Jack L. Chalker

Dammerung auf der Sechseck-Welt

Zone Sud, Sechseck-Welt

»Ein Trupp Morvath meldet, da? er eben eindeutig Nathan Brazil getotet hat«, sagte Czillaner mude. Er lie? die Gliedma?en hangen, und der kurbisartige Kopf erweckte ebenfalls den Eindruck der Erschopfung.

Serge Ortega seufzte.

»Wie viele sind das heute?«

»Siebenundzwanzig«, antwortete das Pflanzenwesen. »Und es ist noch fruh am Tag.«

Ortega lie? sich auf seinen dicken Schlangenschwanz zurucksinken und schuttelte den Kopf.

»Aber man mu? das Geniale daran bewundern. Er wu?te, da? der Rat der Sechseck-Welt es nie wagen konnte, ihn wieder hereinzulassen. Also bringt er Chirurgen auf einer Kom-Welt dazu, einen ganzen Haufen von Leuten auf ungefahr seine Gro?e und Figur umzubauen, und schickt diese hindurch. Mu? man ihn bewundern. Man mu? auch den Schneid der Leute bewundern, die so etwas mit sich machen lassen — au?er, sie sind verdammt naiv oder armselige Dummkopfe.«

Die rankenartigen Fuhler des Czillaners ahmten ein sehr menschlich wirkendes Achselzucken nach.

»Egal. Was bringt ihm das ein? Wir toten trotzdem jeden, der durchkommt — und wir wissen, da? er ganz ahnlich den Fotos durchkommen mu?, die wir von ihm haben. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, in irgendeiner Maske durchzuwischen, steht fest, da? er in Ambreza auftauchen mu? — und dieses Sechseck ist ein Militarlager mit zahllosen Aufpassern. Wie sollte jemand von bekanntem Aussehen, nackt, der Maske beraubt, jemals hoffen konnen, ihnen zu entgehen?«

»Sie kennen Brazil nicht«, gab Ortega zuruck. »Aber ich. Horen Sie jetzt mal auf, wie ein Computer zu denken, und denken Sie lieber wie ein Pirat. Nate ist ein verschlagener, raffinierter Pirat — in seiner Denkweise mir fast gleich. Schlau, Grumma. Wirklich schlau. Er versteht uns, die Art, wie wir denken, die Art, wie wir reagieren — denken Sie blo? daran, wie muhelos er sich ausgerechnet hat, da? er das ganze Theater inszenieren mu?te, um sich einzuschleichen. Naturlich ist ihm vollig klar, da? wir mit seinem Auftauchen rechnen und ihm eine Falle zu stellen versuchen. Wenn Sie bei der Ausfuhrung seines Planes so weit vorausdenken wurden und Ihnen die Grenzen bekannt waren, wann wurden Sie auf der Sechseck-Welt erscheinen?«

Der Czillaner dachte kurz nach.

»Das kann ich nicht sagen. Vielleicht wurde ich warten, bis wir es so grundlich satt hatten, Imitationen umzubringen, da? wir damit aufhoren?«

Ortega schuttelte entschieden den Kopf.

»Niemals. Zu riskant. Die Kommunikation zwischen Sechseck-Welt und dem Rest des Universums ist absolut einseitig. Er konnte nicht erfahren, wann wir diesen Punkt erreichen — oder ob es jemals dazu kommt. Nein. Es sieht Nate nicht ahnlich, diese Art von Risiko einzugehen, wenn das Unternehmen so wichtig ist.«

»Wann dann?« Der Czillaner war neugierig. Aus einem Hexagon stammend, dessen Gesellschaftssystem einer Riesen-Universitat glich, war das Wesen mit den ausgefallensten Wissensgebieten vertraut, aber es hatte ein behutetes Leben gefuhrt, und diese Art von Um-die-Ecke-Denken lag au?erhalb seiner Erfahrung.

»Ich denke immer wieder an die anderen, an diejenigen, die zuerst gekommen sind«, sagte Ortega zu Grumma. »Na schon, man schickt zuerst seine wichtigsten Leute, damit sie hineingelangen. Das ergibt Sinn. Wenn wir vor der Zeit gewu?t hatten, da? in diesem Ma?stab etwas im Gange ist, hatten wir den Plan schon da zum Scheitern gebracht. Und die Tschang — warum ist sie hier wirklich vorbeigekommen, um mich zu sehen? Um der alten Zeiten willen? Sie hat mehr Grunde, mich umzubringen, als irgendein anderes Wesen — und sie ist noch dazu von meiner Art. Das war auch nicht mu?ige Neugier. Das Risiko, ich konnte Lunte riechen, war zu gro?. Nein. Warum herkommen, sich vorstellen und mir erklaren, da sei eine gro?e Verschworung im Gange und Brazil werde zuruckkommen?«

Der Czillaner war geduldig, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.

