Im Lauf der Jahre hatte Kramer sich angewohnt, alles zu wiederholen,

was Doniger sagte, wenn er so auf und ab ging. Fur einen Au?enseiter sah das aus wie Speichelleckerei, aber Doniger fand es hilfreich. Denn haufig, wenn Doniger ihre Wiederholung horte, widersprach er ihr.

Kramer begriff, da? sie in diesem Proze? nur Zuschauerin war. Es mochte zwar aussehen wie ein Gesprach zwischen zwei Leuten, aber das war es nicht. Doniger redete nur mit sich selbst.

»Das Problem ist«, sagte Doniger, »da? wir zwar die Zahl der

Au?enseiter, die uber diese Technologie Bescheid wissen, erhohen,

aber keine entsprechende Gegenleistung erhalten. Wer wei? denn, ob diese Studenten den Professor zuruckbringen konnen?«

»Ihre Chancen stehen besser.«

»Das ist eine Vermutung.« Er ging auf und ab. »Eine schwache.« »Akzeptiert, Bob. Sie ist schwach.«

»Und was ist mit dem Suchtrupp, den du losgeschickt hast? Wen hast du geschickt?«

»Gomez und Baretto. Sie haben den Professor nirgendwo gesehen.« »Wie lang waren sie dort?« »Ungefahr eine Stunde, glaube ich.« »Sie haben die Welt nicht betreten?«

Kramer schuttelte den Kopf. »Warum das Risiko eingehen? Das bringt nichts. Das sind zwei Ex-Marines, Bob. Die wu?ten gar nicht, wo sie suchen sollten, auch wenn sie die Welt betreten wurden. Die wu?ten nicht einmal, wovor sie Angst haben sollten. Das ist eine ganz andere Welt.«

»Aber diese Doktoranden konnten wissen, wo sie suchen mussen.« »Das ist der Gedanke dahinter.«

In der Ferne grollte Donner. Die ersten fetten Regentropfen klatschten gegen die Burofenster. Doniger starrte in den Regen hinaus. »Was ist, wenn wir diese Doktoranden auch verlieren?«

»Ein PR-Alptraum.«

»Vielleicht«, sagte Doniger. »Aber darauf mussen wir uns auf jeden Fall vorbereiten.«

Die Turbinen jaulten, als die Gulfstream V mit »ITC« in gro?en silbernen Lettern auf dem Leitwerk auf sie zu rollte. Die Treppe wurde herabgelassen, und eine uniformierte Stewarde? rollte auf dem Asphalt einen roten Teppich aus. Die Doktoranden machten gro?e Augen.

»Kein Schei?«, sagte Chris Hughes. »Das ist wirklich ein roter Teppich.«

»Gehen wir«, sagte Marek. Er warf sich seinen Rucksack uber die Schulter und fuhrte sie an Bord.

Marek hatte auf ihre Fragen nicht geantwortet und Unwissenheit vorgeschutzt. Er berichtete ihnen von den Ergebnissen der Radiokarbondatierung. Er sagte ihnen, er konne sie nicht erklaren. Er sagte ihnen, ITC wolle, da? sie dem Professor zu Hilfe kamen, und da? es dringend sei. Mehr sagte er nicht. Und ihm fiel auf. da? auch Stern sehr schweigsam war.

Im Inneren des Flugzeugs herrschten Grau und Silber vor. Die

Stewarde? fragte sie, was sie trinken wollten. Dieser ganze Luxus stand in deutlichem Kontrast zu dem hart wirkenden Mann mit Burstenschnitt,

der jetzt in die Passagierkabine kam, um sie zu begru?en. Obwohl der

Mann einen Geschaftsanzug trug, spurte Marek etwas Militarisches an ihm, als er jedem einzelnen von ihnen die Hand gab.

»Mein Name ist Gordon«, sagte er. »Vizeprasident von ITC.

Willkommen an Bord. Die Flugzeit nach New Mexico betragt neun

Stunden und vierzig Minuten. Bitte schnallen Sie sich an.«

Sie sanken in ihre Sitze, denn schon spurten sie, wie das Flugzeug uber die Startbahn rollte. Augenblicke spater drohnten die Turbi-neu auf, und als Marek aus dein Fenster schaute, sah er, da? die franzosische Landschaft bereits unter ihnen zuruckblieb. Es konnte schlimmer sein, dachte Gordon, der hinten im Flugzeug sa? und die Gruppe betrachtete. Zugegeben, es waren Akademiker. Sie waren ein bi?chen verwirrt. Und es herrschte keine Koordination, kein Teamgeist unter ihnen.

Andererseits schienen sie alle in recht ordentlicher korperlicher Verfassung zu sein, vor allem dieser Auslander, Marek. Und die Frau war auch nicht schlecht. Guter Muskeltonus in den Armen, Schwielen an den Handen. Kompetentes Auftreten. Die konnte unter Druck standhalten, dachte er.

Aber der gutaussehende Junge war wohl nicht zu gebrauchen. Gordon seufzte, als Chris Hughes zum Fenster hinausschaute, sein Spiegelbild bemerkte und sich die Haare zuruckstrich.

