dieser am Steuerruder - Platz, und vier Matrosen setzten sich an die Ruder. Unter diesen war auch Vin Mod, und als er über die Reling stieg, deutete er dem Bootsmann noch durch ein Zeichen an, wie ihn die ganze Sache erregte.

Das Boot fuhr auf die Korallenbank zu. Beim Angeln längs der Bank hatte Nat Gibson eine schmale Öffnung entdeckt, die einen Weg durch den Klippengürtel bildete. Die Entfernung bis zur Landspitze betrug von da an nur noch sieben bis acht Kabellängen.

In noch nicht einer Viertelstunde erreichte das Boot die enge Wasserstraße. Von hier aus bemerkte man die letzten Rauchwölkchen von dem Feuer, das die ganze Nacht hindurch unterhalten worden war und woneben die beiden Männer gestanden hatten.

Vorn im Boote drehte sich Vin Mod in seiner Ungeduld, diese zu sehen. wiederholt um und störte dabei schließlich die Bewegung der anderen Ruder.

»Achtung auf die Riemen, Vin Mod! rief ihm der Kapitän zu. Du wirst deine Neugier schon befriedigen können, wenn wir am Lande sind.

- Ja freilich. am Lande. später!« murmelte der Matrose, der vor Wut am liebsten sein Ruder zerbrochen hätte.

Die Einfahrt wand sich zwischen hervorstehenden Korallenblöcken hin, mit denen zusammenstoßen nicht ohne Gefahr gewesen wäre. Die spitz auslaufenden, fast stahlharten Kanten hätten den Rumpf eines Bootes leicht ernstlich beschädigen können. Gibson ließ deshalb auch die Fahrgeschwindigkeit verringern. Im übrigen hatte es keine Schwierigkeiten, nach der Landspitze zu gelangen. Der Wind wirkte auch hier auf das Wasser und trieb das Fahrzeug fast allein in der erwünschten Richtung. Am Fuße der Felsen schäumte deshalb auch eine ziemlich starke Brandung.

Der Kapitän und sein Sohn betrachteten gespannt die beiden Männergestalten, die Hand in Hand, unbeweglich und schweigsam - selbst ohne einen Anruf ihrer Retter - dastanden. Als das Boot dann an der Spitze abschwenkte, konnte auch Vin Mod sie bequem sehen.

Der eine mochte fünfunddreißig, der andere dreißig Jahre alt sein. Wie sie so barhäuptig und nur mit Lumpen bekleidet dastanden, verriet nichts, daß sie Seeleute wären. Etwa von gleicher Größe, mit blondem Haar und ungepflegtem Barte, ähnelten sie einander so auffallend, daß man beide für Brüder halten mußte. Jedenfalls waren es keine eingebornen Polynesier.

Noch vor der eigentlichen Landung und als der Kapitän und sein Sohn noch auf der Bank im Hinterteile saßen, trat der ältere der beiden Männer bis ans Ende der Landspitze vor und rief in englischer Sprache, doch mit fremdem Dialekt:

»Dank euch, daß ihr uns zu Hilfe gekommen seid, tausend Dank!

- Wer seid ihr? fragte Gibson, jetzt näher am Lande.

- Wir sind Holländer.

- Schiffbrüchige?.

- Ja; von der Goelette 'Wilhelmina'.

- Und die einzigen Geretteten?.

- Die einzigen, wenigstens nach dem Schiffbruche die einzigen, die an diese Küste gekommen sind.«

Aus dem unbestimmten Tone der letzten Worte ließ sich erkennen, daß der Mann nicht wußte, ob er auf einem Festlande oder einer Insel Zuflucht gefunden hatte.

Der Wurfanker des Bootes wurde ans Land gebracht, und nachdem ihn einer der Matrosen in einer Felsaushöhlung festgelegt hatte, stiegen Gibson und die übrigen aus dem Fahrzeug aus.

»Wo befinden wir uns? fragte der ältere Mann.

- Auf der Insel Norfolk, antwortete der Kapitän.

