Riechendem waren, um sich darin zu walzen. Ich konnte Kraftschilde und magische Schutzschirme spuren, die sich vor und hinter uns ein- und ausschalteten, als die Sicherheitssysteme des Herrenhauses Molly und mich erkannten und passieren lie?en. Niemand kommt ungeladen herein.
Ich drosselte die Geschwindigkeit, damit Molly sich an den Heckenlabyrinthen, den Blumenbeeten und den Schwanen, die friedlich auf dem See schwammen, erfreuen konnte. Es gefiel mir, mit meinem Zuhause vor ihr anzugeben, auch wenn sie sich immer gro?te Muhe gab, unbeeindruckt zu wirken. Und au?erdem hatte ich es ganz und gar nicht eilig, wieder zum Herrenhaus und der ganzen Arbeit und den Verpflichtungen, die dort auf mich warteten, zuruckzukommen. Was glauben Sie denn, wieso ich damals uberhaupt erst ausgerissen bin?
Das Herrenhaus ragte drohend vor uns auf und beherrschte den Horizont - der Wachter an den Toren der Realitat: der seit langer Zeit bestehende Wohnsitz der Drood-Familie und das letzte Bollwerk der Menschheit gegen die Machte der Finsternis. Um die Wahrheit zu sagen, ist es eine elende alte Bruchbude, zugig wie ein Kuhstall und ganzlich frei von modernen Neuerungen wie beispielsweise einer Zentralheizung. Ich wuchs in dem Glauben auf, von September bis April lange Unterwasche zu tragen, sei normal. Das Herrenhaus ist ein riesiger, wuchernder alter Gebaudekomplex, der zu Tudorzeiten schnell zusammengezimmert und uber die Jahrhunderte hinweg haufig erweitert wurde. Gegenwartig ist es das Zuhause von ungefahr dreitausend Seelen, alles Droods. Man kann in die Familie einheiraten, aber nicht aus ihr heraus. Wir sind wie die Mafia: einmal drin, nie mehr raus. Es sei denn, man mochte mit einem Einhornkopf neben sich im Bett aufwachen.
Ich stieg auf die Bremse und parkte den Bentley in einem Spruhregen aus fliegendem Kies direkt vor der Vordertur des Herrenhauses, hauptsachlich, weil ich wusste, dass ich das eigentlich nicht sollte. Fang an, wie du vorhast weiterzumachen, sage ich immer. Molly sprang uber die geschlossene Beifahrertur aus dem Wagen, wahrend ich noch den Motor abstellte. Ich kletterte ihr schnell hinterher, bevor sie anfangen konnte, irgendwelche Scherereien zu machen. Wenn jemand anfing, Scherereien zu machen, dann wollte ich das sein. Erste Eindrucke sind sehr wichtig. Wir hatten es kaum durch den Haupteingang in die Vorhalle geschafft, als auch schon ein Mob aufgebrachter Familienmitglieder uber uns herfiel. Es hatte den Anschein, als hatten sie einige Zeit darauf gewartet, ein entschlossenes Wortchen mit mir zu reden, und sie waren nicht bereit,
Was beinahe beispiellos war in dem disziplinierten, streng strukturierten und fast feudalen System, dem unsere Familie seit Jahrhunderten folgte. Es sah so aus, als hatte ich, als ich die Autoritat infrage gestellt hatte und damit davongekommen war, eine Flut von unterdrucktem Unmut entfesselt. Die Familie wollte Veranderungen und sie wollte sie jetzt, aber unglucklicherweise konnte sie sich nicht daruber einigen, was genau geandert werden sollte und wie. Molly und ich standen dicht zusammen, den Rucken gegen die geschlossene Eingangstur gepresst, wahrend jeder in der Menge sein Bestes gab, um lauter zu schreien als die anderen. Der Larm war entsetzlich und die Gesichter vor mir angespannt und hasslich vor Arger, Ungeduld und Entschlossenheit.
Ich gab mir die gro?te Muhe, mich zu konzentrieren und etwas von dem herauszufiltern, woruber sie unaufhorlich schwatzten. Manche hatten Fragen uber die neue Familienpolitik, andere wollten wissen, wann sie die neuen silbernen Torques bekommen wurden, und eine ganze Menge wollte andere Leute denunzieren, denen sie unterstellten, gegen den Fortschritt oder fur die falsche Art von Fortschritt oder einfach nur schuldig der Sunde zu sein, nicht mit den Vorstellungen des Sprechers konform zu gehen. Manche der Fragen und Forderungen waren schlichtweg unmoglich umzusetzen und ohne Zweifel dazu gedacht, mich in Verlegenheit zu bringen und vor der Familie schwach aussehen zu lassen. Habe ich schon erwahnt, dass ich Feinde innerhalb der Familie habe? Traditionalisten vom harten Kern und uberlebende Mitglieder der Null-Toleranz-Fraktion, die immer noch fuchsteufelswild waren, weil ihr kleiner Putsch misslungen war, und sich nun entschlossen erwiesen, mich zu sabotieren und zu unterminieren.