Bei dem vierten, dem Strebertypen, war Gordon sich nicht ganz sicher. Offensichtlich hatte er viel Zeit im Freien verbracht, seine Kleidung war ausgebleicht, seine Brillenglaser zerkratzt. Offenbar ein Technikfreak. Der alles uber Gerate und Schaltkreise wu?te, aber nichts uber die Welt. Es war schwer zu sagen, wie er reagieren wurde, wenn es hart auf hart ging.

Der kraftige Mann, Marek, sagte: »Erzahlen Sie uns jetzt, was eigentlich los ist?«

»Ich glaube, Sie wissen es bereits, Mr. Marek«, entgegnete Gordon. »Oder?«

»Ich habe ein Stuck sechshundert Jahre altes Pergament mit der Schrift des Professors darauf. Geschrieben mit sechshundert Jahre alter Tinte.« »Ja. Das stimmt.«

Marek schuttelte den Kopf. »Es fallt mir schwer, das zu glauben.« »Zum gegenwartigen Zeitpunkt ist es einfach eine technologische Realitat. Man kann es machen.« Er stand auf und setzte sich zu der Gruppe.

»Sie meinen Zeitreisen«, sagte Marek.

»Nein«, sagte Gordon. »Zeitreisen meine ich absolut nicht. Zeitreisen ist unmoglich. Das wei? jeder.« »Allein schon der Gedanke des Zeitreisens ist Unsinn, da Zeit nicht flie?t«, fuhr er fort. »Da? wir glauben, die Zeit vergehe, ist nur ein Fehler unseres Nervensystem - der Art, wie die Welt fur uns aussieht. In Wirklichkeit vergeht die Welt nicht, wir vergehen. Die Zeit selbst ist invariant. Sie ist einfach. Deshalb sind Vergangenheit und Zukunft nicht verschiedene Orte, so wie New York und Paris verschiedene Orte sind. Und da die Vergangenheit kein Ort ist, kann man auch nicht dorthin reisen.«

Sie alle schwiegen. Und starrten ihn nur an.

»Es ist wichtig, da? wir uns daruber im klaren sind«, sagte Gordon. »Die ITC-Technologie hat nichts zu tun mit Zeitreisen, zumindest nicht direkt. Was wir entwickelt haben, ist eine Art des Raumreisens. Um genau zu sein, wir verwenden die Quantentechnologie, um eine orthogonale Koordinatentransformation im Multiversum zu erzeugen.« Sie sahen ihn verstandnislos an.

»Das hei?t«, sagte Gordon, »wir reisen zu einem anderen Ort im Multiversum.«

»Und was ist das Multiversum?«

»Das Multiversum ist die Welt, wie sie von der Quantenmechanik definiert wird. Es bedeutet, da? —«

»Quantenmechanik?« wiederholte Chris. »Was ist Quantenmechanik?« Gordon zogerte kurz. »Das ist ziemlich schwierig«, sagte er. »Aber da Sie alle Historiker sind, will ich versuchen, es ihnen historisch zu erklaren.«

»Vor hundert Jahren«, sagte Gordon, »erkannten die Physiker, da? Energie - wie Licht oder Magnetismus oder Elektrizitat - aus kontinuierlich sich ausbreitenden Wellen besteht. Wir reden noch immer von >Funkwellen< oder >Lichtwellen<. Tatsachlich war die Erkenntnis, da? jede Form von Energie diesen Wellencharakter besitzt, eine der gro?ten Leistungen der Physik des neunzehnten Jahrhunderts.« »Aber es gab da ein kleines Problem«, fuhr er fort. »Damals zeigte sich, da? man, wenn man ein Licht auf eine Metallplatte richtete, elektrischen Strom erhielt. Der Physiker Max Planck beschaftigte sich mit dem Verhaltnis zwischen der Menge des Lichts, die die Platte traf, und der Menge des erzeugten Stroms, und er kam zu dem Schlu?, da? Energie keine kontinuierliche Welle war. Statt dessen schien die Energie aus individuellen Einheiten zu bestehen, die er Quanten nannte. Die Entdeckung, da? Energie aus Quanten besteht, war der Beginn der Quantenmechanik. Einige Jahre spater zeigte Einstein, da? man den photoelektrischen Effekt erklaren konnte, wenn man annahm, da? Licht aus Teilchen bestand, die er Photonen nannte. Diese Photonen des Lichts trafen die Metallplatte und schlugen Elektronen heraus, was die Elektrizitat erzeugte. Mathematisch funktionierten die Gleichungen. Sie pa?ten zu der Hypothese, da? Licht aus Teilchen bestand. Bis hierher alles klar?« »Ja ...«

»Und ziemlich schnell erkannten die Physiker, da? nicht nur Licht, sondern jede Energie aus Teilchen bestand. Da? genaugenommen die gesamte Materie aus Teilchen aufgebaut war. Atome bestanden aus schweren Teilchen im Kern und leichten Elektronen, die au?en herumwirbelten. Nach diesem neuen Denken besteht alles aus Teilchen. Okay?« »Okay...«

»Diese Teilchen sind diskrete Einheiten oder Quanten. Und die Theorie, die beschreibt, wie sich diese Teilchen verhalten, ist die Quantentheorie. Eine der gro?en Entdeckungen der Physik des zwanzigsten Jahrhunderts.« Alle nickten.

»Die Physiker beschaftigen sich weiter mit diesen Teilchen und erkennen allmahlich, da? es sehr

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