verstecken.

»Ja«, sagte ich. »Ich habe ihn dazu gebracht, von seinen Forderungen abzusehen. »

»Wie?«

»Mit der Lüge, dass die Verwandlung in einen Anderen ihm unvorsichtigerweise sein eigener Vater versprochen hat. Dem deswegen jetzt ernsthafte Schwierigkeiten drohen… Daraufhin hat er sich geschämt und nicht auf Einhaltung des Versprechens bestanden.«Kostja runzelte die Stirn.

»Vorsichtshalber wollte ich ihn möglichst weit wegschicken«, log ich seufzend weiter. »Soll er sich doch irgendwo in der Dominikanischen Republik ansiedeln.«

»Das ist nur die eine Hälfte der Untersuchung«, wandte Kostja finster ein. »Ich glaube, ihr Lichten wollt jemanden aus euren eigenen Reihen decken. »

»Wir oder ich?«

»Du. Den Menschen zu finden ist nicht das Wichtigste. Wir brauchen denjenigen, der unser Geheimnis preisgegeben hat. Der ihm die Initiierung versprochen hat.«

»Aber das weiß er doch nicht!«, empörte ich mich. »Ich habe sein Gedächtnis überprüft, das ist absolut sauber. Der Verräter ist zu ihm in Gestalt eines Filmschauspielers aus dem vorigen Jahrhundert gekommen. Und hat keine Spuren hinterlassen.«

»Das werden wir noch sehen«, verkündete Kostja. »Er soll sich die Hosen anziehen, ich nehm ihn mit.«Was bildete sich der Kerl bloß ein?!

»Ich habe ihn gefunden, und er kommt mit mir mit!«, brüllte ich.

»Und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass du Spuren vertuschen willst«, meinte Kostja mit leiser, aber drohender Stimme.

Hinter uns trocknete sich Timur Borissowitsch ab, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, welches Gespräch gerade im Zwielicht geführt wurde. Wir durchbohrten einander mit Blicken, keiner von uns beiden wollte nachgeben. »Er kommt mit mir mit«, wiederholte ich.

»Wollen wir uns um ihn schlagen?«, fragte Kostja fast belustigt.

Und mit einer gleitenden Bewegung stand er neben mir, um mir forschend in die Augen zu gucken. Seine Pupillen flackerten im Zwielicht wie ein rotes Feuer. Ja! Er wollte diesen Kampf!

Seit vielen Jahren schon! Um sich endgültig zu überzeugen, dass das Recht auf Seiten des Hohen Vampirs Konstantin war und nicht auf Seiten des naiven Kostja, der davon geträumt hatte, seinem Fluch zu entkommen und wieder ein Mensch zu werden…

»Ich bringe dich um«, zischte ich. Kostja grinste nur. »Wollen wir es drauf ankommen lassen?«

Ich sah zu Boden. Mein Schatten ließ sich kaum erkennen, doch ich hob ihn auf und drang in die nächste Schicht des Zwielichts ein. Dorthin, wo die Wände des Hauses sich kaum noch im Nebel erahnen ließen, wo den Raum ein alarmierendes tiefes Grollen ausfüllte.

Nur einen kurzen Augenblick lang genoss ich den Vorteil dieser Position.

Dann tauchte auch Kostja in der zweiten Zwielicht-Schicht auf. Jetzt sah er stark verändert aus. Sein Gesicht erinnerte an einen Schädel, dem die Haut abgezogen worden war, die Augen lagen tief in den Höhlen, die Ohren ragten lang und spitz auf.

»Ich habe Vieles gelernt«, flüsterte Kostja. »Was ist nun, mit wem geht der Verdächtige mit?«

In dem Moment erklang eine dritte Stimme. »Ich habe einen Vorschlag, der alle zufrieden stellt.«

Im grauen Nebel materialisierte sich Viteszlav. Sein Körper war ebenfalls deformiert und gab Dampf ab wie ein Stück Trockeneis in der Sonne. Ein Schauder durchlief mich. Der Prager Vampir kam aus der dritten Zwielicht-Schicht, aus jenen Schichten, die mir nicht zugänglich waren. Über welche Kraft musste er verfügen?

Nach Viteszlav tauchte Edgar auf. Dem Magier hatte die Reise in die dritte Schicht Mühe bereitet, er schwankte und rang nach Atem.

