Computersimulation wird sich bestimmt auszahlen.«
Chris hatte nur Zeit zu nicken, bevor Doniger sagte: »Und David Stern.
Wir haben uns noch nicht kennengelernt. Aber soweit ich wei?, sind Sie ebenfalls Physiker, wie ich.«
»Das stimmt...«
»Willkommen an Bord. Und Andre. Sie werden aber auch nicht kleiner! Mit Ihrem Paper uber die Turniere Edwards I. haben Sie es Monsieur Contamine aber gezeigt. Gute Arbeit. Nun aber, bitte setzen Sie sich.« Sie nahmen Platz, und Doniger ging zum Kopfende des Tisches. »Ich will gleich zur Sache kommen«, sagte er. »Ich brauche Ihre Hilfe. Und ich will Ihnen auch sagen, warum. Seit zehn Jahren arbeitet meine Firma an der Entwicklung einer revolutionaren neuen Technologie. Es ist keine militarisch nutzbare Technologie. Es ist auch keine kommerziell verwertbare Technologie, aus der sich Profit schlagen la?t. Im Gegenteil, es ist eine vollig menschenfreundliche und friedliche Technologie, die uns allen von gro?em Nutzen sein wird. Von wirklich sehr gro?em Nutzen. Aber ich brauche Ihre Hilfe.« »Uberlegen Sie nur einen Augenblick«, fuhr Doniger fort, »wie ungleich sich die Technik im zwanzigsten Jahrhundert auf die unterschiedlichen Wissensgebiete ausgewirkt hat. Die Physik benutzt allermodernste technische Errungenschaften - darunter Teilchenbeschleuniger von vielen Kilometern im Durchmesser. Dasselbe gilt fur die Chemie und die Biologie. Vor hundert Jahren hatten Faraday und Maxwell winzige private Labors. Darwin arbeitete mit Notizblock und Mikroskop. Aber heute kann keine wichtige wissenschaftliche Entdeckung mehr mit so einfachen Mitteln gemacht werden. Die Naturwissenschaft ist vollig von modernster Technik abhangig. Aber was ist mit den Geisteswissenschaften? Was ist in dieser Zeit mit ihnen passiert?«
Doniger legte eine rhetorische Pause ein. »Die Antwort lautet: nichts. Es gibt keine nennenswerten technischen Hilfsmittel. Der Literaturwissenschaftler oder der Historiker arbeitet noch genau so wie seine Vorganger vor hundert Jahren. Oh, naturlich gab es einige kleinere Veranderungen bei der Echtheitsprufung von Dokumenten, es gibt CD-ROMS als Speichermedien und so weiter. Aber die grundlegende alltagliche Arbeit des Forschers ist genau dieselbe geblieben.«
Er sah jeden einzeln an. »Es liegt hier also ein Ungleichgewicht vor. Er herrscht keine Balance zwischen den verschiedenen Bereichen menschlichen Wissens. Die Mediavisten sind stolz darauf, da? in ihrem Forschungsgebiet im zwanzigsten Jahrhundert eine Revolution stattgefunden hat. Aber die Physik hat im selben Jahrhundert drei Revolutionen erlebt. Vor hundert Jahren diskutierten die Physiker uber das Alter des Universums und die Quelle der Energie der Sonne. Kein Mensch auf Erden kannte die Antwort. Heute kennen sie sogar Schulkinder. Heute haben wir das Universum der Lange und der Breite nach durchmessen, wir verstehen es von der Ebene der Galaxien bis hinunter zur Ebene subatomarer Teilchen. Wir haben so viel gelernt, da? wir detailliert uber das sprechen konnen, was in den ersten Minuten nach der Geburt des explodierenden Universums passiert ist. Was haben Mediavisten dem an Fortschritten in ihrem Bereich entgegenzusetzen? Niemand hat je eine Technologie entwickelt, die den Historikern nutzt — bis jetzt.«
Eine meisterhafte Vorstellung, dachte Gordon. Eine von Donigers besten — charmant, dynamisch, zuweilen fast euphorisch. Tatsache war aber, da? Doniger ihnen eben nichts anderes geliefert hatte als eine aufregende Begrundung fur das Projekt, ohne auch nur ein Wort uber seinen wahren Zweck zu verlieren. Ohne ihnen zu sagen, was wirklich los war.
»Aber wie gesagt, ich brauche Ihre Hilfe. Ich brauche sie wirklich.« Donigers Stimmung schien sich zu andern. Er sprach jetzt langsam, ernst, besorgt. »Sie wissen, da? Professor Johnston zu uns kam,
weil er glaubte, wir wurden ihm Informationen vorenthalten. In gewisser Weise haben wir das sogar getan. Wir hatten Informationen, die wir nicht weitergegeben haben, weil wir nicht erklaren konnten, woher wir sie hatten.«
Und, dachte Gordon, weil Kramer Mist gebaut hat. »Professor Johnston hat uns bedrangt«, fuhr Doniger fort. »Sie kennen ja seine Art. Er drohte uns sogar mit der Presse. Und schlie?lich zeigten wir ihm die Technologie, die wir Ihnen jetzt gleich zeigen werden. Als er es sah, war er sehr aufgeregt — wie Sie es gleich sein werden. Aber er bestand darauf, in diese Zeit zuruckzureisen und sich alles selbst anzusehen.«
Doniger hielt inne. »Wir wollten nicht, da? er geht. Wieder drohte er uns. Schlie?lich hatten wir keine andere Wahl, als ihn gehenzulassen. Das war vor drei Tagen. Er ist noch immer dort. Er hat Sie um Hilfe gebeten, mit Hilfe einer Nachricht, von der er wu?te, da? Sie sie finden wurden. Sie kennen die Gegend und die Zeit so gut wie sonst niemand auf der Welt. Sie mussen zuruckgehen und ihn holen. Sie sind seine einzige Chance.«
»Was genau ist mit ihm passiert, nachdem er zuruckging?« fragte Marek.
