merkwurdige Entitaten sind. Man wei? nicht so recht, wo sie sind, man kann sie nicht exakt messen, und man kann nicht vorhersagen, was sie tun werden. Manchmal verhalten sie sich wie Teilchen, manchmal wie Wellen. Manchmal interagieren — >wechselwirken<, wie die Physiker sagen — zwei Teilchen miteinander, obwohl sie Millionen von Kilometern voneinander entfernt sind, ohne jede Verbindung zwischen ihnen. Und so weiter. Die Theorie fangt langsam an, sehr merkwurdig auszusehen. Jetzt passieren zwei Dinge mit der Quantentheorie. Zum einen wird sie bestatigt, immer und immer wieder. Es ist die am besten bewiesene Theorie in der Geschichte der Wissenschaft. Scanner im Supermarkt, Laser und Computerchips, das alles beruht auf der Quantenmechanik. Es besteht deshalb absolut kein Zweifel daran, da? die Quantentheorie die korrekte mathematische Beschreibung des Universums ist.

Aber das Problem ist, sie ist nur eine mathematische Beschreibung. Nur eine Reihe von Gleichungen. Und die Physiker konnten sich die Welt, die diese Gleichungen implizierten, nicht bildlich vorstellen - sie war einfach zu merkwurdig, zu widerspruchlich. Einstein zum Beispiel gefiel das uberhaupt nicht. Er hatte den Eindruck, da? die Theorie einen Makel hatte. Aber sie wurde immer wieder bestatigt, und die Situation wurde schlimmer und schlimmer. Schlie?lich mu?ten sogar Wissenschaftler, die fur ihre Beitrage zur Quantentheorie den Nobelpreis gewannen, zugeben, da? sie sie nicht verstanden. Es ergab sich also eine sehr merkwurdige Situation. Fast seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts existiert nun eine Theorie, die jeder benutzt und die jeder als korrekt bezeichnet - aber kein Mensch kann erklaren, was sie uber die Welt aussagt.«

»Was hat das alles mit multiplen Universen zu tun?« fragte Marek. »Dazu komme ich gleich«, erwiderte Gordon.

Viele Physiker hatten versucht, die Gleichungen zu erklaren, sagte Gordon. Aber aus dem einen oder dem anderen Grund versagte jeder Erklarungsversuch. Doch 1957 schlug ein Physiker namens Hugh Everett eine gewagte, neue Erklarung vor. Everett behauptete, da? unser Universum — das Universum, das wir sehen, das Universum der Felsen und Baume und Menschen und Galaxien im All - nur eins aus einer unendlichen Zahl von Universen sei, die alle nebeneinander existierten. Jedes dieser Universen verzweigte sich standig, so da? es ein Universum gab, in dem Hitler den Krieg verlor, und ein anderes, in dem er ihn gewann; ein Universum, in dem Kennedy starb, ein anderes, m dem er weiterlebte. Und auch eine Welt, in der man sich am Morgen die Zahne putzte, und eine andere, in der man es nicht tat.

Und so weiter, und so weiter, und so weiter. Eine Unendlichkeit von Welten.

Everett nannte dies die »Vielwelten-Erklarung« der Quantenmechanik. Seine Erklarung stand zwar im Einklang mit Quantengleichungen aber den Physikern fiel es schwer sie zu akzeptieren. Ihnen gefiel der Gedanke nicht, da? all diese Wellen sich standig verzweigten. Sie fanden es wenig glaubhaft, da? die Wirklichkeit eine solche Form annehmen konnte.

»Die meisten Physiker weigern sich noch immer, sie zu akzeptieren«, sagte Gordon. »Obwohl sie bis jetzt noch keiner widerlegt hat.« Everett selbst hatte keine Geduld mit den Einwanden seiner Kollegen. Er beharrte darauf, da? die Theorie korrekt sei. ob es ihnen nun gefiel oder nicht. Wenn man seine Theorie nicht glaubte, war man einfach nur borniert und altmodisch, genau wie die Wissenschaftler, die dem kopernikanischen System, das die Sonne in den Mittelpunkt unseres Planetensystems stellte, keinen Glauben schenkten — eine Theorie, die damals ebenfalls unglaublich erschienen war. »Denn Everett behauptete, da? die Vielweltentheorie tatsachlich wahr sei. Da? es multiple Universen tatsachlich gebe. Und da? sie neben unserem eigenen existierten. Schlie?lich wurden diese multiplen Universen unter dem Begriff >Multiversum< zusammengefa?t.« »Moment mal«, sagte Chris. »Wollen Sie damit sagen, da? das alles wirklich stimmt?« »Ja«, sagte Gordon. »Es stimmt.« »Woher wissen Sie das?« fragte Marek.

»Ich werde es Ihnen zeigen«, antwortete Gordon und griff nach einem Aktendeckel mit der Aufschrift »ITC/CTC-Technology«. Er zog ein leeres Blatt Papier heraus und fing an zu zeichnen. »Ein sehr simples Experiment, das schon seit zweihundert Jahren gemacht wird. Stellen Sie zwei Wande auf eine vor die andere. In der ersten Wand befindet sich ein einzelner vertikaler Schlitz.« Er zeigte ihnen die Zeichnung

Jetzt richten sie eine Lichtquelle auf den Schlitz An der Wand dahinter sehen sie -«

»Eine wei?e Linie« sagte Marek. »Von dem Licht das durch den Schlitz fallt«

»Genau. Es sieht ungefahr so aus«Gordon zog ein auf Karton aufgezogenes Foto aus der Mappe.

