Megaphon.
»Ich muss doch sehr bitten!«, sagte ich mit einem vernichtenden Blick zu ihm. »Wir unterhalten uns hier! Wir werden in einem Moment fur Sie da sein.« Ich wandte mich wieder Molly zu. »Es widerstrebt mir ein wenig, mich hier drau?en auf einen Nahkampf mit ihnen einzulassen; mitten im Freien, umgeben von unschuldigen Zuschauern.«
Molly zuckte die Achsel. »Den Ort haben die ausgesucht. Wir konnten zum Bentley rennen, nehm' ich an, und uber eine deiner Abkurzungen von hier abhauen, aber mit dem Abhauen hab ich's eigentlich nicht so.«
»Geht mir genauso«, sagte ich. »Es hat die ach so starke Tendenz, einen falschen Eindruck zu erwecken. Diese Drecksacke mussen daran erinnert werden, was es hei?t, einen Drood herauszufordern.«
»Und die wilde Waldhexe, Liebling!«
»
Ich musste lachen. »Der kennt uns nicht besonders gut, was? Was glaubst du, wer die sind?«
»Protzige Zurschaustellung von Starke, noch protzigere Waffen und kein Funke gesunder Menschenverstand in dem ganzen Haufen … muss Manifestes Schicksal sein. Die
Ich-Kann-Nicht-Glauben-Dass-Sie-Keine-Faschisten-Sind-Brigade. Truman muss wieder die Kurve gekriegt haben. Wer hatte gedacht, dass er immer noch sauer auf uns ist, blo? weil wir seine unterirdische Basis zerstort und seine gesamte widerliche Organisation in alle Winde zerstreut haben?«
»Allmachtige Sektenfuhrer mit Gottheitswahn sind in der Beziehung oft sonderbar«, stimmte ich ihr zu.
Der Wortfuhrer warf sein Megaphon auf den Boden und kam steifbeinig nach vorn, um uns gegenuberzutreten. Molly und ich drehten uns um. Wir starrten ihn gedankenvoll an, und er blieb jahlings stehen. Er achtete geflissentlich darauf, seine Automatikwaffe nicht auf uns zu richten. Noch nicht jedenfalls.
»Horen Sie«, sagte er in dem gezwungenen Tonfall eines Menschen, der versucht, unter sehr schwierigen Umstanden vernunftig zu sein. »Wir wissen beide, dass Sie Ihre goldene Rustung nicht mehr haben, Eddie. Kein Drood hat sie noch. Wenn ich meinen Mannern befehlen muss, das Feuer zu eroffnen, werden Sie von so vielen Kugeln durchlochert werden, dass Ihre Familie Ihre Leiche als Sieb benutzen kann. Sie werden so viel Blei in sich haben, dass Ihr Sarg als Giftmull deklariert und sogar Ihre DNA in Einzelteilen enden wird. Wenn Sie sich also bitte einfach vernunftig verhalten wurden und sich ergeben, dann konnten wir alle von hier verschwinden!«
»Ich finde, Sie haben es mit diesen Metaphern ein bisschen zu weit getrieben«, sagte ich.
»Am Ende hat er's eindeutig vermasselt«, meinte Molly zu mir.
»Niemand hat heutzutage mehr richtig gute schurkische Drohungen drauf«, pflichtete ich ihr bei. »In den alten Tagen konnte ein wahrer Schurke dir mit einem blo?en Lacheln das Blut in den Adern gefrieren lassen!«
»Ha, ich konnte mit einem einzigen unheilvollen Blick die Leute dazu bringen, sich in die Hosen zu machen!«, sagte Molly.
»Tut uns leid«, sagte ich zu dem Wortfuhrer. »Wir verhalten uns nicht vernunftig. Oder, Schatz?«
»Ganz bestimmt nicht!«, bekraftigte Molly. »Ist schlecht furs Image. Hey, was wollen wir wetten, dass ich diesen Kriecher in irgendeine rotztriefende Kreatur verwandeln kann, bevor er den Befehl geben kann, das Feuer zu eroffnen?«
»Sie konnen es nicht mit einer ganzen Armee aufnehmen!«, sagte der Wortfuhrer. Seine Stimme wurde ein klein wenig hysterisch. »Es sind extreme Ma?nahmen genehmigt worden!«
»Nun«, meinte ich, »das hort man immer gerne! Dann brauchen wir uns nicht zuruckzuhalten. Ich zahle siebenundfunfzig Bewaffnete, Molly.«
»Wahrscheinlich halten sich noch mehr versteckt, als Verstarkung«, sagte Molly. »Er scheint mir so einer von der hinterhaltigen Art zu sein. Schon zu wissen, dass sie uns wenigstens ernst nehmen.«
»Wer sind Sie eigentlich?«, fragte ich den Wortfuhrer unverblumt und beugte mich vor, um durch sein dunkles Visier zu spahen. »Ihre Stimme kommt mir bekannt vor …«
»Codename Alpha!«, blaffte er, wobei er tatsachlich ein bisschen zuruckschreckte. »Werden Sie jetzt friedlich mitkommen oder nicht?«
»Oh, ganz bestimmt nicht!«, erwiderte Molly. »Wir haben einen Ruf, dem wir gerecht werden mussen.«
Ich deutete auf die beiden schwarzen Helikopter, die uber uns schwebten und uns die Haare mit ihrem Abwind zausten. »Die zwei da oben kann ich wirklich nicht guthei?en, Alpha. Man erwartet von uns, dass wir
Alpha zuckte mit den Schultern. »Es ist jetzt eine neue Welt; dafur haben Sie selbst gesorgt. Ergeben Sie sich! Jetzt! Das ist Ihre letzte Chance!«
Ich sah Molly an. »Mir ist nach ein bisschen leichter Bewegung zumute«, sagte ich. »Was meinst du?«
»Mir ist danach zumute, ein paar Schadel einzutreten und auf ein paar Kehlkopfen rumzutrampeln«, sagte Molly.
