wieder Vergnugen.

Zuerst flammten die Kontrollampchen der Boosterrakete rubinrot, wei? und blau auf. Dann begann der Startautomat zu zahlen. Wenn sein Ticken abbrach, durchrieselte den ganzen Schiffskorper ein schwaches Beben.

Gleichzeitig erhellte Phosphorschein die Wuste auf den Bildschirmen. Mit einem verhaltenen Drohnen, das bis in die untersten Decks drang, scho? das winzige Projektil aus der Bugrampe hervor und ubergo? das Mutterschiff mit einem Flammenmeer. Der Lichtschein der Boosterrakete, die sich schnell entfernte, flatterte immer schwacher auf den Dunenhangen und erlosch schlie?lich. Jetzt — die Rakete war nicht mehr zu horen — wurde die ganze Armaturentafel wie von einem heftigen Fieberschauer geschuttelt. Mit hektischer Hast sprangen die langlichen ballistischen Kontrolllichter aus dem Dunkel hervor, die perlmutterfarbenen Lampchen der Fernsteuerung nickten ihnen ermutigend zu, dann erschienen, einem bunten Lichterbaum ahnlich, die Signale, die den Abwurf der ausgebrannten Raketenstufen anzeigten, und am Ende flammte uber diesem in allen Regenbogenfarben schillernden Flackern ein reinwei?es Viereck auf, das Zeichen dafur, da? der Satellit seine Umlaufbahn erreicht hatte. Mitten auf der glitzernden, schneewei?en Flache blinkte eine kleine, graue Insel, die sich zu der Zahl 67 formte. Das war die Flughohe.

Rohan uberprufte noch' die Bahnparameter, aber Perigaum und Apogaum lagen in der Nahe der errechneten Werte. Hier hatte er nichts mehr zu tun. Er verglich die Bordzeit — die Uhr zeigte 18 Uhr — mit der jetzt geltenden Ortszeit: 23 Uhr. Er schlo? kurz die Augen. Er war froh uber diese Exkursion ans Meer, denn er liebte es, selbstandig zu arbeiten. Er war hungrig und mude. Eine Weile uberlegte er, ob nicht ein Erfrischungsdragee angebracht ware, aber dann meinte er, das Abendbrot musse genugen. Als er sich erhob, merkte er, wie sehr er erschopft war, und wunderte sich daruber, und diese Verwunderung belebte ihn wieder ein wenig. Er fuhr in die Messe hinunter. Dort hatten sich seine Leute bereits versammelt: die beiden Fahrer der Luftkissenlaster, unter ihnen Jarg, den er mochte, weil er stets guter Laune war, und der Ozeanologe Fitzpatrik mit seinen beiden Kollegen Broza und Koechlin. Sie waren mit dem Abendessen fertig, als Rohan erst eine hei?e Suppe bestellte und dem Wandautomaten Brot und ein paar Flaschen alkoholfreies Bier entnahm. Er stellte alles auf ein Tablett und ging damit an den Tisch. Da lief ein leichtes Beben durch den Fu?boden. Der „Unbesiegbare“ hatte den nachsten Satelliten abgeschossen.

Der Kommandant hatte keine Nachtfahrt gestattet.

Kurz vor Sonnenaufgang, um funf Uhr Ortszeit, brachen sie auf. Die aus Sicherheitsgrunden erforderliche Marschordnung, bei der man zermurbend langsam vorankam, hie? bei ihnen „Leichenzug“. Energoboter eroffneten und schlossen ihn. Mit ihrem ellipsoiden Kraftfeld schutzten sie alle Maschinen innerhalb des Zuges — die Allzweckfahrzeuge, die Gelandewagen mit den Funkstationen und dem Radargerat, die Kuche, das Lastfahrzeug mit der luftdichten Wohnbaracke, die sich automatisch selbst aufstellte, und das kleine, auf Raupenketten montierte Lasergerat fur Direktbestrahlung, das sie allgemein „Ahle“ nannten.

Rohan stieg mit den drei Fachleuten in den vorderen Energoboter. Das war zwar nicht bequem — sie sa?en eng aneinandergedrangt —, aber sie hatten immerhin die Illusion einer einigerma?en normalen Fahrt. Die Geschwindigkeit mu?te den langsamsten Maschinen des Zuges, eben den Energobotern, angepa?t werden; es war also kein reines Vergnugen. Die Raupenketten stohnten und knirschten im Sand, die Turbomotoren sirrten wie elefantengro?e Mukken, unmittelbar hinter den Sitzen brach aus dem Schutzgitter die Kuhlluft hervor, und der ganze Energoboter schwankte wie eine schwere Schaluppe auf See. Bald versank die schwarze Nadel, der „Unbesiegbare“, am Horizont. Eine Zeitlang fuhren sie in den tiefen Strahlen der kalten, blutroten Sonne uber die einformige Wuste.

Allmahlich trat der Sand zuruck, dafur ragten schrage Felsplatten aus dem Boden, denen es auszuweichen galt.

Abgesehen von dem Brummen der Motoren, verhinderten die Sauerstoffmasken eine Unterhaltung. Gewissenhaft beobachteten sie den Horizont, aber stets bot sich das gleiche Bild: ubereinandergeturmte Felsen, gro?e, bereits verwitterte Gesteinsbrocken. Schlie?lich senkte sich das Gelande, und auf dem Grunde eines flachen Talkessels entdeckten sie einen schmalen, halb ausgetrockneten Bach, dessen Wasser im Morgenrot funkelte. Breite Streifen runder, abgeschliffener Steine zogen sich beiderseits am Ufer hin und lie?en vermuten, da? der Bach zuweilen eine betrachtliche Wassermenge fuhrte.

