Flammenwerfer.«
»Klasse! Lass ihn uns ausprobieren!«
»Lieber nicht. Wir sollen keine Aufmerksamkeit erregen, schon vergessen? Warte, bis wir eine Politesse sehen. Oder einen Stra?enpantomimen.«
Es war ein merkwurdiges Gefuhl, wieder in London zu sein und durch die vertrauten Stra?en zu fahren, nachdem so viel passiert war. Die Stra?en sahen noch genauso aus, und ohne Zweifel lebten die Menschen ihr alltagliches Leben weiter, als ob sich nichts geandert hatte. Aber es hatte sich alles geandert. Jetzt, wo die Familie weg vom Fenster war, war die ganze Welt fur jeden zu haben, auch wenn es noch niemand wusste. Meine Familie leitete die Welt nicht mehr, und der einzige Grund, weshalb die Welt sich noch nicht zerfleischte, um das neue Machtvakuum auszufullen, war - dass alle ma?geblichen Machte darauf warteten, dass die anderen losschlugen.
»Warum fahren wir nochmal in deine alte Wohnung?«, fragte Molly.
»Das hab ich dir doch schon gesagt. Und wenn du noch ein Mal
»Dieses Auto hat keinen Schleudersitz!«
»Es konnte einen haben. Das wei?t du nicht.«
»Rede mit mir, Eddie! Du erzahlst mir nie, was du denkst!«
»Hey, ich bin an dieses ganze Beziehungskistending nicht gewohnt, okay? Wenn du als Frontagent arbeitest, lernst du ziemlich schnell, dass du niemandem vertrauen kannst.«
»Nicht einmal denjenigen, die dir nahe stehen?«, fragte Molly und betrachtete mich ernst mit ihren gro?en dunklen Augen.
»Denen ganz besonders nicht. Bei einem Feind wei?t du immer, woran du bist; verraten konnen dich nur Freunde und Menschen, die du liebst.« Ich holte tief Luft und starrte durch die Windschutzscheibe. »Falls ich die Familie fuhren werde - und es sieht so aus, als bliebe mir keine andere Wahl, weil sonst niemand da ist -, dann muss ich im Herrenhaus wohnen. Und sei es auch nur, weil es immer noch viel zu viele Familienmitglieder gibt, denen ich nicht gefahrlos den Rucken zuwenden kann. Die Wahrheit mag befreiend sein, aber niemand hat behauptet, dass man dafur dankbar sein muss. Ich muss Herr der Lage sein. Aber wenn ich schon wieder in diesem zugigen alten Gebaudekomplex leben muss, dann will ich einige meiner Lieblingssachen bei mir haben. Nur ein paar Sachen, die mir wichtig sind, damit sich das Herrenhaus wenigstens wie ein Zuhause anfuhlt.«
»Hang dich nie an Besitztumer!«, sagte Molly energisch. »Das sind nur Gegenstande, und Gegenstande kann man immer kriegen.«
»Du hast keinen einzigen sentimentalen Knochen im Korper, was?«
»Hatte ich einen, wurde ich ihn mir operativ entfernen lassen. Ich sehe immer nach vorn und nie zuruck.«
»Nun ja«, meinte ich. »Aber du lebst ja auch in einem Wald. Was wurdest du denn ins Herrenhaus mitnehmen? Deinen Lieblingsbaum?«
»Du vergisst, Eddie, dass ich eine Hexe bin! Ich konnte mich dafur entscheiden, den ganzen Wald mitzubringen.«
Ich beschloss, das Thema zu wechseln, bevor sie sich in die Idee verrannte. Bei Hexen kann man nie wissen.
