drehte sich um sie herum.
Das Summen wurde lauter. Die Rotation wurde schneller. Die Frau stand ruhig und entspannt da.
»Fur diesen Ausflug wird sie nur eine oder zwei Minuten der verfugbaren Zeit brauchen. In ihren Batterieelementen hat sie aber insgesamt siebenunddrei?ig Stunden. Das ist die Maximalspanne, die diese Maschinen an einem Ort bleiben konnen, ohne zuruckzukehren.« Die Rohren drehten sich jetzt schnell. Sie horten ein schnelles Knattern, wie von einer Maschinenpistole.
»Das ist der Abstandscheck: Infrarotsensoren kontrollieren die Umgebung der Maschine. Ohne zwei Meter Sicherheitsabstand auf allen Seiten lauft das Programm nicht weiter. Kontrolliert wird auf beiden Seiten. Wir wollen ja nicht, da? die Maschine mitten in einer Steinmauer herauskommt. Okay. Jetzt wird Xenon freigesetzt. Jetzt geht die Reise los.«
Das Summen war inzwischen sehr laut. Die Drehbewegung war jetzt so schnell, da? die Rohren verschwammen. Die Frau im Inneren war deutlich zu sehen.
Sie horten eine Stimme vom Band: »Stillhalten. Augen offen.Tief einatmen. Anhalten ... Jetzt!«
Vom Dach der Maschine sauste ein einzelner Ring nach unten, der sie schnell von Kopf bis Fu? scannte.
»Jetzt genau aufpassen. Es geht sehr schnell«, sagte Gordon. Kate sah violette Laserstrahlen von den Rohren ins Innere schie?en. Einen Augenblick lang schien die Frau darin wei? aufzugluhen, und dann blitzte dort ein blendend wei?es Licht auf. Kate schlo? die Augen und wandte sich ab. Als sie wieder hinsah, tanzten ihr Sterne vor den Augen, und im ersten Augenblick konnte sie nicht erkennen, was passiert war. Dann sah sie, da? die Maschine kleiner wurde. Sie hatte sich von den Kabeln gelost, die jetzt frei vom Gitter herunterbaumelten. Noch ein Laserblitz.
Die Maschine war kleiner. Die Frau darin war kleiner. Sie war jetzt knapp einen Meter gro? und schrumpfte vor ihren Augen in einer Reihe heller Laserblitze immer weiter.
»O Gott«, sagte Stern und starrte gebannt hin. »Wie fuhlt sich das an?« »Uberhaupt nicht«, antwortete Gordon. »Sie spuren uberhaupt nichts. Die Nervenleitungszeit von der Haut zum Hirn bewegt sich in der Gro?enordnung von hundert Millisekunden. Die Laservaporisierung dauert funf Nanosekunden. Sie sind langst weg.« »Aber sie ist noch hier.«
»Nein, ist sie nicht. Sie war schon mit dem ersten Laserblitz verschwunden. Der Computer verarbeitet jetzt nur die Daten. Was Sie jetzt sehen, sind Artefakte der Kompressionsschritte. Die Kompression ist bei drei hoch minus zwei...«
Wieder gab es einen hellen Blitz. Der Kafig schrumpfte nun sehr schnell. Erst war er einen Meter hoch, dann sechzig Zentimeter. Jetzt war er schon dicht am Boden - weniger als drei?ig Zentimeter hoch. Die Frau darin sah aus wie eine kleine Puppe in Khakis. »Minus vier«, sagte Gordon. Wieder ein heller Blitz, dicht uber dem Boden. Jetzt konnte Kate den Kafig uberhaupt nicht mehr sehen. »Was ist mit der Maschine passiert?« »Sie ist dort. So gut wie.«
Noch ein Blick, nur noch ein kleiner Lichtpunkt auf dem Boden. »Minus funf.«
Die Blitze kamen jetzt sehr schnell, wie blinkende Leuchtkafer, und wurden immer schwacher. Gordon zahlte sie aus.
»Und minus vierzehn... Verschwunden.«
Jetzt kamen keine Blitze mehr.
Nichts.
Der Kafig war verschwunden. Der Boden aus dunklem Gummi war leer.
