Als er unten ankam und auf der Ebene dahinlief, horte er Verkehrsgerausche, Lastfahrzeuge und schwere Maschinen. Hier tat sich allerhand. Was die Kerle nur machten?

Es dauerte nicht lange, bis er eine Stra?e erreichte. Die Lichter erhellten sie in geisterhaft blassem Orangerot; kleine, kugelformige Lampen im Boden, offenbar, um die Stra?enbegrenzung anzuzeigen.

Als er an der Stra?e stehenblieb, naherte sich ein Fahrzeug. Er sah sofort, wozu man die Begrenzungslampen brauchte. Nicht nur war das Ding gigantisch gro?, es kam auch mit ungeheurer Geschwindigkeit auf ihn zu. Binnen weniger Sekunden war es heran und vorbeigebraust. Er sah den Fahrer, obwohl der Wahnsinnige den Blick nie von den Begrenzungslichtern abwandte. Das Fahrzeug selbst war ein riesiger Schaufelbagger gewesen, der enorme Mengen Erde fassen und wegbefordern konnte. Ubergro?e Unterschiede zu ahnlichen Maschinen anderer Rassen bestanden nicht. Der Fahrer hatte ihm aber den ersten richtigen Blick auf seine neue Rasse ermoglicht.

Zentauroid, gewi?, aber zweibeinig, das Gesicht eine knochige Damonenmaske mit spitzen Hornern, die Augen Teiche von dunklen, gluhendem Rot ohne Pupillen. Sie glichen den Damonen der Chugach-Mythologie, Wesen, wie sein eigentliches Volk sie in den finsteren Legenden benutzt hatte, um Kinder und leichtglaubige Erwachsene zu Tode zu erschrecken.

Er horte in der Nahe ein Rascheln. Erschrocken fuhr er herum und entdeckte eine kleine Echse, die ihn nervos anstarrte. Das Wesen erstarrte, sah, da? es bemerkt worden war, und blickte ihn hoffnungsvoll an.

»Cherk?«tonte es mit hoher, quietschender Stimme.

»Da verstehst du soviel wie ich«, sagte er. Das Wesen schien sich damit zufriedenzugeben und huschte davon. Von dieser Sorte war also nichts zu befurchten.

Er wandte sich wieder der Stra?e zu und versuchte zu entscheiden, was er tun sollte. Am liebsten ware ihm gewesen, wenn man ihn bemerkt und mitgenommen hatte, aber bei der Geschwindigkeit, die man hier bevorzugte, war das recht unsicher. Der Blick des Fahrers verriet genug. Es brachte nichts ein, von einem Lastfahrzeug uberrollt zu werden, bevor er auch nur guten Tag gesagt hatte.

Er begann, entlang der Stra?e weiterzugehen, in der Richtung, die von den Bergen wegfuhrte. Das mochte ein Fehler sein, wie er wu?te, da der Fahrer genau in die andere Richtung gefahren war. Allerdings gab es wenig Hinweise darauf, wo diese Leute tagsuber blieben oder weshalb sie trotz des bei Tage scharfen Sehvermogens Nachtwesen waren.

Ein zweites Fahrzeug drohnte an ihm vorbei, diesmal aus der anderen Richtung, kein Bagger, sondern ein riesiger Lastwagen, gefullt mit Kies oder Sand oder Asche. Dieser Fahrer bemerkte ihn ebenfalls nicht.

Er blieb stehen. Asche! Naturlich! Die gigantischen Vulkane brachen wohl oft aus, aber die trage, klumpige Spritzlava, die er gesehen hatte, deutete darauf hin, da? sie fur die Bewohner auf den Ebenen vermutlich nicht gefahrlich waren. Das Problem mu?te die Asche sein — Schichten davon, manchmal meterdick. Selbst wenn die Ausbruche nur alle ein, zwei Jahre stattfanden, wurde man immer wieder neu aufbauen mussen. Nach einiger Zeit hatten die Einheimischen sich diese Muhe wahrscheinlich nicht mehr gemacht, sondern dauerhafte Bauwerke unter dem Boden errichtet, im solidesten Grundgestein, das sie finden konnten. Mit hochentwickelter Technologie war das nicht schwer. Nur in Meeresnahe, von den Vulkanen am weitesten entfernt, vermutlich mit einer ausgezeichneten, unregelma?igen Kuste vulkanischen Ursprungs, die Tiefwasserhafen bot, wurden sie uber dem Boden leben.

Er fragte sich beilaufig, wie sie mit seismischen Beben zurechtkamen, entschied aber, da? sie sehr viel Zeit gehabt hatten, sich darauf einzurichten. Es mochte durchaus gerade einen Ausbruch gegeben haben — sie wurden die Asche abtransportieren, abraumen und neu aufbauen. Das konnte auch durchaus ihr Haupt-Exportgut sein, weil Vulkanasche der mineralreichste Humus war, den es gab. Mineralarme und verbrauchte Sechsecke wurden fur standige Belieferung bezahlen, was verlangt wurde.

Er begann sich wohler zu fuhlen. Noch bevor er einen dieser Leute getroffen oder mit ihm gesprochen hatte, war ihm, als seien ihm die Bewohner schon vertraut.

