hast die Nacht über nicht geschlafen, den ganzen Tag gearbeitet… Und dann schwimmst du im kühlen Wasser, wirst massiert, isst vorzüglich und trinkst ein Glas guten Weins. Danach geht es dir richtig gut…«
»Er macht, dass es dir besser geht?«, begriff ich. »Nimmt dir die Müdigkeit?«
»Nur bei Frauen«, lächelte Swetlana. »Er ist schon alt, dreihundert Jahre mindestens. Anscheinend ein Geschenk eines mächtigen Magiers für seine Geliebte. Bei der es sich möglicherweise sogar um eine Menschenfrau handelte…«
Sie sah mich an, ihre Augen leuchteten. »Außerdem soll er eine Frau anziehend machen«, sagte sie sanft. »Unwiderstehlich. Betörend. Funktioniert es?«
Ich sah sie eine Sekunde lang an. Dann löschte ich mit einem Blick das Nachtlicht.
Den magischen Baldachin, der alle Geräusche erstickte, hatte Swetlana selbst über uns geworfen.
Ich wachte früh auf, es war noch nicht einmal fünf Uhr morgens. Erstaunlicherweise fühlte ich mich jedoch völlig frisch, ganz wie die Herrin des magischen Kamms, die sich ordentlich gekämmt hatte. Große Taten wollte ich vollbringen. Und ein anständiges Frühstück zu mir nehmen.
Ohne jemanden zu wecken, schlich ich leise in die winzige Küche, brach mir ein paar Stücke Weißbrot ab und fand ein Päckchen mit Wurstaufschnitt. In einen großen Becher goss ich mir selbstgemachten Kwass - und mit all dieser Pracht ging ich nach draußen.
Es tagte bereits, doch über dem Dorf lag noch Stille. Niemand musste hier früh die Kühe melken, der Stall stand seit fünf Jahren leer. Überhaupt musste niemand dringend irgendwohin…
Seufzend setzte ich mich ins Gras unter einen Apfelbaum, der schon lange einfach wild wucherte und nicht mehr trug. Ich aß ein riesiges Stück Brot mit Wurst und trank den Kwass. Und, um meinem Wohlbefinden noch eins drauf zu geben, beförderte ich das Buch über das
Die, ehrlich gesagt, höchst aufschlussreich war!
Zu jener Zeit, als das
Im ersten Kapitel diskutierten die belesenen Hexen lange über die Natur der Anderen selbst. Sie gelangten zu folgendem Schluss: In jedem Menschen findet sich»eine Neigung zur Zauberei«. Das Niveau dieser»Neigung«ist bei allen unterschiedlich. Als Bezugsgröße kann man das natürliche Niveau der Magie nehmen, die über die ganze Welt ausgebreitet ist. Wenn die»Neigung«bei einem Menschen
Das klang höchst merkwürdig. Ich selbst hatte immer angenommen, die Anderen seien Menschen mit stark entwickelten magischen Anlagen. Die Hexen vertraten genau den entgegengesetzten Standpunkt.
Als Beispiel führten sie eine komische Analogie an: Einmal angenommen, die Temperatur betrüge weltweit 36,5 °C. Dann würden die meisten Menschen, deren Körpertemperatur ja höher ist, Wärme abgeben und damit»die Natur aufheizen«. Die wenigen jedoch, deren Körpertemperatur aus irgendeinem Grund unter 36,5 °C liegen sollte, würden die Wärme
Eine interessante Theorie. Ich hatte mich mit verschiedenen möglichen Erklärungen zu unserer Entstehung und den Unterschieden zu den Menschen auseinander gesetzt. Auf diese war ich bislang nicht gestoßen. Sie hatte etwas Demütigendes…
Doch was spielte das für eine Rolle! Am Ergebnis änderte sie nichts! Es gab Menschen, und es gab Andere… Ich las weiter.
Das zweite Kapitel war den Unterschieden zwischen»Magiern und Zauberinnen«einerseits und»Hexen und Hexenmeistern«andererseits gewidmet. Zu dieser Zeit wurden mit dem Wort»Hexenmeister«nicht Dunkle Magier bezeichnet, sondern alle»Hexen männlichen Geschlechts«, also alle Anderen, die Artefakte verwendeten. Das Kapitel war interessant, und ich hatte den Eindruck, Arina habe es geschrieben. Es lief darauf hinaus, dass es im Prinzip keine Unterschiede gebe. Eine Zauberin operiert unmittelbar mit dem
Mit dieser Prognose lag sie absolut richtig, daran ließ sich nicht rütteln. In der Nachtwache arbeiten hauptsächlich Magier. Aber Artefakte benutzen wir ständig…
Ich ging in die Küche, brach mir noch Brot ab und goss mir Kwass ein. Sah auf die Uhr: sechs Uhr morgens. Irgendwo bellten zwar schon die ersten Hunde, aber das Dorf schlief noch.
Das dritte Kapitel behandelte die zahlreichen Versuche von Anderen, einen Menschen in einen Anderen zu verwandeln -in der Regel trieben Liebe oder der eigene Vorteil die Anderen dazu -, aber auch die Versuche von Menschen, zu einem Anderen zu werden, nachdem sie auf die eine oder andere Weise hinter die Wahrheit gekommen waren.
Ausführlich wurde auf die Geschichte von Gilles de Rais eingegangen, dem Waffengefährten von Jeanne d'Arc. Jeanne war eine sehr schwache Dunkle, eine»Hexe siebten Ranges«, was sie im Übrigen nicht daran hinderte, größtenteils edle Taten zu vollbringen. Über Jeannes Tod wurde höchst nebulös berichtet, selbst eine Andeutung, sie habe den Blick der Inquisitoren abgelenkt und sich vom Scheiterhaufen retten können, fehlte nicht. Ich hegte da so meine Zweifel: Jeanne hatte den Großen Vertrag verletzt, indem sie ihre menschlichen Beziehungen magisch geregelt hatte, sodass auch unsere Inquisition ein Auge auf die Vollstreckung der Strafe gehabt hatte. Und deren Blick lenkt niemand ab… Die Geschichte des unglückseligen Gilles de Rais wurde dagegen weitaus detaillierter wiedergegeben. Sei es aus Liebe, sei es aus Verschrobenheit oder Nachlässigkeit, jedenfalls hatte Jeanne ihm alles über die Natur der Anderen erzählt. Der junge Ritter, für seine Kühnheit und seinen Edelmut berühmt, geriet auf Abwege. Man konnte also, so sinnierte er, magische Kraft bei ganz normalen Menschen sammeln, bei jungen und gesunden Menschen. Dafür müsste man sie nur peinigen, dem Kannibalismus frönen und die dunklen Kräfte um Hilfe bitten… Kurzum, der Mann wollte ein Dunkler Anderer werden. Er quälte mehrere hundert Frauen und Kinder, wofür er - ebenso wie für