Einer der Matrosen ließ eine Strickleiter hinunter. Die Pirogue legte daran an und der Eingeborne kletterte, den Vogel in der Hand haltend, gewandt hinaus.

»Ebura!. Ebura!« rief er, oben angelangt.

Sein Begleiter war in der Pirogue geblieben, die an einer Klampe des Schiffes festgelegt worden war, und er musterte aufmerksam die Brigg, ohne auf die Zeichen zu achten, die die Matrosen ihm machten, daß er auch herauskommen sollte.

Der Eingeborne, der sich auf dem Deck befand, zeigte den ausgesprochenen Typus der Rasse der Papua-Malaien, die an den Küsten Neuguineas wohnen: eine mittlere Größe, untersetzte Gestalt und kräftige Konstitution, dabei eine dicke, abgestumpfte Nase, großen Mund mit wulstigen Lippen, eckige Züge, starre, gerade Haare, dunkelschmutziggelbe Haut und harten Gesichtsausdruck, der aber doch eine gewisse Intelligenz verriet.

Der Mann mußte, nach Gibsons Ansicht, ein »Kapitan«, ein Stammeshäuptling sein. Einige fünfzig Jahre alt, ging er fast vollständig nackt und trug nur ein Känguruhsell um die Hüften und ein Stück Rindenzeug auf den Schultern.

Da Hawkins seine Bewunderung des Vogels von Anfang an nicht verhehlt hatte, wendete sich der Eingeborne auch gleich an ihn. Er hob den Paradiesvogel bis in Kopfhöhe empor und drehte und wendete ihn nach allen Seiten, um seine Schönheit zu zeigen.

Hawkins, der die prächtige Manucode auf jeden Fall erwerben wollte, fragte sich nur, was er - als Tauschgeschäft -dafür anbieten könnte. Wahrscheinlich erwies sich der Papua nicht unempfindlich für einen Piaster, dessen Wert ihm jedenfalls bekannt war.

Der Wilde beseitigte jedoch sehr bald selbst die Ungewißheit des Reeders, indem er mit weitoffenem Munde wiederholt. Wobba!. Wobba!« rief.

Dieses Wort übersetzte Gibson mit »Zu trinken!. Zu trinken!«, und er ließ deshalb aus der Kambüse eine Flasche Whisky herbeischaffen.

Der Kapitan ergriff sie, überzeugte sich auch, daß sie mit der weißlichen Flüssigkeit gefüllt sei, die er recht gut kannte, und steckte die Flasche ohne ein weiteres Wort unter den Arm.

Dann ging er ungeniert vom Hinterdeck nach dem Vorderdeck und zurück, musterte dabei aber weniger das Oberschiff und die Takelage, als die Matrosen, die Passagiere und den Kapitän. Es hatte den Anschein, als wollte er sich über die Zahl der an Bord befindlichen Personen genau unterrichten, das vermutete wenigstens Pieter Kip, der es seinem Bruder gegenüber auch aussprach.

Jetzt kam Nat Gibson noch auf dem Einfall, den Wilden zu photographieren. Nicht daß er diesem mit dem Bilde ein Geschenk machen wollte, denn zur Vollendung eines solchen hätte es ihm an Zeit gefehlt. er wünschte nur seine Sammlung mit der Abbildung eines echten Papuas zu bereichern.

»Das ist ein guter Gedanke, sagte Hawkins, wie sollen wir aber den Teufelskerl dazu bringen, hübsch still zu halten?

- Nun, wir wollen es mindestens versuchen,« erwiderte Nat Gibson.

Er faßte dabei den Eingebornen am Arm, um ihn weiter nach dem Hinterdeck zu führen. Dieser begriff natürlich nicht, was man mit ihm vorhatte, und setzte dem jungen Manne daher einigen Widerstand entgegen.

»Assai'!« rief Gibson ihm zu.

Dieses Wort ist in der Papuasprache der Vokativ des Zeitworts »kommen«, und der Kapitan ging darauf hin willig mit nach dem Deckhause zu.

Nat Gibson brachte seinen Apparat auf das Hinterdeck und stellte die Camera auf das Stativ. Ehe er die matte Scheibe auf den Wilden einstellte, suchte er diesem eine geeignete Haltung zu geben, um ein gutes Negativ zu bekommen.