»Und«, sagte ich so beilaufig, wie ich konnte, »wie kommst du mit der Familie zurecht? Wirst du von allen anstandig behandelt? Was haltst du von den machtigen und mysteriosen Droods, jetzt, wo du die Moglichkeit gehabt hast, uns personlich und aus der Nahe zu erleben?«
»Schwer zu sagen«, meinte Molly. Die Musik hatte aufgehort; ich hatte die Geschwindigkeit gedrosselt, und auf einmal schien es sehr still im Bentley zu sein. Molly forderte eine kleine, silberne Schnupftabakdose aus der Luft zutage, schnupfte eine Prise von etwas Grunem und Leuchtendem, nieste unordentlich und lie? die Dose wieder verschwinden. »Die meisten aus deiner Familie sprechen nicht mit mir. Entweder, weil sie denken, ich hatte dich auf Abwege gebracht, oder weil ich in der Vergangenheit so viele Plane deiner Familie vereitelt habe. Dabei habe ich doch gar nicht so wahnsinnig viele von euren Leuten getotet! Sie mussen daruber hinwegkommen und nach vorn blicken - damals war damals, und heute ist heute. Na schon, dann habe ich fruher halt die schwarzen Kunste praktiziert, Aufruhr verbreitet, Aliens entfuhrt und Vieh verstummelt; ich war eben jung! Ich musste mich austoben! Das ist doch kein Grund, schreiend wegzulaufen, wenn ich mich nur mit den Leuten unterhalten will!«
»Sie kennen dich eben nicht so gut wie ich«, sagte ich beruhigend. »Hast du denn gar keine Freundschaften geschlossen?«
»Dein Onkel Jack ist in Ordnung«, raumte Molly widerstrebend ein. »Aber er hat immer in der Waffenkammer zu tun. Und Jacob ist ein guter Gesellschafter. Fur einen Geist. Und ein alter Lustmolch! Aber abgesehen von den beiden gibt es nur kalte Schultern und gehassige, anzugliche Bemerkungen gerade noch in Horweite. Ein paar davon waren echt richtig unfreundlich.«
Ich nahm die Augen gerade lange genug von der Stra?e, um ihr einen wirklich ernsten Blick zuzuwerfen. »Bitte sag mir, dass du sie nicht getotet hast!«
»Naturlich nicht! Ich habe sie in Sachen verwandelt.«
»Was fur … Sachen?«
Molly lachelte reizend. »Erinnerst du dich noch daran, wie wir letzte Woche Fasan zu essen hatten und du bemerktest, dass eigentlich gar keine Jagdzeit dafur ist?«
Ich umklammerte das Lenkrad so fest, dass meine Fingerknochel wei? wurden. »O mein Gott! Du hast doch nicht -«
»Selbstverstandlich habe ich nicht! Entspann dich, Eddie! Du kannst manchmal so naiv sein! Ich habe sie blo? alle in Kroten verwandelt und sie fur eine Weile im Steingarten ausgesetzt, um ihnen Gelegenheit zum Nachdenken zu geben. Es geht ihnen wieder gut. Bis auf eine leichte Neigung, nach vorbeikommenden Fliegen zu schnappen.«
Ich seufzte schwer. Mir schien, als tate ich das viel ofter, seit Molly in mein Leben getreten war.
»Falls es dir ein Trost ist: Die meisten Familienmitglieder sind mit mir auch nicht warm geworden«, gestand ich ihr.
»Sie respektieren dich«, sagte Molly.
»Nur weil sie Angst vor mir haben. Ich habe ihr kostbares Herz vernichtet, den Ursprung ihrer wunderbaren goldenen Rustung. Der einen Sache, die sie zu etwas Besserem als alle anderen machte. Ich habe bewiesen, dass das Herz bose und die Rustung eine Scheu?lichkeit war, aber noch mehr hassen sie mich dafur, dass ich sie gezwungen habe, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Dass wir nicht die Guten sind und es auch seit Jahrhunderten schon nicht mehr gewesen sind. Obendrein fuhlen sich jetzt alle hilflos und verwundbar ohne ihre Rustung, wehrlos angesichts der zahlreichen Feinde der Familie.«
»Du hast ihnen doch neue silberne Torques versprochen, neue Rustungen. Alle applaudierten und jubelten dir zu! So war es, ich war dabei.«
»Die Begeisterung des Augenblicks. Nein, falls ich die Familie fuhren werde, muss ich es von der Front aus tun. Ich muss sie dazu beflugeln, wieder gro?artig zu sein; muss mich mit Taten beweisen, nicht blo? mit Worten und guten Absichten. Ich muss beweisen, dass ich wurdig bin, die Familie zu fuhren!«
»Es deiner Familie beweisen«, fragte Molly, »oder dir selbst?«
Knightsbridge war eine sehr stille und kultivierte Gegend, in der niemand wusste, wer ich war oder was ich tat. Man kannte mich nur als Shaman Bond, einen finanziell unabhangigen Mann, der es vorzog, fur sich zu bleiben, nie irgendwelchen Arger zu machen und immer daran zu denken, am richtigen Tag seinen Mull rauszustellen. Deshalb war es, als ich mich meiner ruhigen und abgelegenen Wohngegend naherte, auch eine gewisse Uberraschung fur mich, so viele Leute in den Stra?en herumlaufen zu sehen, die nicht dorthin gehorten. Ich entdeckte Spione und Agenten aus einem Dutzend verschiedener Lander und Organisationen, die alle eifrig vorgaben, ganz normale Leute zu sein und ihren ganz normalen Beschaftigungen nachzugehen. Aber einen Drood kann man nicht zum Narren halten.
Ich verlangsamte den Wagen und sah mir die Sache genauer an. Die Zeichen waren nicht gut. Jeder Zugang zu meiner Wohnung wurde von Leuten beobachtet, die nicht einmal hatten wissen durfen, wo sie war. Nachrichten verbreiten sich rasch in Geheimdienstkreisen. Ich konnte also nicht einfach zu meiner Wohnung fahren und parken;