Die Holle kennt keinen gro?eren Zorn als einen Drood mit einem Groll.
Ich versuchte, hoflich zu sein und die Fragen derjenigen zu beantworten, die am nachsten standen, aber in dem allgemeinen Stimmenchaos konnte mich niemand horen, und niemand in der Menge war bereit, sich zugunsten eines anderen zu beruhigen. Es sind Momente wie dieser, wo ich mir wunschte, meine Rustung ware mit Pfefferspray ausgestattet. Oder mit einem Wasserwerfer. Am Ende sah ich Molly an, und sie grinste spitzbubisch. Sie murmelte ein paar
»In Ordnung; jetzt hort ihr alle mal schon zu, oder ich werde euch dorthin schicken, wo ich eure Kleider hingeschickt habe! Und eure Kleider werden nicht zuruckkommen - wenigstens nicht in einem Zustand, in dem ihr noch hoffen konnt, sie noch einmal zu tragen. Mein liebes Lottchen, schaut euch blo? mal an! Der lebendige Beweis dafur, dass die meisten Menschen besser aussehen, wenn sie Kleider anhaben. Nun seid brave kleine, nackte Leute und lauft furchtbar schnell weg, bevor ich noch auf die Idee komme, etwas wirklich Amusantes mit euch anzustellen. Etwas, wobei wahrscheinlich Mobius-Bander und eure Geschlechtsorgane eine Rolle spielen wurden.«
Noch nie hatte ich so viele Leute so schnell verschwinden sehen - oder so viele vollig unattraktive Arsche auf einmal. Ich schaute Molly an, und sie lachelte su?.
»Siehst du - man muss nur wissen, wie man mit den Leuten redet!«
»Von Diplomatie hast du auch noch nichts gehort, stimmt's?«
»No. Und, bist du nicht froh?«
»Naja, schon.«
Und das war der Moment, als der Seneschall endlich geruhte aufzutreten. Er hatte eigentlich die Vordertur bewachen mussen. Das war sein Job: Das erste und letzte Gesicht zu sein, das ein Au?enstehender jemals zu sehen bekommt, falls er ungeladen durch die Vordertur kame. Der Seneschall ist fur die Sicherheit und Familiendisziplin des Herrenhauses verantwortlich, was so viel hei?t wie, dass er oft dazu kommt, Leute zu schlagen; und nie ist er glucklicher, als wenn er eine Entschuldigung dafur gefunden hat, jemandem neue Vorschriften zu machen. Er hatte mir das Leben zur Holle gemacht, als ich ein Kind war, mich fur den kleinsten Regelversto? geschlagen, bis das Blut spritzte, und als ich schlie?lich ins Herrenhaus zuruckkehrte, um die Familie in Ordnung zu bringen, war eine der ersten Dinge, die ich tat, ihm die Schei?e aus dem Leib zu prugeln. Und dann hatte er noch die Frechheit zu sagen, das alles habe er nur getan, um mich abzuharten und auf die Welt drau?en vorzubereiten. Sagte tatsachlich, er sei stolz auf mich, bevor er in Ohnmacht fiel. Das werde ich ihm nie verzeihen!
Der Seneschall war hochgewachsen und breit und hatte Muskeln an Stellen, wo Sie und ich nicht einmal Stellen haben. Und wenn er auch eine Vorliebe fur die steife, schwarz-wei?e Uniform eines viktorianischen Butlers hatte, lie? sich davon niemand auch nur einen Moment lang zum Narren halten. Der Mann war ein Schlager und Tyrann und stolz darauf - und deshalb perfekt geeignet fur seinen Job. Er hatte jenes steifruckige, stahlaugige militarische Aussehen, das einem fur die Zukunft Blut, Schwei? und Tranen verspricht, und alles dein eigenes. Sein ausdrucksloses Gesicht wirkte immer, als sei es aus Stein gemei?elt, aber jetzt sah es aus, als hatte es jemand noch dazu mit dem Presslufthammer bearbeitet. Das letzte Mal, als wir Mann gegen Mann aneinander geraten waren, hatte Molly ihn mit einer Rattenplage geschlagen, und jetzt war eine seiner Gesichtshalften ein Narbenklumpen und ihm fehlte das linke Ohr. Ich warf ihm einen strengen Blick zu.
»Ich dachte, ich hatte dir gesagt, du sollst dein Gesicht in Ordnung bringen lassen! Die Schonheitszauberer konnten dich an einem Nachmittag wieder herrichten, und das wei?t du.«
»Ich mag die Narben«, entgegnete der Seneschall ruhig. »Sie geben mir mehr Personlichkeit. Und sie sind hervorragend geeignet, Leute einzuschuchtern.«
»Was ist mit dem Ohr?«
»Wie bitte?«
Ich blickte ihn finster an. »Wo zum Teufel hast du gesteckt, als uns dieser Mob aus dem Hinterhalt uberfallen hat?«
»Genau!«, sagte Molly. »Hast's dir bestimmt in deiner Zelle mit der neuesten Ausgabe von