Kate fragte: »Und das sollen wir machen?« »Es ist keine unangenehme Erfahrung«, sagte Gordon. »Sie sind die ganze Zeit bei klarem Bewu?tsein, was wir eigentlich gar nicht erklaren konnen. Nach den letzten Datenkompressionen befinden Sie sich in sehr kleinen Raum-Zeit-Gebieten - in subatomaren Regionen -, und dort sollte Bewu?tsein eigentlich gar nicht moglich sein. Und doch ist es so. Wir glauben, da? es vielleicht ein Artefakt ist, eine Halluzination, die den Ubergang uberbruckt. Falls das zutrifft, ist es so wie der Phantomschmerz, den Amputierte fuhlen, obwohl das Glied gar nicht mehr da ist. Vielleicht ist es eine Art Phantomgehirn. Wir reden hier naturlich von sehr kurzen Zeitspannen, Nanosekunden. Und richtig verstehen kann das Bewu?tsein sowieso niemand.«
Kate runzelte die Stirn. Einige Zeit lang hatte sie sich nun etwas angesehen, was sie als Architektur betrachtete, in Dimensionen der Entsprechung von Form und Funktion: War es nicht faszinierend, da? diese riesigen unterirdischen Konstruktionen eine konzentrische Symmetrie hatten, die ein wenig an mittelalterliche Burgen erinnerte, obwohl diese modernen Gebilde ohne jeden asthetischen Plan gebaut wurden? Sie waren gebaut worden, einfach nur um ein wissenschaftliches Problem zu losen. Sie fand das daraus entstandene Erscheinungsbild faszinierend.
Jetzt aber, da sie konfrontiert war mit dem, wozu diese Maschinen tatsachlich
»Nein. Wir zerstoren sie«, erwiderte Gordon unverblumt. »Man mu? das Original zerstoren, damit es am anderen Ende wieder aufgebaut werden kann. Das eine ohne das andere geht nicht.«
»Dann ist sie also gestorben?«
»Das wurde ich nicht sagen, nein. Sehen Sie —«
»Aber wenn man eine Person an einem Ende zerstort«, sagte Kate, »ist sie dann nicht tot?«
Gordon seufzte. »Das ist mit traditionellen Begriffen schwer zu umschreiben. Da man genau im selben Augenblick, in dem man zerstort wird, wiederaufgebaut wird, wie kann man da sagen, da? man gestorben ist? Man ist nicht gestorben. Man wurde einfach woandershin bewegt.«
Stern war sich sicher — es war ein korperliches Gefuhl in der Magengrube —, da? Gordon uber diese Technologie nicht ganz die Wahrheit sagte. Allein schon beim Anblick dieser bogenformigen Wasserschilde und all der verschiedenen Maschinen, die auf dem Boden herumstanden, hatte er den Eindruck, da? hier noch einiges unerklart geblieben war. Er versuchte es herauszufinden.
»Sie ist jetzt in dem anderen Universum?« fragte er.
»Genau.«
»Sie haben sie ubertragen, und sie ist jetzt im anderen Universum angekommen. Wie ein Fax?«
»Genau.«
»Aber um sie wiederaufzubauen, brauchen Sie am anderen Ende ein Faxgerat.«
Gordon schuttelte den Kopf. »Nein, brauchen wir nicht«, sagte er.
»Warum nicht?«
»Weil sie bereits dort ist.«
Stern runzelte die Stirn. »Sie ist bereits dort? Wie kann das sein?« »Im Augenblick der Ubertragung ist die Person bereits im anderen Universum. Und deshalb mu? sie von uns nicht mehr aufgebaut werden.«
»Warum?« fragte Stern.
»Fur den Augenblick betrachten Sie es einfach als ein Charakteristikum des Multiversums. Wenn Sie wollen, konnen wir spater noch eingehender daruber sprechen. Ich wei? nicht so recht, ob man alle mit diesen Detailproblemen belastigen sollte«, sagte er und nickte zu den anderen.
Da ist wirklich noch mehr, dachte Stern. Etwas, das er uns nicht sagen will. Stern sah sich noch einmal den Ubertragungsbereich an. Versuchte, das zu finden, was hier nicht stimmte. Denn er war sich ganz sicher, da? etwas nicht stimmte.
»Haben Sie uns nicht gesagt, da? Sie bis jetzt nur ein paar Leute zuruckgeschickt haben?« »Das stimmt, ja.«
»Mehrere gleichzeitig?« . »Fast nie. Ganz selten zwei.«
»Wozu haben Sie dann so viele Maschinen?« fragte Stern. »Ich zahle da drau?en acht. Wurden zwei nicht reichen?«
»Was Sie hier sehen, sind nur die Resultate unseres
Forschungsprogramms«, sagte Gordon. »Wir versuchen bestandig,
unser Design zu verbessern.«
Gordon hatte zwar sehr schlussig geantwortet, aber Stern war uberzeugt, da? er etwas — ein leichtes Unbehagen — in seinen Augen gesehen hatte.