»Das wissen wir nicht«, erwiderte Doniger. »Aber er hat sich nicht an die Regeln gehalten.« »Welche Regeln?«
»Sie mussen verstehen, da? diese Technologie noch immer sehr neu ist. Wir waren bis jetzt sehr vorsichtig in der Art, wie wir sie benutzen. Seit zwei Jahren schicken wir nun schon Beobachter zuruck in die Vergangenheit, und wir nehmen dazu Ex-Marines, militarisch geschulte Leute. Aber die sind naturlich keine Historiker, und wir haben sie immer an der kurzen Leine gehalten.« »Das hei?t?«
»Wir haben unseren Beobachtern nicht gestattet, die Welt zu betreten.
Wir haben sie nie langer als eine Stunde dortgelassen. Und wir haben ihnen nicht gestattet, sich mehr als funfzig Meter von der Maschine zu entfernen. Kein Mensch hat je diese Maschine hinter sich gelassen und ist in die Welt marschiert.«
»Aber der Professor hat es getan?« fragte Marek.
»Offensichtlich,ja.« »Und wir mussen es auch tun, wenn wir ihn finden wollen. Wir mussen die Welt betreten.« »Ja«, sagte Doniger.
»Und Sie sagen, da? wir die ersten Menschen sind, die das tun? Die ersten, die die Welt betreten?«
»Ja. Sie, und vor Ihnen der Professor.«
Schweigen.
Doch plotzlich zeigte sich auf Mareks Gesicht ein breites Grinsen.
»Gro?artig«, sagte er. »Ich kann's nicht erwarten!«
Aber die anderen sagten nichts. Sie sahen verkrampft, nervos aus.
Stern sagte: »Dieser Mann, der in der Wuste gefunden wurde...«
»Joe Traub«, entgegnete Doniger. »Er war einer unserer besten
Wissenschaftler.«
»Was wollte er in der Wuste?«
»Offensichtlich fuhr er einfach dorthin. Inzwischen wurde sein Auto gefunden. Aber wir wissen nicht, warum er es tat.« Stern sagte: »Angeblich stimmte mit ihm irgendwas nicht, irgendwas mit seinen Fingern...«
»Davon stand nichts im Autopsiebericht«, sagte Doniger. »Er starb an einem Herzanfall.«
»Dann hatte sein Tod also nichts mit Ihrer Technologie zu tun?« »Uberhaupt nichts«, sagte Doniger.
Wieder entstand ein Schweigen. Chris rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. »Fur einen Laien - wie sicher ist diese Technologie?« »Sicherer als Auto fahren«, antwortete Doniger ohne Zogern. »Man wird Sie grundlich uber alles informieren, und wir geben Ihnen unsere erfahrensten Beobachter als Begleitung mit. Der Ausflug wird maximal zwei Stunden dauern. Sie gehen einfach zuruck und holen ihn.« Chris Hughes trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Kate bi? sich auf die Unterlippe. Keiner sagte etwas.
»Sehen Sie, das ist alles freiwillig«, sagte Doniger. »Es liegt vollig an Ihnen, ob Sie gehen oder nicht. Aber der Professor hat Sie um Hilfe gebeten. Und ich glaube nicht, da? Sie ihn im Stich lassen wurden.« »Warum schicken Sie nicht einfach die Beobachter?« fragte Stern.
»Weil sie nicht genug wissen, David. Wie Ihnen sicher bewu?t ist, handelt es sich um eine von der unseren vollig verschiedenen Welt. Sie haben den Vorteil Ihres Wissens. Sie kennen das Gelande, und Sie wissen detailliert uber die Zeit Bescheid. Sie kennen die Sprache und die Gebrauche.«
»Aber unser Wissen ist theoretisch«, sagte Chris. »Jetzt nicht mehr«, sagte Doniger.
Die Gruppe verlie? das Zimmer zusammen mit Gordon, der ihnen nun die Maschinen zeigen sollte. Doniger sah ihnen nach und drehte sich dann um, als Kramer den Raum betrat. Sie hatte alles uber die interne Videoanlage beobachtet.
»Was nieinst du, Diane?« fragte Doniger. »Werden sie es tun?« »Ja. Sie gehen.« »Schaffen sie es?«
Kramer zogerte. »Ich wurde sagen, die Chancen stehen fifty-fifty.«
Sie gingen eine breite Betonrampe hinunter, die gro? genug fur einen Lastwagen war. Am Ende befand sich ein machtiges Stahltor. Marek sah ein halbes Dutzend Uberwachungskameras, die in verschiedenen Positionen in der Umgebung der Rampe montiert waren. Die Kameras folgten ihnen, als sie auf das Tor zugingen. Unten