entledigen, und wenn es gelingt, die Brigg in unsere Gewalt zu bekommen, wenigstens Flig Balt als Kapitän zu bekommen.«
Ein ähnliches Gespräch, dem auch Sexton, Kyle und Bryce beigewohnt hatten, hatte schon vorher zwischen Vin Mod und Len Cannon stattgefunden. Ja ja. zuerst nur den Kapitän abtun. das andere würde sich schon finden.
Die Umstände gestalteten sich desto günstiger, wenn die Brigg vor Anker ging, statt daß sie die Nacht über unter Segel blieb. Gibson würde dann jedenfalls allein wach bleiben und wie durch einen Unfall verschwinden.
Vin Mods Pläne wurden jedoch dadurch durchkreuzt, daß der Kapitän Gibson auch noch die Ansicht Karl Kips hören wollte, ob es rätlich sei, bis zum Anbruch des Tages zu ankern oder nicht.
Karl Kip hatte das ohne Zögern verneint.
»Ich an Ihrer Stelle, Herr Gibson, täte das nicht. Die Gegend hier ist zu unsicher und ein Überfall durch Eingeborne stets zu befürchten. Käme es zu einem solchen, so wäre es doch besser, nicht verankert zu liegen, um, wenn etwas Wind aufkäme, sogleich davonfahren zu können, ohne mit der Einholung des Ankers Zeit zu verlieren.«
Der Kapitän erkannte die Berechtigung dieser Gründe an und fügte sich ihnen ohne Gegenrede. Zur großen Enttäuschung des Bootsmannes und seiner Spießgesellen, behielt der »JamesCook« also nach Sonnenuntergang seine Segel für die Nacht bei und blieb zwei bis drei Meilen von der Insel Entrecasteaux entfernt liegen.
Andererseits hielt auch der Regen, der gegen fünf Uhr begonnen hatte, nicht lange an. Ein fernes Gewitter verriet sich durch Wetterleuchten und gelegentliches schwaches Donnerrollen. Die Temperatur war sehr hoch; das Fahrenheitsche Thermometer wies auf neunzig Grad (32°22 Celsius). Da dachten denn auch weder Hawkins, noch Nat Gibson oder Karl und Pieter Kip daran, sich in ihre Kabinen zurückzuziehen. Alle streckten sich, ebenso wie die Matrosen, die keine Wache hatten, auf dem Verdeck aus.
Offenbar hatten Flig Balt, Vin Mod und ihre Parteigänger wiederum Unglück.
Selbstverständlich hatte Gibson Befehl erteilt und geeignete Maßregeln getroffen, die Umgebung der Brigg mit größter Sorgfalt im Auge zu behalten. Auf dem Vorder- und dem
Hinterdeck waren einige Leute dazu angewiesen. Was Hawkins auch gesagt hatte, die Anschauung Karl Kips behielt doch die Oberhand. War der Kapitan nur an Bord gekommen, um seinen Paradiesvogel gegen irgend einen anderen Gegenstand zu vertauschen, oder nicht vielmehr, um sich über die Widerstandsfähigkeit des »James-Cook« zu vergewissern?
Vor dem Deckhause drehte sich das Gespräch noch um diese Frage, ging dann aber auf andere Gegenstände über. Das Zeltdach war zusammengerollt worden, um der Luft freieren Zutritt zu lassen. Rings um das Schiff herrschte tiefe Stille. Kein Lichtschein schimmerte weder draußen auf dem Meere, noch von der jedenfalls unbewohnten Insel Entrecasteaux herüber.
Nach und nach schlief das Gespräch ein. Alle Augenlider sanken nieder, und bald hätte gewiß auch die Widerstandsfähigsten der Schlummer besiegt, wenn jetzt nicht ein Ruf erschallt wäre, ein Ausruf Jims, der ausspähend auf-und abwandelte.
»Piroguen!. Piroguen!« rief der Schiffsjunge.
Alle - Kapitän, Passagiere und Mannschaft - waren sofort auf den Füßen und eilten nach dem Backbord.
Von diesem aus hatte Jim nämlich Boote, die auf die Brigg zuhielten, gesehen oder doch zu sehen geglaubt.
Sollte er sich bei der Dunkelheit der Nacht nicht vielleicht getäuscht haben?