»Also schon. Warum?«

Ortega lachelte bewundernd.

»Mir ist das erst heute fruh aufgegangen, und ich konnte mit dem Schadel gegen eine Wand fahren, weil ich das nicht fruher gesehen habe. Sie hat das aus mehrerlei Grunden getan. Erstens horte sie mich daruber aus, wie ich zu dem Ganzen stehen mochte, und machte sich einen Begriff davon, welchen Einflu? ich hier noch habe. Zweitens sorgte sie dafur, da? diese Art von Unternehmen — eine Jagd auf Brazil — stattfinden wurde.«

»Aber das mu?te Brazils Untergang bedeuten«, warf der Czillaner ein.

Das schiefe Grinsen wurde breiter.

»Nicht, wenn Nathan Brazil schon hier war, vor allen anderen. Wir mu?ten so viel Zeit mit der Jagd nach ihm vergeuden, da? wir ihn in Ambreza nicht suchen wurden, bis es zu spat war. Wollen wir wetten?«

»Haben Sie irgendeinen Beweis dafur?« fragte der Czillaner skeptisch.

»Das uralte Muschelspiel«, fuhr der Schlangenmann fort, nur zum Teil auf die Frage eingehend. »Man nimmt drei Muscheln, legt unter eine ein Steinchen, dann schiebt man sie so durcheinander, da? man das Opfer verwirrt. Der Tolpel glaubt, er sieht die Muschel mit dem Steinchen nach rechts wandern, aber das ist Tauschung. Das Steinchen bleibt in der Mitte. So war es diesmal auch. Zuerst wischte das Steinchen — also Brazil — herein, und wir sa?en da und sahen zu, wie die leeren Muscheln verschoben wurden.«

»Aber haben Sie einen Beweis dafur?« fragte der Czillaner beharrlich.

Buschige Brauen stiegen hoch.

»Beweis? Versteht sich. Als ich begriff, da? ich geleimt worden war, fiel es nicht mehr schwer.« Ortega griff uber seinen U-formigen Schreibtisch und druckte mit der unteren rechten Hand auf eine Reihe von Knopfen an einer kleinen Steuertafel. An der Ruckwand des Raumes leuchtete ein Bildschirm auf und zeigte eine Standaufnahme der gro?en Schachttor-Kammer, durch die alle kamen, die in die Teleport-Tore der langst ausgestorbenen Markovier fielen. Es gab dort Kameras, seitdem man denken konnte, so da? niemand hereinkommen konnte, ohne gesehen zu werden, damit man ihn mit der Sechseck-Welt bekannt und vertraut zu machen vermochte.

Bilder zuckten uber den Schirm: fremdartige Erscheinungen von zwanzig und mehr verschiedenen Welten, die nichts gemeinsam hatten als ihre auf Kohlenstoff beruhende Grundstruktur. Nicht auf Kohlenstoff beruhendes Leben gelangte automatisch in die Zone Nord.

»Wir gehen zuruck«, sagte Ortega zu dem anderen Geschopf. »Ruckwarts von dem Punkt, als Chang und ihre Freunde durchkamen.«

»Wie weit sind wir jetzt zuruckgegangen?« fragte das Pflanzenwesen, wahrend es das Bild einer Spindelform, scheinbar ohne Kopf, Schwanz oder Gliedma?en, betrachtete.

»Drei Wochen. Ich bin noch weiter zuruckgegangen. Da! Das ist es, was ich gesucht habe!« Einer von Ortegas sechs Armen zuckte hinaus und druckte auf einen Knopf. Das Bild erstarrte. »Das, mein Freund, ist Nathan Brazil«, sagte er entschieden.

Der Czillaner ri? die Augen auf. Die Gestalt auf dem Bildschirm war klein und geschmeidig, aber keineswegs die Art von Wesen, wie Brazil es nach Grummas Wissen war. Ein humanoider Rumpf in dunklem Blau lief in behaarten Ziegenbeinen aus; das Satyrgesicht blickte aus dunkelblauen Haaren und einem Vollbart heraus; auf dem Kopf ragten zwei kleine Horner empor.

»Das ist kein Typ 41«, stellte der Czillaner fest. »Das ist ein 341 — ein Agitar.«

Ortega lachte leise in sich hinein.

»Nein, ist er nicht. O gewi?, er sieht so aus, aber das ist der Sinn. Eine sehr gut gelungene Maske, auch wenn ich das selber sage, aber Nate hat vermutlich die besten Ausruster in der Branche herangezogen. Die Maske ist so perfekt, da? sie den Agitar-Botschafter hier nach meiner festen Meinung auch

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