auch nur auf vernunftige Weise zu bekampfen. Strahlungsformen, die todlich nur fur uns sind, Gifte dieser Art, und so weiter. Wir vermieten Leute von uns als Soldner, Wachen — sogar als Piraten — und dergleichen mehr an andere, aber das System hat uns an der Gurgel. Wir sind zu vernunftig, um bis zur Ausrottung zu kampfen oder vielleicht einen Krieg zu fuhren, wenn uberhaupt nichts zu gewinnen ist, weil wir nicht halten konnen, was wir erobern. Nach einiger Zeit bricht also das System, das wir schaffen, um die Dinge hier zusammenzuhalten, naturlicherweise zusammen. Jedes System wurde das tun. Burgerkrieg, Anarchie, ein Ruckfall in die Barbarei, wenn alle Hemmungen fallen. Die Zivilisation wird zerstort und mu? neu aufgebaut werden. Bei uns hier sagt man, jedes Gesellschaftssystem halte im Durchschnitt zweitausend Jahre lang, und wir befinden uns jetzt in der Mitte einer solchen Periode. Sie konnen sich nicht vorstellen, wie heftig diese gesellschaftlichen Zusammenbruche sein konnen. Und wir auch nicht. Sie sind zuletzt so schlimm, da? vom vorherigen Zeitalter fast nichts ubrigbleibt als verfallende Ruinen und einige andere Uberreste.«

Marquoz nickte. Er konnte sich vorstellen, wie diese Wesen sich in einem totalen Krieg verhalten wurden, in dem keine Gnade gewahrt oder erwartet wurde und Kapitulation undenkbar war. Ein Wunder, da? uberhaupt noch jemand ubrig ist, dachte er. Aber nein, solange ein einziges Paar ubrigblieb, Mann und Frau, wurde der Schacht die Bevolkerung langsam wieder aufbauen; so hatte er das System jedenfalls begriffen. Dieser Gedanke war aber beunruhigend. Eine Verwustung, wie der Hochste Lord sie andeutete, wies darauf hin, da? solche Kriege buchstablich Kriege des volkischen Selbstmords waren; vermutlich waren es nur jene, die sich au?erhalb von Hex und Heimat befanden, die zuruckkehrten und neu aufbauten. Die Sackgasse, dachte er duster. Die Ubriggebliebenen vom markovischen Traum in der ewigen Wiederholung von Aufstieg und Untergang der Zivilisation. Verdammt deprimierend, eigentlich.

»Ich kann das Interesse Eurer Lordschaft an mir verstehen«, sagte er bedachtig. »Ich tauche hier aus dem Nichts auf, Neuzugang oder Exilant, ganz gleich, aber ohne eines der psychologischen Probleme oder die Bestrebungen, die Sie kennen. Sie vermuten, da? ich derjenige bin, der Sie beseitigen soll — ja?«

Der Hochste Lord hob die Schultern ein wenig.

»Sind Sie es?«

Marquoz seufzte.

»Nein… nein, Euer Lordschaft, keineswegs. Das letzte, was ich will, ist Ihr Posten. Das mag unter diesen Umstanden schwer zu glauben sein, aber Sie sind ein sehr kluger Mann, sonst waren Sie nicht da, wo Sie sind. Ich bin sicher, Ihre Lugendetektoren teilen Ihnen jetzt mit, da? ich aufrichtig bin.«

Der andere warf ihm einen Blick widerwilliger Bewunderung zu.

»Ein schlauer Bursche, wie? Aber bei einem Psychopathen ware das Ergebnis dasselbe.«

»Euer Lordschaft, gebrauchen Sie jetzt die Lugendetektoren und glauben Sie mir, was ich sage. Innerhalb von wenigen Wochen, wenn es nicht schon angefangen hat, werden Sie mit Neuzugangen uberflutet werden, und keiner davon wird typisch sein. Und ich meine nicht zehn, zwanzig oder hundert. Ich meine so viele, da? Ihre Bevolkerung sich rasch verdoppeln wird. Verdoppeln

Die rot leuchtenden, hohlen Augen der Projektion richteten sich auf einen Punkt au?erhalb des Bildes, so, als prufe sie etwas nach — auf einem Diagramm-Gerat wohl, vermutete Marquoz.

»Hakazit konnte sie nicht alle aufnehmen«, sagte der Hochste Lord mit dunner, sorgenvoller Stimme. »Wir wurden sie toten mussen.«

»So leicht werden sie nicht zu toten sein«, warnte Marquoz. »Und au?erdem kommen sie nicht her, um Ihnen Haus, und Hof wegzunehmen. Sie kommen her, um eine Aufgabe zu erfullen und eine vorgegebene Funktion zu ubernehmen.« Er erklarte rasch die Zusammenhange mit Brazil und dem Schacht der Seelen; da? dieser beschadigt sei und repariert werden musse.

»Was bieten Sie an?« fragte der Hochste Lord argwohnisch.