Der etwas verblüffte und sehr aufgeregte Kapitan hielt aber weder Kopf noch Arme still, und es schien unmöglich, ihn dazu zu bringen, sich während der wenigen, zur Aufnahme nötigen Sekunden nicht zu bewegen. Als Nat Gibson aber unter der schwarzen Decke der Camera verschwand, erstaunte er darüber dermaßen, daß er wie erstarrt völlig unbewegt blieb.

Diese kurze Zeit genügte für die Aufnahme, und nach deren Beendigung lief der Kapitan mit der Flasche unter dem Arme schleunigst nach der Falltreppe am Steuerbord.

Als er aber an der Vorderseite des Deckhauses, dessen Tür offen stand, vorüber kam, trat er auf einen Augenblick hinein, wie um nachzusehen, ob sich noch jemand darin befände. Scheinbar dieselbe Absicht führte ihn auch noch nach dem Volkslogis, dessen Treppenkappe aufgeschlagen war. Endlich hafteten die Blicke des Wilden auf dem kleinen

Kupfergeschütz am Vorderteile, dessen Wirkung ihm sicherlich nicht unbekannt war, denn er rief dabei laut: »Mera!. Mera!«

Dieses Wort bedeutet in der Sprache der Eingebornen »Donner«, wie das Wort »Ura« den Blitz oder ein blendendes Licht bezeichnet.

Dabei leuchtete das Auge des Kapitans ganz unheimlich auf, diese Flamme erlosch jedoch sofort wieder und sein Gesicht zeigte den gleichgültigen Ausdruck, den man bei den Angehörigen der andamanischen Rasse allgemein beobachtet.

An der Falltreppe angekommen, schwang sich der Papua über die Schanzkleidung, kletterte in die Pirogue hinunter und musterte noch einmal die Brigg vom Bug bis zum Heck. Dann ergriff er die eine Pagaie und sein Begleiter die andere. Bald darauf verschwand das kräftig angetriebene Fahrzeug hinter dem Vorlande der Insel Entrecasteaux auf dem Wege nach dem großen Lande.

»Haben Sie bemerkt, fragte da Karl Kip, wie aufmerksam jener Mann den 'James- Cook' und vor allem dessen Mannschaft betrachtete?

- Ja, das ist mir auch aufgefallen,« antwortete Hawkins.

Dem Kapitän Gibson war das Benehmen des Wilden ebenfalls nicht entgangen. Offenbar war der Papua an Bord gekommen, um sich über die Wehrfähigkeit der Brigg zu unterrichten. Er hatte einen Vogel zu verkaufen gehabt, hatte diesen verkauft und war, scheinbar zu seiner großen Befriedigung, dafür mit einer Flasche Whisky bezahlt worden. Dann hatte ihn die Pirogue dahin zurückbefördert, woher er gekommen war. Vor Ablauf einer Stunde - so meinten alle - würde er vollständig berauscht sein und man würde ihn nicht wieder zu Gesicht bekommen.

Das erschien ja möglich; immerhin blieb es recht bedauerlich, daß der »James-Cook« durch die fast vollständige

Windstille hier gegenüber der Insel Entrecasteaux festgehalten wurde. Von der Brise war nur zeitweilig ein schwacher Hauch zu spüren. Die letzten Streifchen auf der Meeresfläche glichen sich allmählich aus und das Wasser hob und senkte sich nur in einer sanften, glatten Dünung. Gibson dachte schon daran, ob es nicht geratener sei, mit fünfzig Faden Kette vor Anker zu gehen. Weiter nach der Insel hin mußte sich dafür eine geeignete Stelle finden, wo er das Wiederaufspringen des Südostwindes abwarten könnte.

Er besprach sich darüber mit dem Bootsmanne, der gegen eine solche Absicht auch keine Einwendungen zu erheben wußte.

Flig Balt hatte jedoch seine besonderen Gründe, dem Kapitän zuzustimmen.

»Das Wetter ist trübe, hatte nämlich Vin Mod gegen ihn geäußert, die Nacht wird Regen bringen, einen Regenfall ohne Wind, der dann meist vom Abend bis zum Morgen anhält. Wahrscheinlich begeben sich Hawkins, die beiden Holländer und der junge Gibson zum Schlafen in ihre Kabinen. Auf Deck bleiben dann nur noch der Kapitän und die Leute der Wache. Wenn dann die Reihe an Len Cannon, Sexton, Bryce und Kyle kommt, dann. nun ja, dann findet sich vielleicht die Gelegenheit, an der es uns bisher gefehlt hat. die Gelegenheit, Gibson zu überraschen, uns seiner zu

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