Mann ist Cethegus, der Präfekt von Rom.» Der junge Byzantiner neigte sich mit dem Ausdruck, mit welchem man etwa ein vielgenanntes Ungetüm zum erstenmal vor sich sieht. «Cethegus, Zenon hier, der Archon, der bisher am Euphrates gefochten, ist erst gestern abend mit persischen Bogenschützen aus Byzanz angekommen.»

«Und sein Bruder?» fragte Cethegus, «ist nach Rom!»

«Mein Bruder Megas», antwortete, nun gefaßt, der Byzantiner, «hat den Auftrag, dem Präfekten von Rom» - und hier neigte er abermals das Haupt - «die neu erfundenen Doppelballisten für die Wälle Roms zur Verfügung zu stellen. Er hat sich lange vor mir eingeschifft: - so glaubt' ich ihn schon vor mir eingetroffen und mit dir nach Rom abgezogen. Aber seine Fracht ist schwer.

Und ich freue mich, den gewaltigsten Mann des Abendlandes, den glorreichen Verteidiger des Hadrianusgrabes von Angesicht kennen zu lernen.»

Aber Cethegus warf noch Johannes einen scharfen Blick zu und wandte sich dann, mit kurzem Abschiedsgruß an alle Versammelten, zum Gehen. Nach einigen Schritten sah er sich rasch, plötzlich sich wendend, um und bemerkte, wie Johannes mit beiden Fäusten drohend auf den geschwätzigen jungen Archonten vom Euphrat hineinschalt.

Ein kalter Schauer rüttelte den Präfekten. Er wollte auf dem kürzesten Wege nach seinem Zelt zurückgehn und unverzüglich, ohne Syphax und dessen Entdeckungen abzuwarten, zu Pferde steigen und, sonder Abschied, nach Rom eilen. Um jenen kürzesten Weg zu erreichen, wollte er aus des Johannes Lager heraustreten und auf der Sehne des großen Lagerbogens seine eignen Zelte gewinnen.

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