Er war noch in solche Uberlegungen vertieft, als funf kleine, schlittenartige Luftkissenfahrzeuge auf ihn zufegten. Auf jedem sa? ein einzelner Fahrer, ein Damonenprinz der Chugach-Legende, und alle hielten unmittelbar vor ihm. Er war beinahe umzingelt. Er starrte in ihre Gesichter und spurte, wie sich Kindheitsangste regten. Er unterdruckte sie, so gut er konnte, und nahm seinen ganzen Mut zusammen.

Alle funf trugen amtlich aussehende, lederahnliche Jacken und Halfter. Leer. Die Pistolen waren alle gezuckt und auf ihn gerichtet.

Seltsamerweise wurde ihm wohler dabei. Er war bemerkt worden — wahrscheinlich von einem der Lastwagenfahrer — und stand jetzt der Ortspolizei gegenuber.

Brazil hatte ihm erklart, da? er die Landessprache automatisch beherrschen wurde, so da? er nicht zogerte. Er streckte langsam die Hande aus, mit den Innenflachen nach au?en, um zu zeigen, da? er keine Waffe trug.

»Na schon, ihr habt mich erwischt«, sagte er lassig. »Ich bin ein Neuzugang, so nennt ihr das, glaube ich. Der neue Mann hier. Bringt mich zu eurem Fuhrer oder meinem Fuhrer oder dergleichen.«

Sie blieben einen Augenblick auf ihren seltsamen, kleinen Schlitten sitzen und starrten ihn mit ausdruckslosen Damonengesichtern an, die Pistolen im Anschlag. Schlie?lich zischte einer, der mehr Knopfe an der Jacke hatte als die anderen, mit leiser, bosartiger Stimme:»Gut! Los! Geh schon!«

»Wie Sie wollen«, sagte Marquoz entgegenkommend und setzte sich in Bewegung. Sie folgten ihm wortlos, ohne die Pistolen einzustecken.

* * *

Sie gingen einige Kilometer weit. Marquoz hatte Hunger und Durst, aber seine Bewacher boten weder Rast noch Nahrung noch Gesprach. Dieser Kultur gegenuber war er seiner Sache nicht mehr so sicher wie vorher, aber er wu?te, da? er diese funf nicht mochte.

Seine erste Vermutung daruber, wo die Leute seien, erwies sich jedoch als richtig. Sie erreichten eine Kreuzung, und er konnte dort kreuzformige Platten sehen. Als sie naher kamen, sank eine der Platten hinunter und bildete eine abwarts fuhrende Rampe unter der anderen Stra?e. Er hoffte nur, da? alles gut automatisiert war, so, wie die Leute hier rasten.

Die Stra?en der Oberflache gab es unten in erneuter Ausfuhrung, obwohl er ziemlich weit bergab gehen mu?te, bevor sie die Wohnetagen erreichten. Dort gab es indessen an jedem Tunnelweg Flie?bander. Er fuhr darauf weiter, wahrend seine Eskorte auf der Stra?e blieb. Er wu?te allerdings, da? Augen und Waffen auf ihn gerichtet blieben. Immerhin war das einfacher; er stand still, und die Arbeit wurde von Maschinen verrichtet. So hatten die Gotter es nach seiner Meinung auch vorgesehen.

Plotzlich verschwanden die Mauern, und er sah sich auf einer Brucke uber einer riesigen Hohle, einer der gro?ten, die er je gesehen hatte. Unter ihm lag eine Stadt, eine erstaunlich schone Stadt, leuchtend durch die vielen farbigen Lichter. Tausende von Leuten fuhren auf dem verzweigten Netz von Flie?bandern unter ihm. Ab und zu erreichten Marquoz und seine Begleiter eine Plattform mit Nebengleis, wo ein Lastwagen ent- oder belud, was nach gro?en Forderwerken aussah. Es gab keine Schachte; die gro?en Wurfel schienen einfach auf- und abzuschweben. Vermutlich Magnetkraft, dachte er.

Er war stehengeblieben, um sich das anzusehen, was seine Bewacher argerte.

»Weiter!«zischte ihn der Anfuhrer an.

Er trat wieder auf das Gleitband und fuhr weiter.

»Verzeihung«, sagte er. »Das war eben sehr schon — und ganz unerwartet.«Das schien zu besanftigen und zu erfreuen; danach wirkten sie nicht ganz so bissig. Besonders helle konnten sie nicht sein, wie ihm schien. Sie waren ein paar Meter weitergefahren, bevor sie begriffen hatten, da? er stehengeblieben war. Mit etwas mehr Erfahrung im Umgang mit ihnen hatte er leicht entwischen konnen.

Es gab aber zahllose Arten von Uniformen. Jede Menge Uniformen und Symbole, die wohl Rangabzeichen darstellten. Eigentlich komisch. Das Ganze sah aus wie die Karikatur eines Militarstaates, fur jemand mit seinen Talenten, seiner Vergangenheit und Erfahrung geradezu ideal.

Sie erreichten endlich den Ort, wo sie hinwollten, einen gro?en Aufzug mit Anschlu?stra?e.

»Einsteigen!«befahl der Anfuhrer. »Unten wirst du erwartet.«

Er nickte zerstreut und stieg ein. Es ging schnell hinab; die Fahrt war faszinierend. Die Ruckseite des Wurfels war durchsichtig und gestattete ihm freien Blick auf die Stadt. Abwesend registrierte er das kleine Gerat in einer Ecke der Decke, bei dem es sich um eine Art Kamera handeln mu?te. Er hatte sie uberall bemerkt. Ganz

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