- Auf Norfolk!« wiederholte der jüngere.

Die Schiffbrüchigen erfuhren hiermit also, wo sie eigentlich waren: auf einer vereinzelt liegenden Insel im westlichen Teile des Großen Ozeans. Sie waren hier übrigens die einzigen von denen, die die holländische Goelette an Bord gehabt hatte.

Auf die Frage, was aus der »Wilhelmina« geworden und ob sie mit Mann und Maus untergegangen sei, konnten sie Gibson keine bestimmte Antwort geben. Über die Ursache des Schiffbruches berichteten sie folgendes:

Vor vierzehn Tagen war die Goelette in der Nacht angefahren worden. Das mochte drei bis vier Seemeilen östlich von der Insel Norfolk geschehen sein.

»Als wir aus unserer Kabine hinauseilten, sagte der ältere der beiden Brüder, wurden wir schon mit einem Wirbel hinabgezogen. Die Nacht war dunkel und dunstig. Wir klammerten uns an einen Hühnerkäfig, der zum Glück in unsere Nähe trieb. Drei Stunden später hatte uns die Strömung hier an die Korallenbank getragen, und von da sind wir nach dem Lande hinübergeschwommen.

- Ihr seid also jetzt seit vierzehn Tagen auf der Insel? fragte Gibson.

- Seit vollen vierzehn Tagen.

- Und ihr habt hier keinen Menschen getroffen?

- Nicht einen einzigen.

- Wir sind auch, setzte der jüngere hinzu, überzeugt, daß es auf diesem Lande kein menschliches Wesen gibt, mindestens daß dieser Küstenstrich völlig unbewohnt ist.

- Habt ihr denn gar nicht daran gedacht, weiter ins Innere vorzudringen? sagte Nat Gibson.

- O doch, erklärte der ältere. Da hätten wir aber durch dichte Wälder dringen müssen, auf die Gefahr hin, daß wir uns darin verirrten, und vielleicht hätten wir auf dem Wege nichts gefunden, nur das Leben zu fristen.

- Wozu hätte es auch dienen können, fuhr der jüngere fort, da wir uns, wie wir eben erfahren haben, doch auf einer verlassenen Insel befanden? Da war es doch besser, am Ufer auszuharren; wir hätten uns sonst doch jeder Aussicht beraubt, beim Vorüberkommen eines Schiffes bemerkt und, so wie es jetzt geschehen ist, gerettet zu werden.

- Das ist freilich richtig.

- Und Ihre Brigg. welche ist diese? fragte der jüngere der Brüder.

- Die englische Brigg 'James-Cook'.

- Und deren Kapitän?

- Bin ich selbst, antwortete Gibson.

- Nun, Herr Kapitän, bemerkte der andere, Gibsons Hand drückend, Sie sehen also, daß wir gut daran getan haben, hier an der Küste zu bleiben!«

Unzweifelhaft wären die Schiffbrüchigen bei einem Versuche, den Mount-Pitt zu umwandern oder ihn zu ersteigen, um eine weitere Aussicht zu gewinnen, infolge unüberwindlicher Schwierigkeiten vor Hunger und Ermüdung in den undurchdringlichen Wäldern des Inneren umgekommen.

- Wie habt ihr aber, von allem entblößt, hier überhaupt so lange aushalten können? fragte Gibson teilnehmend.

- Unsere Nahrung bestand aus einigen Vegetabilien, antwortete der ältere, aus da und dort gefundenen Wurzelfrüchten, aus Palmenkohl, den wir von den Bäumen holten, aus wildem Sauerampfer, Gänsedisteln, Meerfenchel und den Zapfen der Araukarien. Ja, wenn wir Angeln gehabt oder solche hätten anfertigen können, wär' es leicht gewesen, Fische zu fangen, denn davon gibt es Überfluß zwischen den Uferfelsen.

- Wie stand es aber mit dem Feuer, fiel Nat Gibson ein. Wie habt ihr euch das verschaffen können?

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