Als die Dammerung hereinbrach, hatten sie getan, was irgend moglich war, so da? Rohan, als Horpach ihn vom „Unbesiegbaren“ aus rief, mit ruhigem Gewissen ans Mikrofon gehen konnte. Der Ozean war voller Lebewesen, jedoch mieden sie ausnahmslos die Uferzone. Der Organismus des Fisches, den sie seziert hatten, zeigte nichts Au?ergewohnliches. Die Evolution auf diesem Planeten dauerte schatzungsweise bereits Hunderte Millionen Jahre. Sie hatten auch betrachtliche Mengen gruner Algen entdeckt; das erklarte die Herkunft des Sauerstoffs in der Atmosphare.

Die Aufteilung der organischen Formen in eine Pflanzenund eine Tierwelt war typisch, desgleichen der Knochenbau der Wirbeltiere. Das einzige bei dem gefangenen Fisch ausgebildete Organ, fur das die Biologen kein irdisches Gegenstuck kannten, war ein besonderer Sinn, der schon bei geringen Schwankungen der magnetischen Feldstarke empfindlich reagierte.

Horpach befahl der ganzen Mannschaft, schleunigst umzukehren, und beendete das Gesprach mit der Bemerkung, es gebe Neuigkeiten: Allem Anschein nach sei es gelungen, den Landeplatz des verschollenen „Kondors“ zu entdecken.

Trotz des Protestes der Biologen, die behaupteten, fur ihre Untersuchungen seien selbst mehrere Wochen noch zu wenig, wurde die Baracke abgerissen, die Motoren sprangen an, und die Kolonne brach in nordwestlicher Richtung auf.

Rohan konnte seinen Gefahrten keinerlei Einzelheiten uber den „Kondor“ mitteilen, denn er wu?te selbst nichts Genaues. Er wollte so bald wie moglich zuruck sein, da er annahm, der Kommandant werde neue Aufgaben verteilen, die vielleicht gro?ere Erfolge versprachen. Naturlich mu?te jetzt vor allem die angebliche Landestelle des „Kondors“ untersucht werden. Rohan holte das Letzte aus den Maschinen heraus, und unter dem Hollenlarm der steineknackenden Raupenketten fuhren sie zuruck.

Bei Eintritt der Dunkelheit schalteten sie die gro?en Scheinwerfer ein. Ein ungewohnlicher, ja gefahrlicher Anblick!

Immer wieder entrissen die schwankenden Lichtgarben dem Dunkel unformige, scheinbar bewegliche Riesensilhouetten, die sich dann lediglich als Felsbrocken, als letztes uberdauerndes Zeugnis einer verwitterten Bergkette erwiesen. Einige Male mu?ten sie vor tiefen Spalten im Basalt haltmachen. Mitternacht war langst voruber, als sie endlich den Rumpf des „Unbesiegbaren“ erblickten, der in der Ferne wie ein festlich beleuchteter Metallturm schimmerte.

Im ganzen Umkreis des Kraftfeldes bewegten sich Maschinenzuge; Vorrate und Kraftstoff wurden geloscht, Menschengruppen drangten sich im grellen Schein der Jupiterlampen unter der Rampe. Schon von weitem schlug den Heimkehrenden das Gerausch des geschaftigen, an einen Ameisenhaufen erinnernden Treibens entgegen. Uber den hupfenden Lichtbundeln erhob sich schweigend, mit glei?enden Flecken gesprenkelt, der Rumpf des Raumkreuzers.

Blaue Signalfeuer wurden angezundet, um die Stelle zu bezeichnen, wo der Weg in das Schutzfeld freigegeben wurde, und die Fahrzeuge rollten, mit einer dicken Schicht feinen Staubes bedeckt, nacheinander ins Innere des halbkugeligen Raumes.

Rohan war kaum aus seiner Maschine gesprungen, da rief er auch schon einen der Manner, in dem er Blank erkannte, zu sich und fragte, was mit dem „Kondor“ sei. Aber der Bootsmann wu?te nichts von der angeblichen Entdeckung.

Rohan konnte nicht viel von ihm erfahren. Bevor die vier Satelliten in den unteren Schichten der Atmosphare verbrannt waren, hatten sie elftausend Aufnahmen geliefert, die uber Funk empfangen und bei ihrem Eintreffen auf besonders praparierte Platten in der kartographischen Kajute ubertragen worden waren. Um keine Zeit zu verlieren, beorderte Rohan den Kartographentechniker Erett zu sich und fragte ihn, wahrend er unter der Dusche stand, nach allem, was an Bord vorgefallen war. Erett war einer von denen, die den „Kondor“ auf dem empfangenen Fotostreifen gesucht hatten. Nach diesem Stahlkornchen in den Sandmeeren hatten etwa drei?ig Manner gleichzeitig Ausschau gehalten. Au?er den Planetologen waren die Kartographen, die Radarbeobachter und alle Bordpiloten hinzugezogen worden. Geschlagene vierundzwanzig Stunden hatten sie abwechselnd das eintreffende Material durchgesehen und die Koordinaten jedes verdachtigen Punktes auf dem Planeten notiert. Aber die Mitteilung des Kommandanten an Rohan erwies sich als falsch. Man hatte eine au?ergewohnlich hohe Felsnadel fur das Raumschiff gehalten, weil der Schatten, den sie warf, einer Rakete erstaunlich ahnlich war. So blieb das Geschick des „Kondors“ weiter im dunkeln.

