das hatte alle moglichen Unannehmlichkeiten nach sich ziehen konnen. Ich musste irgendwie in meine alte Bleibe schlupfen, ein paar Habseligkeiten zusammenraffen und schleunigst wieder das Weite suchen, ohne dass jemand uberhaupt mitbekam, dass ich da gewesen war.

Ich lenkte den Wagen in einiger Entfernung von meiner Wohnung an den Stra?enrand und hielt an. Molly schaute mich fragend an. Ich machte sie unauffallig auf ein paar der Feinde aufmerksam, hielt sie davon ab, einen sofortigen Praventivschlag zu landen, und uberredete sie dazu, ruhig sitzen zu bleiben, wahrend ich die Lage mithilfe des Blicks einer genaueren Untersuchung unterzog. Genau wie mein alter Halsreif gestattete auch mein neuer silberner Torques es mir, viel mehr von der Welt, so wie sie wirklich ist, zu sehen, als es mit den beschrankten Sinnen der Menschheit moglich ist. Die Welt ist ein viel gro?erer Ort, als den meisten Menschen klar ist, voll der Seltsamen und Schrecklichen, die ungesehen und ungeahnt neben ihnen existieren.

Da war ein Elbenpaar, gro? und stolz und hochmutig. Elben leben jetzt woanders und tauchen nur in unserer Welt auf, wenn sie eine Chance sehen, uns ubers Ohr zu hauen oder uns einen Tritt zu verpassen, wenn wir schon am Boden liegen; das ist heutzutage alles, was ihnen noch geblieben ist. Da waren Aliens: Graue und Echsenahnliche sowie ein paar Wesen, deren Gestalt uberhaupt keinen Sinn ergab. Sie wandeln wirklich unter uns - Touristen, meistenteils - und wenn sie Anstalten machen, aufmupfig zu werden, versohlt die Familie ihnen normalerweise einfach den Hintern und schickt sie nach Hause. Hier und da trieben Gespenster vorbei, gefangen in sich wiederholenden Zeitschleifen. Und es gab Geschopfe, die durch Wande gingen oder an ihnen hinaufkletterten oder oben am Himmel schwebten. Viel zu viele, als dass es sich blo? um einen Zufall handeln konnte. Nachrichten verbreiten sich rasch in der ubernaturlichen Gemeinschaft.

Ich stellte den Blick ab. Man kann sich die Welt nicht lange anschauen, wie sie wirklich ist: Der menschliche Verstand hat nicht das notige Rustzeug, um damit klarzukommen. Zum Gluck konnte keiner von denen mich sehen, solange ich den Torques trug. Sie mussten darauf warten, dass ich mich zu erkennen gab. Ich grinste. Es war an der Zeit, eine der wirklich ganz speziellen Besonderheiten des Bentleys zu erproben.

»Eddie, was hast du vor?«, fragte Molly.

Ich lachelte sie gluckstrahlend an. »Mach dich auf was gefasst, Su?e! Jetzt werde ich dir mal zeigen, was alles in diesem Auto steckt.«

Ich trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und lie? die Kupplung los: Der Motor heulte auf wie ein Wolf auf der Jagd und der Bentley brauste vorwarts. Wahrend ich die Gange maltratierte, schossen wir in wenigen Sekunden an der Hundertermarke vorbei, dann legte ich den versteckten Schalter um und haute die Maschine in den Overdrive. Die furchterliche Beschleunigung presste Molly und mich in die Sitze, und um uns herum verschwamm die Welt, als wir sie hinter uns lie?en. Der Bentley durchbrach die Mauern der Welt und ganz plotzlich waren wir irgendwo anders.

Befreit von den gewohnlichen Beschrankungen von Zeit und Raum raste der Bentley durch die Dimensionen; Tage und Nachte flimmerten wie stroboskopische Erscheinungen. Sterne leuchteten in auf der Erde nie gesehenen Konstellationen an Nachthimmeln eines Anderswo. Da waren seltsame Klange und strahlende Lichter und eine Stadt, die mit einer Million unmenschlicher Stimmen sang. Anblicke und Ausblicke, substanzlos und nicht greifbar, flackerten auf und erloschen, wahrend wir wie eine Kugel durch sie hindurchschossen; doch ob sie oder wir die Geisterbilder waren, ist wahrscheinlich reine Ansichtssache. Molly schrie und kreischte vor Entzucken, und nur die Notwendigkeit, mich aufs Lenken zu konzentrieren, hielt mich davon ab, es ihr gleichzutun. Trunken vor Geschwindigkeit und vernarrt ins Tempo bretterten wir durch die Dimensionen, bis ich das Zeichen sah, nachdem ich Ausschau gehalten hatte, und scharf nach rechts zuruck in unsere Realitat abbog.

