versetzte ihm den Gnadensto?. Die Wahnsinnsschreie der Menge hallten, tausendfach gebrochen, zwischen den Bogen und Pfeilern wider.
Doch genau in diesem Augenblick registrierte Aurelius' Gehor, das darauf trainiert war, selbst inmitten einer Schlacht ein Gerausch ganz genau von einem anderen zu unterscheiden, zu seiner Linken, von der Seite des Umkleideraums her, ein kleines Getummel. Aurelius schob sich dicht an der Wand entlang naher heran, um nachzusehen. Vier Manner hatten Vatrenus gefesselt und waren gerade dabei, ihn zu knebeln, wahrend seine Rustung und sein Helm einem anderen Gladiator von derselben Statur und derselben Gro?e angelegt wurden.
Das also war der Trick! Sie hatten bemerkt, da? Batiatus dem Mann, der diese Uniform trug, niemals todliche Sto?e versetzte und umgekehrt, und jetzt wollten sie ihn fur diese Tauschung bestrafen: Batiatus sollte von dem todlichen Hieb uberrumpelt werden, den ihm ein als Freund verkleideter Feind beibringen wurde, und so wurden die Wettenden eine gewaltige Summe gewinnen. Aurelius dankte in seinem Herzen den Gottern, die ihm dieses gro?artige Geschenk machten, und zog sich in eine Ecke zuruck, um geduldig abzuwarten. Er sah, wie sie Batiatus herausfuhrten. Er trug lediglich einen Lendenschurz, seine Muskeln glanzten vor Schwei?, und in den Handen hielt er nur einen kleinen runden Schild und einen gekrummten Degen. Bei seinem Erscheinen tobte die Menge, wahrend die Bediensteten den getoteten Gladiator wegtrugen. Hinter ihm zog der falsche Vatrenus in die Arena ein. Das war der Augenblick! Wie ein Blitz rannte Aurelius in den Umkleideraum und uberrumpelte die beiden Wachen: Dem ersten Mann schlug er mit einem einzigen Hieb den Kopf ab, und dem zweiten bohrte er seinen Dolch bis zum Griff in die Brust. Beide sackten in sich zusammen, ohne einen Mucks von sich zu geben.
»He, Vatrenus, ich bin's!« rief er, band seinen Freund los und entfernte den Knebel.
»Beim Herkules! Wo kommst du denn her? Los, Batiatus ist in Gefahr!«
»Ich wei?. Also ab mit uns!«
Sie sturzten nach drau?en, und Livia, die seit geraumer Zeit gro?e Angst ausgestanden hatte, weil sie Aurelius aus den Augen verloren hatte, hatte ihn wieder erspaht. Nun legte sie den Pfeil an, spannte die Sehne ihres Bogens und wartete schu?bereit ab.
Vatrenus und Aurelius bahnten sich ihren Weg durch die kreischende Menge und versuchten, in die vorderste Reihe zu gelangen. Batiatus kampfte gegen drei Gegner, aber es war klar, da? seine Hiebe mit gro?erer Wucht auf die beiden niedersausten, die er zu seinen Seiten hatte, als auf den, der vor ihm stand und der in jeder Hinsicht seinem Freund zu gleichen schien.
Aurelius und Vatrenus hatten sich gerade bis zum Kampfplatz vorgedrangt, als der falsche Vatrenus nach einer Reihe spektakularer, aber nicht sonderlich treffgenauer Hiebe, wie sie typisch sind fur ein vorgetauschtes Duell, plotzlich direkt auf Batiatus' Halsansatz zielte. In derselben Sekunde schrie der echte Vatrenus aus voller Kehle: »Batiatus, aufgepa?t!« Blitzartig schaltete der Riese, wich aus und entging so dem Tod, nicht aber einer Verwundung, die ihm die Haut auf der linken Schulter zerschnitt. Aurelius hatte unterdessen bereits das Absperrgitter niedergerissen und einen der beiden Gegner durchbohrt; Vatrenus schlug den anderen nieder. Batiatus, der seinen Freund erkannte, der jetzt mit unverhulltem Gesicht an seiner Seite stand, sturzte sich, sobald er die Fassung wiedergefunden hatte, auf Vatrenus' Doppelganger und machte ihm mit einem einzigen Schwertstreich den Garaus. Dann eilten alle drei mit gezuckten Waffen nach vorn, mitten durch die Menge, die noch gar nicht begriffen hatte, was da vor sich ging, und rannten zur Treppe.
»Hierher!« rief Aurelius. »Auf diese Seite! Schnell, schnell!« Ein entsetzlicher Tumult brach los. Die Leute rannten, von Angst gepackt, in alle Richtungen. Die Wachen setzten den dreien nach, aber da trat Livia auf den Plan: Die beiden ersten wurden mit todlicher Prazision durchbohrt - der eine in die Brust, der zweite mitten in die Stirn getroffen; ein dritter wurde wenige Schritte von der Rampe entfernt an den Boden genagelt. Den ubrigen Wachen, etwa zwanzig an der Zahl, gelang es, den Fu? der Treppe zu erreichen und die Verfolgung aufzunehmen; dabei brullten sie und losten Alarm aus. Oben erschien der Pfortner auf der Estrade, aber Livia, die sich flach gegen die Wand druckte, gab ihm von hinten einen solchen Sto?, da? er uber die Brustung flog. Sein Geheul endete erst hundert Fu? weiter unten, mit dem brutalen Aufprall auf dem Boden. Sie waren schon dem Ausgang nahe, als sich plotzlich die Tur von au?en schlo? und man das schnappende Gerausch von Riegeln horte. Da sich die Wachen bereits fast am oberen Ende der Treppe befanden, waren sie gezwungen, sich umzudrehen und sich mit ihnen einen Kampf zu liefern. Batiatus packte den ersten, der ihm in die Quere kam, schleuderte ihn wie einen Hampelmann auf die anderen und lie? sie so allesamt die Treppe hinuntcrpurzeln. Dann drehte er sich zur Tur und rief: »Zuruck!« Die Freunde sprangen zur Seite, und er sturzte sich wie ein Rammbock dagegen. Aus den Angeln gerissen, krachte die Tur zu Boden, und die drei Manner und Livia gelangten ins Freie. Eine der Wachen drau?en war unter der Tur zermalmt worden, ein anderer ergriff allein beim Anblick dieses schwarzen Damons, der aus einer Wolke von Schutt auftauchte, die Flucht.
