Vor ihm ritten einige persische Schützen aus dem Lager: auch Bauern, die Wein verkauft hatten, ließen die Wachen unbehindert hindurch. Es waren Langobarden, denen, wie überall, auch in diesem Lagerteil Narses die Lagerausgänge übertragen. Sie hielten ihn an mit gefällten Speeren, als er den Landleuten folgen wollte. Er griff zornig in die Lanzen, rasch sie teilend.

Da stieß der eine der Langobarden ins Horn: die andern schlossen sich wieder fest vor Cethegus. «Befehl des Narses!» sprach Autharis, der Führer. «Und jene?» fragte der Präfekt, auf die Bauern und die Perser deutend. «Sind nicht du», sprach der Langobarde.

Eine Schar Lagerwachen war noch herbeigeeilt auf jenen Hornruf. Sie spannten die Bogen. Cethegus wandte ihnen schweigend den Rücken und ging auf dem gleichen Wege, der ihn hergeführt, zurück nach seinem Zelt.

Vielleicht war es nur sein plötzlich erregtes Mißtrauen, das ihm vorspiegelte, alle Byzantiner und Langobarden, durch die er dahin schritt, wichen ihm mit halb spöttischen, halb mitleidigen Blicken aus.

Vor seinem Zelt befragte er die isaurische Schildwache: «Syphax zurück?» - «Ja, Herr, längst. Er harrt deiner sehnlich im Zelt. Er ist verwundet.» Rasch schlug Cethegus die Vorhänge zurück und trat ein.

Da flog ihm Syphax, bleich unter seiner Bronzehaut, entgegen, umklammerte seine Knie und flüsterte mit leidenschaftlicher, verzweifelter Erregung:

«O mein Herr, mein großer Löwe! Du bist umgarnt - verloren

- nichts kann dich mehr retten.»

«Mäßige dich, Sklave!» gebot Cethegus. «Du blutest... -» -«Es ist nichts! Sie wollten mich nicht in dein Lager zurücklassen

- sie fingen in scheinbarem Scherz Streit mit mir an, aber ihre Messerstiche waren bitterer Ernst... -» - «Wer? Wessen Messerstiche?» - «Der Langobarden, Herr, die seit einer halben Stunde alle Ausgänge deines Lagers doppelt besetzt haben.» -«Ich werde Narses um den Grund fragen», drohte Cethegus. -«Der Grund, das heißt der Vorwand er sandte Kabades, dir das zu melden - ist ein Ausfall der Goten. - Aber, o mein Löwe -mein Adler - mein Palmbaum - mein Brunnquell - mein Morgenstern - du bist verloren!» Und wieder warf sich der Numider auf das Antlitz vor seinen Herrn und bedeckte dessen Füße mit glühenden Tränen und Küssen.

«Erzähle - der Ordnung nach», sprach Cethegus, sich an den Mittelpfahl des Zeltes lehnend, mit auf den Rücken gekreuzten Armen und hoch das Haupt emporgerichtet: nicht auf Syphax' verzweifeltes Antlitz, in die leere Ferne schien er zu schauen.

«O Herr - ich werd's nicht können in klarer Folge. - Also - ich erreichte das Schilfversteck - ich brauchte kaum zu tauchen -mich barg das Geröhricht - das Badezelt ist von dünnem Holz und von Leinwand neu errichtet, nach den letzten Stürmen -Narses kam in seinem kleinen Boot, Alboin, Basiliskos und noch drei Männer als Langobarden verkleidet - aber ich erkannte Scävola, Alinus...» - «Ungefährlich», unterbrach Cethegus. -«Und - Anicius!» - «Irrst du dich nicht?» fuhr Cethegus auf. -«Herr, ich kenne das Auge und die Stimme! Aus dem Gespräch - ich verstand nicht alle Worte, - aber den Sinn ganz klar» - «Ei, hättest du mir doch die Worte sagen können!»

«Sie sprachen griechisch, Herr: ich verstehe das doch nicht so gut, wie deine Sprache, und die Wellen machten Geräusch, und der Wind war nicht günstig.» - «Nun, was sagten sie?» - «Die drei sind erst gestern abend aus Byzanz eingetroffen: sie forderten sofort deinen Kopf.

Narses aber sprach: <Nicht Mord: Richterspruch, nach voll durchgeführtem Prozeß: und Richterstrafe.>

<Wann endlich?> drängte Anicius. <Sobald es an der Zeit.> - <Und Rom?> fragte Basiliskos. <Rom sieht er niemals wieder.»»