Rohan wollte sich bei dem Kommandanten melden, aber der hatte sich bereits zur Ruhe begeben. So ging er in seine Kajute. Obgleich er mude war, fand erlange keinen Schlaf.

Als er am anderen Morgen aufstand, lie? ihm der Astrogator durch Ballmin, den Chef der Planetologen, ausrichten, er solle das gesamte Material an das Hauptlaboratorium weiterleiten. Um zehn Uhr war Rohan so hungrig — er hatte noch nicht gefruhstuckt —, da? er in die kleine Messe der Radarbeobachter im zweiten Stock hinunterfuhr. Er trank gerade seinen Kaffee, da lief Erett auf ihn zu.

„Habt ihr ihn etwa?“ stie? er hervor, als er das erregte Gesicht des Kartographen erblickte.

„Nein, aber wir haben etwas Gro?eres gefunden. Kommen Sie bitte gleich, der Astrogator erwartet Sie…“

Rohan meinte, der verglaste Zylinder kroche buchstablich den Aufzugsschacht hinauf. In der verdunkelten Kajute war es still. Das Summen der Relais war zu horen, und aus dem Entwicklungsautomaten rutschten immer von neuem feuchtglanzende Aufnahmen, aber niemand achtete darauf.

Zwei Techniker holten hinter einer Wandklappe eine Art Bildwerfer hervor und loschten gerade alle anderen Lampen, als Rohan die Tur offnete. Sofort fand er zwischen den Kopfen den wei?schimmernden Schopf des Astrogators heraus. Im nachsten Augenblick flimmerte die von der Decke herabgelassene Leinwand silbrig auf. In der Stille, in der man nur gespanntes Atmen vernahm, trat Rohan so dicht wie moglich an die gro?e helle Flache heran. Das Bild, zu allem uberflu? eine Schwarzwei?aufnahme, war nicht sehr deutlich. Von kleinen, wirr verstreuten Kratern umgeben, ragte ein kahles Hochplateau auf, das auf einer Seite steil abfiel, wie mit einem riesigen Messer abgeschnitten.

Das war die Uferlinie, denn den ubrigen Teil der Aufnahme fullte die gleichma?ig schwarze Flache des Ozeans. In einiger Entfernung von dieser Steilwand lag, an zwei Stellen durch Wolkenfetzen und deren Schatten uberdeckt, ein Landschaftsmosaik aus undeutlichen Gebilden. Es war nicht zu bezweifeln, da? diese eigenartige Formation mit ihren verschwommenen Umrissen nicht geologischen Ursprungs sein konnte.

Eine Stadt, dachte Rohan aufgeregt, sprach es aber nicht aus. Noch immer schwiegen sie alle. Der Techniker am Bildwerfer bemuhte sich vergebens um ein scharferes Bild.

„Hat es Empfangsstorungen gegeben?“ Die ruhige Stimme des Astrogators brach das allgemeine Schweigen.

„Nein“, erwiderte Ballmin aus dem Dunkel. „Der Empfang war gut, aber diese Aufnahme gehort zu den letzten des dritten Satelliten. Acht Minuten nach dem Start hat er nicht mehr auf die Signale geantwortet. Vermutlich wurde die Aufnahme mit Objektiven gemacht, die die rasch ansteigende Temperatur bereits beschadigt hatte.“

„Die Kamera war nicht weiter als 7o Kilometer vom Mittelpunkt des Objekts entfernt“, warf eine andere Stimme ein, die, wie Rohan vermutete, Malte gehorte, einem der begabtesten Planetologen.

„Ehrlich gesagt, wurde ich die Entfernung auf bis 6o Kilometer schatzen. Bitte, schauen Sie sich das an!“ Seine Gestalt verdeckte einen Teil der Leinwand. Er nahm eine durchsichtige, mit Kreisen versehene Schablone und legte sie an die einzelnen Krater in der zweiten Bildhalfte an.

„Sie sind eindeutig gro?er als auf den fruheren Aufnahmen.

Im ubrigen ist das ohne Bedeutung“, fugte er hinzu.

„So oder so…“

Er sprach nicht zu Ende, aber alle wu?ten, was er sagen wollte: Bald wurden sie die Scharfe der Fotografien beurteilen konnen, weil sie diese Gegend des Planeten selbst erkunden wurden. Eine Weile betrachteten sie noch das Bild auf der Leinwand. Rohan war nun nicht mehr sicher, ob es sich um eine Stadt oder vielmehr um die Ruinen einer Stadt handelte. Da? die geometrisch gleichma?igen Gebilde seit langem verlassen waren, schlossen sie aus den strichdunnen, gewellten Schatten der Dunen; die Dunen umflossen die komplizierten Konstruktionen, von denen manche schon fast im Sandmeer versunken waren. Eine schwarze Zickzacklinie, die sich ins Landinnere hinein verbreiterte, trennte die geometrische Ordnung der Ruinen in zwei ungleiche Teile — ein tektonischer Ri?, der mehrere gro?e „Bauten“ halbierte. Eins dieser Gebilde, offensichtlich herabgesturzt, war

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