Livia und Aurelius betraten nach Sonnenuntergang die Schenke und bestellten eine Huhnersuppe mit Gemuse. Die Luft hallte wider von dem Geschrei der Mowen und den Stimmen der Frauen, die ihre Kinder, die in den verschiedenen Gassen spielten, nach Hause zum Abendessen riefen. Das Lokal war ziemlich voll: Ein glatzkopfiger und rustiger Wirt brachte Wei?wein fur die Stammgaste, die an den Tischen sa?en und von denen einige wurfelten, andere Astragalus und wieder andere ein Fingerspiel namens Mora spielten. Dieser Ort war offensichtlich ein Paradies fur Spieler und Wetter. Aber wo waren die Buchmacher? Livia sah sich um und bemerkte in der Nahe des einzigen Fensters etliche zusammengeschobene Tische, an denen ein paar finstere Kerle sa?en, Gauner mit Gesichtern, die von Narben gezeichnet waren, und mit Armen, die wie die der Barbaren uber und uber mit Tatowierungen bedeckt waren. Sie versetzte Aurelius einen Rippensto?.
»Ich habe sie schon gesehen«, konterte er. Er rief den Wirt und fragte ihn: »Ich bin neu in dieser Gegend, aber der Ort gefallt mir, und ich mochte gern mit diesen wackeren Herrschaften dort Freundschaft schlie?en. Ich mochte, da? du diesen Herren da hinten eine Karaffe mit dem besten Wein bringst.«
Der Wirt nickte und stellte ihnen die Karaffe auf den Tisch, die mit gro?em Hallo in Empfang genommen wurde. »He, du Fremder! Komm her und trink mit uns und bring auch dieses Haschen da mit. Unter Freunden mu? man alles teilen, oder?«
»Gib mir Geld«, sagte Aurelius leise zu Livia. Dann trat er mit einem schiefen Lacheln an den Tisch und sagte: »Nichts ware mir lieber. Aber das hier ist kein Haschen. Vielmehr eine kleine Wolfin, die bei?t.«
»Ach, woher denn«, sagte ein zweiter und erhob sich, ein Halunke mit einem gra?lichen Mund voller fauler Zahne. »Komm nur her und feiere mit uns, du schones Kind!« Er ging auf Livia zu, die noch an ihrem Tisch sa?, legte ihr eine Hand auf die Schulter und streckte dabei die Finger nach ihrem Busen aus. Da aber fuhr ihre linke Hand ihm blitzschnell an die Hoden und quetschte sie mit der ganzen Kraft ihrer stahlharten Finger, wahrend sie mit der rechten den Dolch aus dem Gurtel zog, den sie, plotzlich aufspringend, dem Mann an die Kehle hielt. Der Ungluckliche jaulte auf, konnte sich aber nicht bewegen, da ihm die Waffe schon fast im Hals steckte, und er konnte sich auch nicht losrei?en. Livia druckte noch fester zu, bis der Mann vor Schmerz ohnmachtig wurde und zu Boden sackte. Dann schob sie den Dolch in den Gurtel und setzte sich, als ware nichts geschehen, wieder hin, um ihre Suppe aufzuessen.
»Ich habe euch ja gesagt, da? sie bei?t«, sagte Aurelius, ohne eine Miene zu verziehen. »Darf ich mich setzen?«
Verdattert machten ihm die anderen Platz. Er schenkte sich etwas zu trinken ein und legte ostentativ ein paar Silbermunzen auf den Tisch. »Es hei?t, da? man hier mit Wetten schone Gewinne machen kann, wenn man den richtigen Riecher hat.« »Du ziehst ein hartes Spiel vor, wie ich sehe«, meinte derjenige, der offensichtlich das Sagen hatte.
»Wenn es sich lohnt.«
»Was das anbelangt, so bist du an die richtige Stelle geraten, aber um Eintritt zu erhalten, brauchst du einen Schutzheiligen. Wei?t du, was ich meine?«
Aurelius zog den Ausweis mit dem Dreizack hervor, hielt ihn einen Augenblick dem anderen hin und lie? ihn sofort wieder verschwinden. »So einen wie diesen hier?«
»Ich sehe, da? man dich ordentlich eingewiesen hat. Mochtest du heute abend fruh zu Bett gehen?«
»Ich? Ich bin ein notorischer Nachtschwarmer!«
»Ware dir ein Bad im Bassin, so gegen Mitternacht, recht?«
»Nichts ware mir lieber.«
»Wie hoch willst du denn setzen?«
»Das kommt darauf an. Gibt es jemanden, fur den man einen hohen Einsatz wagen kann?«
Der Mann stand auf, nahm ihn am Arm und zog ihn beiseite, als wolle er ihm ein gro?es Geheimnis anvertrauen. »Hor zu, hier gibt es einen athiopischen Riesen, ein Kerl wie ein Turm, ein wahrer Herkules, der bislang noch alle Konkurrenten zur Strecke gebracht hat.« Aurelius blieb beinahe das Herz stehen. Er hatte schreien mogen: »Batiatus!« Aber er unterdruckte diesen Schrei und die unendliche Freude, die ihn erfullte.