»Er kommt mit uns«, erklärte Viteszlav. »Wir glauben nicht, dass Anton Gorodezki böse Absichten hegt. Doch wir erkennen auch den Verdacht der Tagwache an. Die Untersuchung wird fortan in Händen der Inquisition liegen.«Kostja sagte kein Wort.

Auch ich schwieg. Was sollte ich tun: Das war Viteszlavs gutes Recht. Und ich hatte nichts, was ich ihm entgegensetzen konnte.

»Gehen wir, meine Herren?«, fuhr Viteszlav fort. »Hier ist es nicht sehr angenehm.«

In der nächsten Sekunde standen wir wieder in dem geräumigen Badezimmer, in dem Timur Borissowitsch, auf einem Bein hüpfend, versuchte, seine Unterhose anzuziehen.

Viteszlav ließ ihm die Zeit, sie anzuziehen. Und erst als sich der Geschäftsmann auf ein Geräusch hin umdrehte, unsere ganze Gesellschaft entdeckte und verwundert aufschrie, sah Viteszlav ihn kalt an.

Timur Borissowitsch fiel in Ohnmacht. Edgar sprang ihm bei und bettete den bewusstlosen Körper in den Sessel.

»Du sagst, er kenne den Verräter nicht…«, meinte Viteszlav, während er den Geschäftsmann neugierig betrachtete. »Was für ein erstaunlich bekanntes Gesicht… Mir kommt da ein ausgesprochen interessanter Verdacht.«Ich schwieg.

»Du kannst stolz auf dich sein, Anton«, fuhr Viteszlav fort. »Deine Behauptung ist nicht von der Hand zu weisen. Ich glaube, der Vater dieses Menschen arbeitet tatsächlich in der Wache. In der Nachtwache.«

Kostja kicherte. Natürlich gefiel ihm Viteszlavs Entscheidung nicht. Kostja hätte den Sprössling Gesers viel lieber persönlich in der Tagwache abgeliefert. Dennoch konnte er auch dieser Situation etwas abgewinnen.

»Der ach so weise Geser wird doch nicht einen derartigen Fehler gemacht haben?«, fragte er begeistert. »Ich würde gern wissen…«Viteszlav blickte Kostja an, der daraufhin verstummte.

»Einen Fehler machen kann jeder«, sagte Viteszlav leise. »Selbst ein Magier außerhalb jeder Kategorie. Aber…«Er starrte mich an. »Kannst du Geser herrufen?«

Ich zuckte mit den Schultern. Eine dumme Frage. Natürlich konnte ich das. Und auch Viteszlav konnte es.

»Mir gefällt nicht, was hier vor sich geht…«, meinte Viteszlav leise. »Ganz und gar nicht. Irgendjemand hält uns hier sehr geschickt zum Narren.«

Er bedachte uns alle mit einem durchdringenden, unmenschlichen Blick. Etwas hatte seinen Argwohn geweckt. Aber was?

»Ich setze mich mit meinem Chef in Verbindung«, verkündete Kostja in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

Viteszlav erhob keine Einwände. Abermals sah er Timur Borissowitsch an und runzelte die Stirn.

Ich holte das Handy heraus und wählte Gesers Nummer.

»Irgendjemand hält uns hier zum Narren…«, meinte Viteszlav, dessen Wut sich jetzt Bahn brach. »Und dieser Jemand…«

»Befehlen Sie ihm, sich anzuziehen«, bat ich, während ich auf die langen Klingeltöne lauschte. »Oder muss ein älterer Mensch wirklich so gedemütigt werden? Wollen wir ihn in Unterhosen mitnehmen?«

Viteszlav rührte sich nicht, doch Timur Borissowitsch stand auf und fing gleichsam im Halbschlaf an, sich anzuziehen.

Verunsichert trat Edgar an mich heran. »Antwortet er nicht?«, fragte er teilnahmsvoll. »Ich an seiner Stelle…«

»Es wird noch lange dauern, bis man dir so eine Stelle anbietet«, bemerkte Viteszlav. »Wenn du nicht begreifst, wie man uns hereingelegt hat…«

Edgars Gesicht ließ darauf schließen, dass er nichts begriff. Genau wie ich, genau wie Kostja, der mit verdrehten Augen lautlos etwas flüsterte. »Ja, Anton…«, meldete sich Geser. »Gibt's was Neues?«

»Ich habe den Mann gefunden, dem man versprochen hat, aus ihm einen Anderen zu machen«, presste ich hervor.

Im Badezimmer senkte sich absolute Stille herab. Vermutlich lauschten alle auf die schwachen Töne

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