Verschiedene Welten dopplerten an uns vorbei, als ich in die Eisen stieg. Als der Bentley schlie?lich zitternd zum Stehen kam, sa?en wir in der Garage unter meiner Wohnung. Ich stellte schnell den Motor ab und nahm die Hande vom Lenkrad. Sie zitterten, und das nicht nur in freudiger Erregung: Abstecher durch angrenzende Dimensionen zu machen, ist immer eine riskante Sache. Man kann nie sagen, was einen dort vielleicht bemerkt und beschlie?t, einem nach Hause zu folgen. Auf etwas unsicheren Beinen stieg ich aus dem Auto und uberprufte es grundlich, um sicherzugehen, dass wir keine unerwunschten Anhalter aufgegabelt hatten. Meine besondere Aufmerksamkeit lie? ich dabei dem Fahrgestell zukommen.

Auch Molly war schon ausgestiegen; sie tanzte um das Auto herum und vollfuhrte Faustschlage in der Luft. »Das war fantastisch! Lass es uns nochmal machen! Was war das?«

»Eine Abkurzung«, antwortete ich, wahrend ich argwohnisch unter die vordere Sto?stange spahte.

»Du nimmst mich auf die tollsten Fahrten mit, Eddie!«

Ich richtete mich auf und sie schlang die Arme um mich und druckte mich an sich. Ich lie? es zu.

»Willkommen in meiner Garage!«, sagte ich. »Sie ist klein, aber schabig. Und jetzt komm nach oben und schau dir meine Wohnung an. Versuch bitte, nicht zu unterwaltigt zu sein - es kann eben nicht jeder in einem Wald wohnen!«

Ich musterte die Tur zu meiner Wohnung sorgfaltig. Es schien alles normal zu sein. Nichts war nicht am richtigen Platz, aber die Tur war nicht verschlossen. Das konnte ich erkennen. Und ich schlie?e immer hinter mir zu, wenn ich weggehe. Geheimagenten konnen es sich wirklich nicht leisten, solche Sachen zu vergessen. So stand ich also in sicherer Entfernung von meiner Tur und betrachtete sie nachdenklich, wahrend Molly mich betrachtete.

»Was ist los?«

»Jemand ist hier gewesen.«

»Deine Feinde?«

»Eher meine Familie. Nachdem sie mich fur vogelfrei erklart hat, hat die Matriarchin mit Sicherheit ein Team hierher geschickt, um meine Wohnung auf den Kopf zu stellen und nach Belastungsmaterial gegen mich zu suchen. Und meine Familie geht in solchen Dingen nie subtil vor.«

»Du denkst, sie haben eine versteckte Bombe zuruckgelassen?«

»Nein. Eine Falle wurde ich sehen. Es ist wahrscheinlicher, dass sie nur alles demoliert haben, um eine Nachricht zu hinterlassen. Das hatte ich jedenfalls getan, als ich noch Frontagent war.«

Ich holte tief Luft, stie? die Tur auf und ging hinein. Sie hatten mein Zuhause tatsachlich demoliert - und waren dabei sehr gewissenhaft vorgegangen. Samtliche Mobel waren umgekippt, sofern sie nicht zertrummert waren. Sie hatten die Teppiche herausgerissen, um die Dielen aufstemmen zu konnen. Meine Besitztumer waren in der ganzen Wohnung herumgeworfen worden, alle Schubladen herausgezogen und ausgeleert und ihr Inhalt uberall verstreut worden. Meinen Computer hatten sie zerlegt, um an die Festplatte zu kommen, den Bildschirm eingeschlagen.

Selbst die Poster hatten sie von der Wand gerissen und zerfetzt.

In jedem Zimmer war es dasselbe; nichts war verschont geblieben. Im Schlafzimmer hatten sie sogar die Laken vom Bett gezerrt, die Matratze aufgeschnitten und durchwuhlt. Und auf die Wand uber dem Kopfende hatte jemand VERRATER gespruht. Das Wort traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Eine kalte Faust schloss sich um mein Herz, und ich konnte nur noch nach Luft schnappen. Molly kam herein, stellte sich neben mich und sah das Wort an der Wand. Sie nahm meinen Arm und druckte ihn an sich.

»Ach Eddie, es tut mir so leid! Ich bin sicher, dass das hier vorher eine ganz reizende Wohnung war!«

»Ich war nie ein Verrater«, sagte ich und erkannte meine eigene Stimme nicht wieder. »Ich war der Einzige, der dem treu geblieben ist, was die Familie eigentlich sein sollte.«

»Das wei? ich doch, Eddie. Lass uns hier weggehen!«

»Schon in Ordnung«, sagte ich. »Schon in Ordnung.«

Das war es zwar nicht, aber ich lie? mich von ihr wegfuhren.

Wieder im Wohnzimmer, schaute ich mich um und versuchte, mir einen Reim auf das Durcheinander zu machen. Sie hatten gar nicht einmal so viel kaputt gemacht - wahrscheinlich weil ihnen die Zeit gefehlt hatte.

»Die haben wirklich ganze Arbeit geleistet!«, stellte Molly fest. Sie gab sich alle Muhe, nicht auf irgendwelche Sachen zu treten; das war zwar unmoglich, aber allein fur den Versuch liebte ich sie.

»Ich habe nichts anderes erwartet«, sagte ich. »Ich habe es zu meiner Zeit als Frontagent schlimmer getrieben, wenn ich den Unterschlupf irgendeines Schurken auseinandernahm, um nach Hinweisen oder

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