«Halt», rief Cethegus, «halt inne! Einen Augenblick! Klar muß ich hierin sein.» Er schrieb ein paar Zeilen auf ein

Wachstäfelchen. «Ist Narses zurück aus dem Bade?» - «Längst.» - «Gut.» Er gab einem der vor dem Zelte wachenden Isaurier die Wachstafel. «Augenblicklich bringst du Antwort. - Fahre fort!» Aber Cethegus vermochte nicht mehr still zu stehen, hastig ging er im Zelte auf und nieder.

«O Herr, in Rom muß ein Ungeheures geschehen sein: - ich konnte nicht genau verstehen, was. Anicius stellte eine Frage: darin nannte er deine Isaurier. <Den Führer Sandil bin ich losgeworden>, sagte Narses. <Und der Rest ist ja in Rom gut aufgehoben durch Aulus und die Brüder Macer, meine Lockvögel>, fügte er lachend bei.» - «Nannte er diese Namen?» forschte Cethegus ernst, «braucht' er dies Wort?» - «Ja, Herr. Dann sprach Alboin: <Gut ist's, daß die jungen Tribunen fort: es hätte scharf Gefecht gekostete Und Narses schloß: <Alle Isaurier mußten fort. Sollten wir eine blutige Schlacht im eignen Lager schlagen und König Teja plötzlich dazwischenfahren?> - O Herr, ich fürchte, sie haben deine Treuesten von dir hinweggelockt.»

«Ich glaub' es auch», sprach Cethegus finster. «Aber was sprachen sie von Rom?» - «Alboin fragte nach einem Führer, dessen Namen ich nie gehört.» - «Megas?» rief Cethegus.

«Ja, Megas! so hieß er - woher weißt du... -!»

«Gleichviel! Fahre fort! Was ist' mit diesem Megas?»

«Alboin fragte, wie lange wohl schon Megas in Rom sei? -<Jedenfalls>, antwortete Narses, <frühe genug für die römischen Tribunen und die Isaurier.»»

Da stöhnte Cethegus laut und schmerzlich aus tiefster Brust.

«<Aber die Bürger Roms?> forschte Scävola, <sie vergötterten diesen Tyrannen und seine jungen Ritter!> - <Ja ehemals: jetzt aber hassen und fürchten sie nichts so sehr als den Mann, der sie mit Gewalt wieder zu Römern, zu Helden machen wollte.> -<Aber wenn sie ihn doch wieder aufnehmen wollten? Allbezwingend ist seines Namens Gewalt!> fragte furchtsam Albinus.

<Fünfundzwanzigtausend Armenier im Kapitol und im

Grabmal Hadrians halten die Römer noch strenger gebunden... -

Da schlug sich Cethegus die linke Hand grimmig vor die Stirn.

«<Noch strenger gebunden als Papst Pelagius und ihr Vertrag und Eid.> - <Ihr Vertrag und Eid?> forschte Scävola. <Ja, ihr Vertrag und Eid! Sie haben geschworen: ihre Stadt nur dem Präfekten von Rom zu öffnen.> <Nun und?> rief Anicius. - <Nun und: sie wissen und wußten damals schon: daß seit drei Monaten der Präfekt von Rom heißt - Narses! Mir, nicht ihm haben sie geschworen!»» Da warf sich Cethegus schweigend auf das Lager und verhüllte sein Haupt in seinem purpurgesäumten Mantel. Keine laute Klage entrang sich mehr der gewaltigen Brust.

«O mein teurer Herr - er wird dich töten! - Aber ich bin noch nicht zu Ende - du mußt alles wissen - auf daß dich Verzweiflung zum Äußersten kräftigt: wie der umstellte Löwe mehr als Löwenkraft gewinnt.»

Cethegus erhob sich wieder. «Vollende», sprach er. «Was ich noch zu hören habe, ist gleichgültig: es kann nur mich, nicht mehr Rom angehn.»

«Aber dich geht es furchtbar an! - <Gestern>, fuhr Narses fort -nach einigen Reden, die das Wellengeräusch mir entzog, gleichzeitig mit der langerwarteten Nachricht... - aus Rom... - >»

«Welche Nachricht?» fragte Cethegus.

«Das sagte er nicht. - <Gleichzeitig brachte Zenon mir die Weisung, das versiegelte Schreiben des Kaisers zu öffnen: denn mit Recht nimmt dieser nach meinem letzten Bericht an, daß

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