Gordon zeichnete weiter. »Jetzt haben Sie in der vorderen Wand anstelle des einzelnen Schlitzes zwei Schlitze« Richten Sic eine Lichtquelle darauf, und auf der dahinterliegenden Wand sehen Sie-«

»Zwei vertikale Linien« sagte Marek.

»Nein, Sie sehen eine Reihe von hellen und dunklen Streifen«

Er zeigte ihnen das nachste Foto.

»Und nun«, fuhr Gordon fort, »wenn Sie das l.icht durch vier Schlitze scheinen lassen,dann bekommen sie nur halb so viele Streifen wie zuvor. Weil jeder zweite Streifen schwar/, wird.«

Marek runzelte die Stirn. »Mehr Schlitze bedeuten weniger Streifen? Warum?«

»Die gewohnliche Erklarung ist die, die ich aufgezeichnet habe — das Licht verhalt sich wie zwei Wellen, die einander uberlagern. An einigen Stellen verstarken sie einander, an anderen loschen sie sich gegenseitig aus. Und das erzeugt dieses abwechselnde Hell-Dun-kel-Muster an der Wind. Wir nennen das eine Interferenz zwischen den beiden Wellen, und was dabei herauskommt, ist ein Interferenzmuster.« Chris Hughes fragte: »Und? Was ist falsch daran?« »Falsch daran ist«, fuhr Gordon fort,»da? ich Ihnen eben eine Erklarung des neunzehnten Jahrhunderts gegeben habe. Sie war vollig in Ordnung, als noch jeder glaubte, da? Licht eine Welle sei. Aber seit Einstein wissen wir, da? Licht aus Teilchen, sogenannten Photonen, besteht. Wie erklart man, da? ein Haufen Photonen dieses Muster erzeugt?« Alle schwiegen. Sie schuttelten nur den Kopf.

Nun sagte David Stern zum ersten Mal etwas. »Teilchen sind nicht so simpel, wie Sie sie beschrieben haben. Teilchen haben einige wellenahnliche Eigenschaften, abhangig von der Situation. Es kann zu Interferenzen zwischen Teilchen kommen. In diesem Fall entsteht zwischen den Photonen in dem Lichtstrahl eine Interferenz, die genau dieses Muster erzeugt.«

»Das klingt zumindest logisch«, sagte Gordon. »Schlie?lich ist ein Lichtstrahl nichts anderes als -zig Milliarden Photonen. Man kann sich leicht vorstellen, da? die auf irgendeine Art wechselwirken und so das Interferenzmuster erzeugen.«

Sie alle nickten. Ja, das war wirklich leicht vorstellbar. »Aber stimmt das tatsachlich?« fragte Gordon. »Ist es wirklich das was passiert? Eine Moglichkeit, das herauszufinden, ist, jede Wechselwirkung zwischen den Photonen zu eliminieren. Beschaftigen wir uns nur mit einem einzelnen Photon. Das wurde im Experiment bereits gemacht. Man nimmt einen Lichtstrahl, der so schwach ist, da? jeweils immer nur ein Photon herauskommt. Und man kann sehr empfindliche Detektoren hinter den Schlitz stellen, so empfindlich, da? sie merken, wenn ein einzelnes Photon sie trifft. Okay?«

Diesmal nickten sie langsamer.

»Jetzt kann es keine Interferenz mit anderen Photonen geben, weil wir es ja nur mit einem einzelnen Photon zu tun haben. Die Photonen kommen immer einzeln heraus, eins nach dem anderen. Die Detektoren zeichnen auf, wo die Photonen landen. Und nach ein paar Stunden erhalten wir ein Resultat. Und das sieht etwa so aus.« »Was wir sehen«, sagte Gordon, »ist, da? die einzelnen Photonen immer nur an bestimmten Stellen landen, nie an anderen. Sie verhalten sich genau so, wie sie es in einem normalen Lichtstrahl tun. Aber sie kommen einzeln heraus. Es gibt keine anderen Photonen, mit denen sie interferieren konnten. Aber trotzdem interferiert irgend etwas mit ihnen, weil sie das ubliche Interferenzmuster erzeugen. Also: Was interferiert mit einem einzelnen Photon?« Schweigen. »Mr. Stern?«

Stern schuttelte den Kopf. »Wenn man die Wahrscheinlichkeiten berechnet -«

»Wir wollen uns nicht in die Mathematik fluchten. Bleiben wir bei der

Wirklichkeit. Schlie?lich wurde dieses Experiment bereits durchgefuhrt

- mit realen Photonen, die reale Detektoren treffen. Und etwas Reales interferiert mit ihnen. Die Frage ist, was?«

»Es mussen andere Photonen sein«, sagte Stern.

»Ja«, sagte Gordon, »aber wo sind sie? Wir haben Detektoren,

aber die registrieren keine anderen Photonen. Wo sind also die

Photonen, die diese Interferenz produzieren?«

Stern seufzte. »Okay«, sagte er und warf die Hande in die Hohe.

Chris fragte: »Was soll das hei?en, okay. Was ist okay?«

Gordon nickte Stern zu. »Sagen Sie es ihnen.«

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