»Hierher, mir nach, los!« rief Livia. Aber Aurelius wandte sich zum Schott der Wasserzufuhr und schrie: »Sie wollten ein Bad im Bassin, und jetzt werden sie es bekommen! Beim Herkules!«
»Dazu bleibt keine Zeit!« brullte Livia. »Los! Tempo!«
Aber Aurelius war bereits bei der Winde, Batiatus an seiner Seite. Das eingerostete Raderwerk klemmte, aber die Kraft des Giganten setzte es, nachdem es einen kurzen Ruck getan hatte, in Bewegung. Das Schott offnete sich, und das Wasser sturzte tosend wie ein Wasserfall in das Becken. Die verzweifelten Schreie der Menschenmenge drangen durch die schmale Offnung der oberen Tur wie ein Chor verdammter Seelen aus den Tiefen der Holle, aber schon eilten die beiden Freunde hinter Livia und Vatrenus her, die bereits den Hang hinunter zu den Pferden rannten.
Plotzlich horten sie hinter sich einen Schrei: »Wartet auf uns! Wir kommen mit euch!«
»Wer sind die denn?« fragte Aurelius und drehte sich um.
»Zwei Leidensgefahrten«, erwiderte Batiatus keuchend. »Weiter! Wir durfen keine Zeit verlieren!«
Aurelius und Livia erreichten ihre Pferde und fuhrten die anderen zu der Olmuhle am Rand eines Olivenhains, wo noch drei weitere Tiere auf sie warteten.
»Ich hatte nicht mit einer so zahlreichen Begleitung gerechnet. Die beiden leichtesten zusammen auf eines!« befahl Aurehus. »Batiatus, das ist deines!« Und er zeigte auf ein stammiges pannom-sches Ro? mit dunklem Deckhaar.
»Das will ich meinen!« rief Batiatus und sprang auf. Just in diesem Augenblick horte man eine Trompete, die gellend Alarm schlug.
»Los!« schrie Livia. »Nichts wie weg von hier! In wenigen Minuten sind sie uns auf den Fersen!«
Sie galoppierten durch den Olivenhain, bis sie zu einer in den Tuffstein gehauenen Grotte gelangten: ein Unterschlupf fur die Schafe, die nachts zwischen den Stoppeln weideten. Von dieser nicht einsehbaren Stelle aus beobachteten sie, wie sich die Gegend mit den Schatten von Reitern mit brennenden Fackeln fullte, die wie verruckt gewordene Sternschnuppen kreuz und quer durch die Dunkelheit jagten. Schon bald hallte jede Schlucht von ihren Schreien, wutenden Befehlen und Zurufen wider. Doch die alten Waffenbruder sahen und horten nichts. Au?er sich vor Freude, hielten sie sich in diesem Augenblick fest und voller Ruhrung in den Armen; sie erkannten sich im Dunklen wieder, auch ohne sich zu sehen - am Geruch, am Klang der vor Aufregung rauhen Stimmen, an der Festigkeit ihrer Muskeln, wie alte Bluthunde, die von einer nachtlichen Treibjagd zuruckkehren. Aurehanus Ambrosius Ventidius, Rufius Elius Vatrenus und Cornelius Batiatus, romische Soldaten, Romer, weil sie Rom die Treue geschworen hatten.
ZWEITER TEIL
XIII
Sie machten sich wieder auf den Weg und ritten im Galopp in Richtung Cumae, der alten, ruhmreichen griechischen Kolonie, die mittlerweile zu einem bescheidenen Fischerdorf herabgesunken war. Livia schien sich in dieser Gegend ziemlich gut auszukennen und bewegte sich im Halbdunkel der Nacht mit gro?er Geschwindigkeit und Sicherheit. Die Flucht von vier Sklaven, die Ermordung von einem halben Dutzend Wachen und der gewaltige Tumult in der Piscina Mirabilis hatten wohl einen unglaublichen Aufruhr zur Folge gehabt, so da? es ratsam war, so schnell wie moglich an einen sicheren Ort zu gelangen, auf den die Verfolger keinen Zugriff hatten. Zudem war Batiatus so hunenhaft, da? er uberall aufgefallen ware, und so waren sie gezwungen, eine Moglichkeit zu finden, die es ihm erlaubte, unbemerkt zu bleiben. Unterwegs war es am klugsten, um Herbergen, Wirtshauser und offentliche Platze einen gro?en Bogen zu machen. Ihr Ziel war die Totenstadt, wo Livia sie zu einer ihr bekannten