»Alle setzen sehr hohe Betrage auf ihn. Ich sehe, da? du keine Probleme mit den Finanzen hast, und schlage dir eine Wettgemeinschaft vor. Wir setzen alles, was du hast, darauf, da? der Schwarze verliert. Ich garantiere dir, da? er besiegt wird, und dann teilen wir uns den Gewinn. Aber ich brauchte mindestens funf Goldsolidi, sonst lohnt sich die Sache nicht.«
Aurelius zog die Borse heraus und wog sie in der Hand. »Ich habe auch noch mehr, aber ich bin nicht dumm. Warum sollte er verlieren, dieser Bar?«
»Aus zwei Grunden: Der erste ist, da? er heute nacht gegen drei Gegner, und nicht nur gegen einen kampfen mu?. Der zweite ist eine Uberraschung, und du wirst es selbst vor Ort sehen. Ich kenne dich nicht, mein Lieber, und ich kann nicht riskieren, dir mehr zu sagen. Ja, ich habe dir schon zuviel verraten. Gilt der Einsatz?«
»Ich habe dir doch gerade erklart, da? ich nicht blod bin. Ich gebe dir das Geld an Ort und Stelle, vor Beginn der Veranstaltung.«
»In Ordnung«, sagte der Mann. »Um Mitternacht, wenn du die Glocke der Admiralitat horst.«
»Ich werde dasein. Ach ja, und noch etwas: Siehst du die da?« Und er zeigte auf Livia. »Im Vergleich zu mir ist die blo? ein kleiner Spucht. Also, keine Dummheiten! Ist das klar? Sonst rei? ich sie dir wirklich ab, deine Eier, und serviere sie dir zum Fruhstuck! Jetzt nimm dieses Schwein, das gerade wieder zu sich kommt, bevor sie es sich anders uberlegt und ihm dem Schadel spaltet, als ware er ein Kurbis.«
Der Mann brummte zustimmend und nahm sich seines arg mitgenommenen Kumpans an. Aurelius und Livia verschwanden unterdessen im Gewirr der Gassen.
»Batiatus lebt!« sagte Aurelius au?er sich vor Freude. »Hast du das mitbekommen? Batiatus lebt!«
»Immer mit der Ruhe. Das habe ich schon kapiert. Aber wer ist dieser Batiatus?«
»Ein Kamerad aus meiner Truppe. Er war der Leibwachter meines Kommandanten, ein fast sechs Fu? gro?er athiopischer Hune, stark wie ein Stier. So einer wie er wiegt zehn Manner auf, das schwore ich dir. Wenn es uns gelingt, ihn zu befreien ... Ich bin mir fast sicher, da? wir es schaffen werden. Und wenn er hier ist, dann vielleicht auch noch andere. Oh, ihr Gotter, ich wage nicht, das zu hoffen ...«
»Mach dir nicht zu viele Illusionen. Und ganz nebenbei: Wie gedenkst du ihn zu befreien?«
Aurelius legte die Hand an den Griff seines Schwertes. »Mit dem da - wie sonst?«
»Aha. Und Hilfe brauchst du vielleicht auch, konnte ich mir denken.«
»Das ware nicht schlecht.«
»Du hast eine seltsame Art, um etwas zu bitten.«
»Ich bitte um gar nichts. Ich versuche, dir zu helfen, deine Mission zu erfullen.«
»Richtig. Dann los! Wir mussen uns vorbereiten und alles besorgen, was wir brauchen. Was hat dir denn dieser Schurke sonst noch gesagt?«
»Da? alle auf den Sieg des Schwarzen wetten, aufgrund der gemachten Erfahrungen, und er hat einen gro?en Batzen Geld verlangt, damit ich auf die Niederlage des Schwarzen setze: Er wurde schon dafur sorgen, da? er verliert.« »Wollen sie ihn vielleicht vergiften?«
»Das bezweifle ich. Er ist zuviel wert.«
»Unter Drogen setzen?«
»Schon moglich.«
»Jedenfalls gefallt mir die Sache nicht. Wir mussen auf der Hut sein.«
Sie gingen zuruck in die Taverne und bereiteten sich sorgfaltig auf das Unternehmen vor. »Zuallererst brauchen wir Pferde«, sagte Aurelius, »wenn moglich, gleich drei oder vier - man kann ja nie wissen. Ich versuche, sie zu beschaffen: Bei der Einfahrt zur Stadt gibt es noch eine Poststation, und mein Abzeichen vom Militar sollte mir dabei von Nutzen sein, aber ein bi?chen Geld konnte auch nicht schaden.«
Livia holte etwas aus der Tasche, und Aurelius machte sich auf den Weg. Spat in der Nacht kehrte er zuruck. »Alles erledigt«, sagte er, als er eintrat. »Der Stationsvorsteher ist ein tuchtiger Kerl, noch ein Beamter der alten Schule, einer von denen, die verstehen, ohne viele Fragen zu stellen. Er wird in einer Olmuhle in der Nahe der Kuste Pferde fur uns bereithalten, auf der Hohe des dritten Meilensteins. Ich habe gesagt, da? wir hier Freunde erwarten und morgen vor Tagesanbruch abreisen mussen.«
»Und die Waffen?« fragte Livia.
»Es ist vorherzusehen, da? sie Leibesvisitationen vornehmen, und deshalb ist es besser, wenn du sie tragst. Aber du mu?t schon wie eine Frau aussehen. Hast du mich verstanden?«