Wölfe reden, nicht wahr? »
»Richtig«, meinte ich mit einem Lächeln.
Oxana schielte zu den Kindern hinüber. Genauer, zu den Jungen.
»Ach, das ist ja Nadkas Vater«, bemerkte ein sommersprossiger Bengel, in dem - warum auch immer - der dörfliche Ursprung nicht zu übersehen war. »Mein Vater repariert gerade Ihr Auto.«Stolz blickte er seine Freunde an.
»Wir können uns auch hier unterhalten«, schlug ich zur Beruhigung der Kinder vor. Es war natürlich schrecklich, dass sich normale, in Familien aufwachsende Kinder in diesem Alter ein solches Misstrauen angewöhnt hatten. Aber vielleicht war es auch besser so.
»Wir sind im Wald spazieren gegangen«, fing Oxana an zu erzählen, die sich kerzengerade vor mich aufgebaut hatte. Ich dachte kurz nach und setzte mich dann in den Sand, worauf sich auch das Mädchen wieder setzte. Anna Viktorowna hatte ihre Kinder wirklich gut erzogen. »Es war meine Schuld, dass wir uns verirrt haben…«
Einer der Dorfjungen lachte. Wenn auch leise. Vermutlich war Oxana nach diesen Geschichten mit den Wölfen zum beliebtesten Mädchen bei den jüngeren Schulkindern avanciert.
Im Prinzip erzählte Oxana mir nichts Neues. Auch an ihr ließen sich keine Spuren von Magie feststellen. Nur die Erwähnung des Schranks»mit alten Büchern« ließ mich aufhorchen.
»Erinnerst du dich an die Titel?«, fragte ich. Oxana schüttelte den Kopf.
»Versuch es einmal«, bat ich. Ich sah zu Boden - auf meinen langen, verzerrten Schatten. Gehorsam kroch mir der Schatten entgegen. Dann nahm mich das graue, kühle
Kinder aus dem
Innerlich entschuldigte ich mich bei den Kindern, schließlich hatten sie mich nicht um das gebeten, was ich jetzt tat. Mit einer sachten, unmerklichen Berührung glitt ich über sie hinweg. Einfach so. Ich löschte jene Funken des Bösen, die bei ihnen trotz allem schon aufblitzten.
Dann strich ich Oxana über den Kopf. »Erinner dich, Mädchen…«, flüsterte ich.
Sicher, ich würde die Barriere, die jene unbekannte Hexe errichtet hatte, nicht beseitigen können, wenn sie stärker oder genauso stark war wie ich. Aber zu meinem Glück schien sie an eine Kinderfreundin geraten zu sein. Die Hexe war höchst behutsam mit dem Bewusstsein der beiden umgegangen.
Ich trat aus dem
»Jetzt weiß ich es wieder!«, verkündete Oxana stolz. »Ein Buch hieß
Von den gewöhnlichen Kräuterbüchern - ich meine von den gewöhnlichen Hexenkräuterbüchern - unterschied sich dieses durch seine besondere Niederträchtigkeit. Dort wurden sogar für Löwenzahn einige abscheuliche Anwendungsformen vorgestellt.
»Dann noch
»Wie war der Titel geschrieben?«, fragte ich. »In lateinischen Buchstaben? So wie englisch… ja?
Wozu hatte ich das wiederholt? Als ob man den Unterschied hören konnte…
»Nein, mit russischen Buchstaben«, meinte Oxana. »Aber mit komischen, alten.«
Noch nie hatte ich von einer Übersetzung dieses selbst für die Dunklen seltenen Werks ins Russische gehört. Es ist verboten, das Buch zu drucken, denn dann büßen die Zaubersprüche ihre Magie ein. Man darf es bloß abschreiben. Ausschließlich mit Blut. Und zwar keinesfalls mit dem Blut einer Jungfrau oder dem unschuldiger Kinder, das sind irrige Ansichten, die später aufkamen; entsprechende Abschriften taugen überhaupt nichts. Bis heute glaubt man, das
Außerdem fließt zusammen mit dem Blut die Kraft aus ihm hinaus.
Was können wir stolz auf die russischen Hexen sein! Hatte sich doch eine Fanatikerin gefunden! »Ist das alles?«, fragte ich. »Noch das
»So ein Buch gibt es nicht, das hast du dir ausgedacht…«, entgegnete ich unwillkürlich. »Wie war das?
Nein, in diesem Buch gab es nichts Gemeines. Nur wurde es in allen Nachschlagewerken als Phantasieprodukt ausgewiesen. Der Legende nach enthielt das Buch Instruktionen, wie aus einem Menschenkind eine Hexe oder ein Hexer zu machen sei. Genaue und angeblich funktionierende Anweisungen. Als ob das möglich wäre! Oder etwa doch, Geser? »Erstaunliche Bücher«, sagte ich.
»Das sind botanische Bücher, nicht wahr?«, fragte Oxana.
»Hm«, bestätigte ich. »Vergleichbar mit Katalogen. Im
Interessante Dinge taten sich in unserm Wald! Ganz in der Nähe von Moskau sitzt im tiefsten Dickicht - aber was heißt hier Dickicht? -, in einem kleinen Wald eine mächtige Hexe mit einer Bibliothek voll seltenster Bücher zu allen dunklen Gebieten. Ab und an rettet sie Kinder vor idiotischen Werwölfen. Besten Dank auch dafür! Aber die Bücher, die sie besitzt, müssen gemeldet werden, und zwar beiden Wachen und der Inquisition. Denn die Kraft, die hinter ihnen steht, ist enorm, ist gefährlich.
»Du kriegst eine Tafel Schokolade von mir«, versprach ich. »Du hast alles sehr schön erzählt.«Oxana zierte sich nicht, sondern sagte bloß»danke«. Und schien das Interesse an unserem Gespräch völlig verloren zu haben.
Offenbar hatte die Hexe ihr als der Älteren das Gedächtnis gründlicher gereinigt. Nur an die Bücher, die das Mädchen gesehen hatte, hatte sie nicht gedacht. Und das beruhigte mich ein wenig.
Zwei
Geser hörte mir mit ungeteilter Aufmerksamkeit zu. An manchen Stellen hakte er nach, schwieg dann, seufzte und ächzte. Ich lümmelte mich in der Hängematte, das Handy in der Hand, und erstattete ausführlich Bericht… Nur das
»Gute Arbeit, Anton«, meinte Geser schließlich. »Wirklich gut. Du hast dich da nicht auf die faule Haut gelegt. »
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte ich.
»Du musst die Hexe finden«, erwiderte Geser. »Sie hat zwar nichts Böses angerichtet, muss sich aber registrieren lassen. Na ja… die übliche Prozedur, du weißt Bescheid. »
»Und die Werwölfe?«, wollte ich wissen.
»Vermutlich Moskauer, die auf Tournee im Umland sind«, kommentierte Geser gelassen. »Ich werde den Befehl geben, alle Werwölfe zu überprüfen, die mehr als drei Kinder mit Anlagen zum Tiermenschen haben. »
»Es gab insgesamt nur drei Junge«, erinnerte ich ihn.
»Der Werwolf könnte nur die ältesten mit auf Jagd genommen haben«, erklärte Geser. »In der Regel sind es große Familien… Im Dorf haben sich nicht gerade irgendwelche verdächtigen Leute auf den Datschen einquartiert? Also ein Erwachsener und drei oder mehr Kinder? »
»Nein«, bedauerte ich. »Daran haben Sweta und ich sofort gedacht… Nur Anna Viktorowna ist mit ihren