»Einen Kampf. Einen kompletten Krieg. Einen Krieg, der von Stellvertretern, ausgebildet von Ihren Leuten, oder von einer Kombination aus beiden ausgefochten werden konnte. Ein Ventil fur diese ganze Aggression, fur diese angestaute Zivilisation. Und naturlich auf der Siegerseite, sollte Brazil in den Schacht gelangen. Und er wird es schaffen, verlassen Sie sich darauf. Ob ich sterbe, ob Hakazit sich auf meine Seite schlagt oder gegen uns antritt, was auch sein mag, er wird Sieger bleiben. Und sobald er im Schacht ist, konnte er auf die Situation, in der Sie sich befinden, einwirken. Uberlegen Sie das auch von einem anderen Blickwinkel aus. Dieses Ventil, diese Erlosung — das wird unglaublich popular sein. Sie haben ein Volk, das den Krieg liebt und keinen hat. Jetzt wird es einen bekommen, und Absichten und Ziele dafur. Das konnte das Ventil sein, das Ihnen fehlt, konnte den Zusammenbruch um viele tausend Jahre hinausschieben — vielleicht so lange, da? diesmal ein bestandigeres System ausgearbeitet werden kann. Und Sie werden uberdies ein Held sein, weil Sie das dem Volk gegeben haben. Wie lange sind Sie schon Hochster Lord?«

Der Fuhrer uberlegte.

»Wie? Ach, knapp uber drei Jahre.«

»Mochten Sie nicht weitermachen und vielleicht den Rekord uberbieten? Mann, selbst wenn der Drang durch den Krieg nicht nachla?t, bedenken Sie folgendes: Ihre gefahrlichsten Gegner werden bei Planung und Fuhrung dieses Unternehmens im Vordergrund stehen — nicht nur zu beschaftigt, um ernsthaft gegen Sie vorzugehen, sondern ganz vorne an der Spitze, wo Sie sehen konnen, wer wirklich eine Chance hat.«

»Das Volk… es wird darauf langsam vorbereitet werden mussen, wie Ihnen klar sein mu?«, murmelte der Hakazit-Fuhrer. »Das Ganze mu? sorgfaltig geplant und aufgebaut werden.«

Marquoz nickte.

»Deshalb bin ich hierher, ausdrucklich hierher nach Hakazit, geschickt worden«, erklarte er dem anderen, als er zum erstenmal selbst die Wahrheit begriff. »Ah, sagen Sie, Sie haben naturlich eine Geheimpolizei?«

»Eine sehr gute«, bestatigte der Hochste Lord stolz.

»Aha. Und wie kommt man an die Spitze dieser Organisation?«

Der Fuhrer wirkte ein wenig verlegen.

»Nun ja… wissen Sie…«

»Oh«, entfuhr es Marquoz. »Ihr Chef der Geheimpolizei hort doch nicht auch diesen Raum ab, oder?«

Der Hochste Lord wirkte entsetzt.

»Naturlich nicht! Nur ich bestimme hier. Der Beweis dafur ist, da? ich noch da bin.«

Das erschien Marquoz plausibel.

»Hmmmm… dieser Chef, ist er an sich ein netter Bursche? Liebevolles Eheweib und Kinderchen?«

»General Yutz? Ha!« gluckste der Diktator. »Er ist ein niedertrachtiger Dreckskerl, der niedertrachtigste, den ich je gesehen habe. Seine letzte Ehefrau und seinen altesten Sohn hat er erdrosselt, weil er glaubte, sie planten etwas gegen ihn.«

»Freut mich aber sehr, das zu horen«, erwiderte Marquoz aufrichtig. »Ich hatte sonst Schuldgefuhle, wenn ich ihn beseitige.«

Der Fuhrer sah ihn erstaunt an.

»Beseitigen? Leichter gesagt als getan, mein Freund.«

Marquoz lachte trocken in sich hinein.

»Ach, horen Sie, Euer Lordschaft, wenn Sie ihn nicht jederzeit, sobald Sie Lust dazu hatten, toten konnten, hatte er inzwischen schon Ihren Posten. Sein Tod sollte leicht zu arrangieren sein.«

Der Hochste Lord von Hakazit sah Marquoz an, als sahe er ihn zum erstenmal, und schuttelte mit unverhullter Bewunderung und Faszination den Kopf.

»Wissen Sie, Marquoz«, sagte er nach einer Pause, »ich glaube, das konnte der Anfang einer wunderschonen Freundschaft sein.«

»Konnte sein, Euer Lordschaft«, erwiderte Marquoz und erzwang auf seinem steifen, grimmigen Gesicht ein schwaches Lacheln. »Konnte durchaus sein. Ich wurde viel lieber mit Ihnen zusammenarbeiten, als Sie sturzen. Dadurch wird meine Arbeit viel angenehmer.«

Sehr viel angenehmer, dachte er fur sich, und auch viel leichter. Viel leichter als bei dem Alternativplan, der vorgesehen hatte, das ganze verdammte System aus den Angeln zu heben.

»Das machen wir«, sagte der Hochste Lord schlie?lich.

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