»Ich habe nie erlebt, dass das einmal anders bei dir gewesen ware«, sagte ich. »Lass uns ein Tanzchen wagen!«
Binnen eines einzigen Augenblicks rustete ich hoch. Ich sprach innerlich die alten aktivierenden
Ich beugte und streckte die Arme und die silberne Rustung folgte meinen Bewegungen geschmeidig. Ich fuhlte mich starker, schneller; meine Sinne waren gescharft, als ob ich plotzlich aus einem langen Dosen erwacht ware. Dies war das gro?e Geheimnis der Drood-Familie: die wunderbare Rustung, die aus uns so viel mehr als Menschen macht; die es uns ermoglicht, unsere Arbeit zu tun, egal was die Bosen nach uns werfen. Einst war sie aus Gold; jetzt ist sie aus Silber. Die Einzelheiten andern sich, aber der Krieg geht weiter. Ich ballte meine Hande zu gepanzerten Fausten, und als ich mich konzentrierte, wuchsen schwere Dornen auf den silbernen Knocheln. Ich freute mich darauf zu erfahren, was die neue Rustung unter Kampfbedingungen leisten konnte.
Endlich brullte Alpha einen Befehl durch sein Megaphon, und alle gepanzerten Manner eroffneten gleichzeitig das Feuer und zielten dabei auf mich. Ich war schon vor Molly getreten, um ihr Deckung zu geben, und stand ruhig da, wahrend ein Kugelhagel auf mich niederprasselte. Statt dass die Geschosse harmlos von meiner gepanzerten Gestalt abprallten, wie es fruher bei meiner goldenen Rustung der Fall gewesen war, absorbierte die silberne fremde Materie sowohl die kinetische Energie der Kugeln wie auch die Kugeln selbst. Schluckte sie einfach, so schnell wie sie kamen. War wohl sicherer fur unschuldige Passanten, nahm ich an, aber ich fragte mich, ob die Rustung die Kugeln spater wohl wieder ausschei?en musste. Ich nahm mir vor, darauf zu achten, dass Molly nicht hinter mir stand, wenn der Kampf zu Ende war.
Die gepanzerten Manner erkannten, dass ihre Kugeln keine Wirkung auf mich hatten, und der Kugelhagel legte sich nach und nach. Sofort trat Molly hinter mir hervor, hob die Arme in Beschworungshaltung und rief die Elemente herab.
Ein machtiger Sturmwind kam dahergeheult; er ergriff die gepanzerten Manner und lie? sie kopfuber uber die gesamte Lange der Stra?e purzeln. Einige versteckten sich in Hauseingangen oder hinter Autos und konzentrierten ihr Feuer auf Molly. Die Kugeln durchschlugen den tobenden Wind, nur um zu Rosenblattern zu werden, bevor sie auch nur in Mollys Nahe kamen. Sie wurde von allen Magien des wilden Waldes beschutzt, und nichts aus der materiellen Welt konnte ihr etwas anhaben. Sie lie? sich nur deshalb von mir beschutzen, weil sie wusste, dass ich mich dann besser fuhlte. Sie winkte in einer scharfen Geste, und Blitze stie?en aus dem immer dunkler werdenden Himmel herab, fanden gepanzerte Manner in ihren Verstecken und verbrannten sie.
Aus verborgenen Stellungen trafen neue Manner mit schwereren Waffen ein. Sie kampften sich gegen den heulenden Wind vorwarts, Schritt fur Schritt. Molly stie? mit dem Finger nach ihnen, und plotzlich war die Stra?e voll von zirka einem Dutzend sehr verwirrt aussehender Lamas.
Molly war in ihrem Element.
Aber diese Art von Zauberei erschopfte sie. Also beschloss ich, dass es Zeit war, mit anzupacken.