Sie legten eine kurze Marschpause ein, um das Wasser zu untersuchen. Es war klar, aber ziemlich hart und enthielt Eisenoxyd und winzige Sulfidspuren.

Sie setzten die Fahrt fort, schneller als zuvor, weil die Ketten auf dem steinigen Untergrund zugig vorankamen.

Westlich von ihnen erhoben sich niedrige Felsklippen. Die letzte Maschine erhielt die Verbindung mit dem „Unbesiegbaren“ aufrecht. Die Radarantennen drehten sich, die Radarbeobachter ruckten an ihren Kopfhorern und hockten, Konzentratkorner kauend, unentwegt vor den Leuchtschirmen.

Manchmal sprang ein Stein, der unter einem Luftkissenfahrzeug wie von einem Wirbel erfa?t und heftig hervorgeschleudert wurde, die Kieshalde hinauf, als ware er lebendig geworden. Dann versperrten ihnen sanft geschwungene, kahle Hugel den Weg. Ohne anzuhalten, nahmen sie ein paar Gesteinsproben auf, und Fitzpatrik schrie Rohan zu, der Kiesboden sei organischen Ursprungs.

Schlie?lich, als der Wasserspiegel schwarzblau vor ihnen auftauchte, fanden sie auch Kalkstein. Uber die kleinen, flachen Steine fuhren sie rasselnd ans Ufer hinunter. Der hei?e Maschinenbrodem, das Kreischen der Raupenketten, das Brummen der Motoren — all das erstickte mit einem Schlag, als nur noch hundert Meter von ihnen entfernt das Meer lag, grunlich und scheinbar in nichts von einem irdischen Meer unterschieden. Nun mu?te ein kompliziertes Mannover ausgefuhrt werden, weil der vorderste Energoboter ziemlich tief ins Wasser gefahren werden sollte, damit das Kraftfeld die Arbeitsgruppe schutzte. Zuvor wurde die Maschine abgedichtet, dann rollte sie, von dem zweiten Energoboter gesteuert, ins Wasser, zerteilte die Wellen und sank, Luftblasen hinterlassend, in die Tiefe, so da? sie nur noch als dunkler Fleck zu erkennen war. Auf ein Funksignal der Leitstelle hin fuhr der versenkte Kolo? den Dirac-Emitor bis uber den Wasserspiegel aus. Als sich das Feld stabilisiert hatte und wie eine unsichtbare Halbkugel einen Teil des Wassers und des Ufers uberdeckte, begannen sie die eigentlichen Untersuchungen.

Der Salzgehalt des Ozeans war etwas geringer als auf der Erde. Die Analysenergebnisse waren jedoch keinesfalls sensationell. Nach zwei Stunden wu?ten sie ungefahr genausoviel wie anfangs. Deshalb steuerten sie zwei Fernsehsonden aufs offene Meer hinaus und verfolgten auf den Bildschirmen ihren Weg. Aber erst als die Sonden am Horizont verschwunden waren, ubermittelten die Signale die erste wesentliche Nachricht. In diesem Ozean lebten Organismen, die den Knochenfischen ahnelten. Beim Anblick der Sonden stoben sie mit unerhorter Geschwindigkeit auseinander und suchten in der Tiefe des Meeres Schutz. Die Echolote gaben die Meerestiefe an der Stelle, an der man erstmals auf die Lebewesen gesto?en war, mit r S o Meter an.

Broza bestand darauf, wenigstens einen solchen Fisch zu erbeuten. Also nahmen sie die Jagd auf. Die Sonden verfolgten die im grunen Dammerlicht umherhuschenden Schatten und beschossen sie mit elektrischen Ladungen, aber die vermeintlichen Fische waren unerhort wendig, so da? es erst nach zahlreichen Fehlschussen gelang, einen zu lahmen.

Die Sonde packte ihn mit ihren Greifern und wurde sofort ans Ufer geholt.

Koechlin und Fitzpatrik steuerten unterdessen eine zweite Sonde. Sie sammelten Proben von Fasern, die in den tieferen Meeresschichten trieben und die sie fur eine ortliche Algenart hielten. Sie schickten die Sonde schlie?lich ganz bis auf den Grund, in eine Tiefe von 250 Metern. Eine starke Grundstromung erschwerte die Steuerung erheblich.

Die Sonde wurde von ihrem Kurs abgedrangt und kollidierte dauernd mit gro?en, zu Haufen angetriebenen Steinen.

Endlich gelang es, einige beiseite zu walzen. Unter dieser Decke siedelte tatsachlich, wie Koechlin richtig vermutet hatte, eine ganze Kolonie biegsamer, mit Flimmerharchen bedeckter, winziger Lebewesen.

Als beide Sonden zuruckgekehrt waren, machten sich die Biologen an die Arbeit. Unterdessen war auch die Baracke aufgestellt, in der sie die leidigen Atemmasken absetzen konnten. Rohan, Jarg und die funf anderen Manner nahmen die erste warme Mahlzeit an diesem Tage zu sich.

Bis zum Abend waren sie beschaftigt, Mineralproben zu sammeln, die Radioaktivitat des Meeresbodens zu untersuchen, die Insolation zu messen und hunderterlei Arbeiten zu verrichten, die gleich muhsam waren, aber doch gewissenhaft, ja pedantisch ausgefuhrt werden mu?ten, wenn zuverlassige Ergebnisse erzielt werden sollten.

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