Das nahm man noch im ersten Augenblick an, doch eine Wellenbewegung des Wassers, wie sie von Ruderschlägen erzeugt wird, zeigte sehr bald, daß der Schiffsjunge sich nicht geirrt hatte.
»Da. da draußen. Eingebornenboote!« rief jetzt Nat Gibson.
Einer der Matrosen richtete das Strahlenbündel eines Scheinwerfers nach der angedeuteten Stelle, und dadurch konnte man mehrere Piroguen, die kaum noch dreißig Fuß vom Schiffe entfernt waren, deutlich erkennen. Ohne die Aufmerksamkeit Jims wäre die Brigg durch einen plötzlichen Angriff überrascht worden, ohne daß Zeit gewesen wäre, Mittel zur Abwehr zu ergreifen.
»An die Gewehre!. Die Revolver herbei!« befahl Gibson augenblicklich.
Die Matrosen eilten nach dem Deckhause und die Waffen wurden verteilt. Jeder erhielt ein Gewehr oder einen Revolver mit den nötigen Patronen, und alle stellten sich an Backbord längs der Schanzkleidung auf, um die Angreifer zurückzuweisen, die es versuchen sollten, das Verdeck zu erklettern.
Nach der Seeseite, also der der Insel Entrecasteaux entgegengesetzten Seite hin, war nichts Verdächtiges zu bemerken und auch kein Geräusch von Pagaien zu hören. Das Meer lag hier völlig glatt, es war also nicht zu befürchten, daß noch andere Boote von Osten her kämen.
Der Anblick des Scheinwerfers belehrte die Eingebornen natürlich, daß sie entdeckt wären. Eine Überraschung war daher nicht mehr möglich. Dennoch eröffneten die Wilden sofort den Angriff. Eine Wolke von Pfeilen und ein Hagel mit der Schleuder geworfener Steine prasselte gegen die Längswand der Brigg oder flog oben durch das Takelwerk.
Getroffen wurde zum Glück niemand, nach der Menge der Geschosse ließ sich aber annehmen, daß die Angreifer sehr zahlreich sein mußten. In der Tat waren es ihrer sechzig, die etwa zehn große Piroguen füllten. Der Kapitän verfügte dagegen, selbst den Schiffsjungen Jim eingerechnet, nur über fünfzehn Mann.
»Feuer!« kommandierte Gibson.
Sofort knatterten, als Antwort auf den Angriff der Papuas, eine Anzahl auf die Boote gerichteter Gewehre. Ohne Zweifel hatten mehrere Kugeln ihr Ziel getroffen, denn man hörte noch den Aufschrei von Verwundeten, als eine zweite Wolke von Pfeilen auf das Schiff zuschwirrte.
»Haltet jetzt ein, sagte der Kapitän. Schießt nur aus unmittelbarer Nähe auf die ersten der Schufte, die etwa die Schanzkleidung zu erklettern versuchen!«
Das ließ nicht lange auf sich warten. Nach wenigen Augenblicken stießen die Piroguen schon an den Rumpf der Brigg. Sich an den Jungfern der Wanten anklammernd, versuchten mehrere Papuas die Reling zu packen, um sich auf das Deck zu schwingen und hier Mann gegen Mann zu kämpfen.
Einmal an Bord, wären die Eingebornen zwar außer stande gewesen, sich der Bogen oder der Schleuder zu bedienen; sie wären aber trotzdem nicht waffenlos gewesen, denn sie konnten dann eine Art eisernes Hackmesser, in der Sprache der Insulaner »Parang« genannt, benutzen, in dessen Gebrauch als Waffe sie außerordentlich geschickt sind.
Das allein nötigte also schon dazu, die Eingebornen mit Flinten- und Revolverschüssen, sowie mit Seitengewehren zu empfangen und sie ins Meer zu stürzen, ehe sie den Fuß auf das Verdeck setzen könnten.
Wirklich zeigten sich mehrere Papuas in der Höhe der Reling, während sie sich an den Rüsten des Groß- und des Fockmastes festhielten. Sie wurden jedoch sofort zurückgestoßen und fielen wieder in die Piroguen hinunter.
Bei dem Aufleuchten der Schüsse hatte man übrigens einen davon erkannt.
Es war das der Kapitan, der Anführer der ganzen Rotte, der in der Absicht
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