holzernen Markt in der Mitte des Platzes? Ahnliche uberdachte Markte findet man in vielen Stadten hier in der Gegend. Das bedeutet, da? die Stadt eine oastide ist, ein neuer, befestigter Ort. Im vierzehnten Jahrhundert wurden in Frankreich fast tausend hastidcs gegrundet. Einige wurden gebaut, um Territorium zu sichern. Aber viele wurden nur gebaut, um Geld zu machen.«

Nun hatte sie die Aufmerksamkeit der Aktienhandler. Einer der Manner n? den Kopf hoch und sagte: »Moment mal. Wie kann man mit dem Bau einer Stadt Geld verdienen?« Kate lachelte. »Die Volkswirtschaft im vierzehnten Jahrhundert«, sagte sie, »hat ungefahr so funktioniert: Nehmen wir an, du bist ein Adliger, der eine Menge Land besitzt. Frankreich im vierzehnten Jahrhundert ist gro?tenteils bewaldet, was bedeutet, da? dein Land hauptsachlich Wald ist, in dem Wolfe hausen. Vielleicht hast du hier und dort ein paar Bauern, die dir eine ziemlich durftige Pacht zahlen. Aber so wird man nicht reich. Und weil du ein Adliger bist, brauchst du immer dringend Geld, um Kriege zu fuhren und den aufwendigen Lebensstil zu bezahlen, der von dir erwartet wird.

Was kannst du also tun, um die Einkunfte aus deinen Landereien zu erhohen? Du baust eine neue Stadt. Du siedelst Leute in deiner neuen Stadt an, indem du ihnen spezielle Steuerbefreiungen versprichst, spezielle Privilegien, die in der Stadtverfassung festgelegt sind. Im Grunde genommen befreist du die Stadter von feudalen Verpflichtungen.«

»Und warum gibt man ihnen diese Vergunstigungen?« »Weil du so bald Handler und Markte in der Stadt hast, und deren Steuern und Gebuhren bringen dir viel mehr Geld ein. Du verlangst Gebuhren fur alles. Fur die Benutzung der Stra?e, die in die Stadt fuhrt. Fur das Recht, durch das Stadttor zu treten. Fur das Recht, auf dem Markt einen Stand aufzubauen. Fur die Soldaten, die in der Stadt Ordnung halten. Fur die Zulassung von Geldverleihern zum Markt.« »Nicht schlecht«, sagte einer der Manner.

»Absolut nicht schlecht. Und zusatzlich verlangst du einen Prozentsatz von allem, was auf dem Markt verkauft wird.« »Wirklich? Wieviel Prozent?«

»Das hing ab von dem Ort und von der jeweiligen Ware. Im allgemeinen zwischen einem und funf Prozent. Der Markt ist also der eigentliche Grund fur die Stadt. Man sieht es deutlich an ihrer Anlage. Seht euch die Kirche da druben an«, sagte sie und deutete zur Seite. »In fruheren Jahrhunderten war die Kirche der Mittelpunkt des Ortes. Die Leute gingen mindestens einmal pro Tag zur Messe. Das ganze Leben drehte sich um die Kirche. Aber hier in Domme steht die Kirche seitlich. Der Markt ist jetzt das Zentrum der Stadt.« »Dann kommt das ganze Geld also vom Markt?« »Nicht ausschlie?lich, weil die befestigte Stadt auch Schutz fur die Umgebung bietet, was bedeutet, da? Bauern das Land vor den Toren roden und neue Hofe errichten. Das erhoht auch deine Pachteinkunfte. Alles in allem war eine neue Stadt also eine solide Investition. Und das ist der Grund, warum so viele von diesen Stadten gebaut wurden.« »Ist das der einzige Grund, warum sie gebaut wurden?« »Nein, viele wurden auch aus militarischen Uberlegungen gebaut, als -« Mareks Funkgerat knisterte. Es war wieder Elsie. »Andre?« »Ja«, sagte Marek.

»Du solltest besser sofort ruberkommen. Ich wei? namlich absolut nicht, was ich davon halten soll.« »Warum? Worum geht's denn?« »Komm einfach. Sofort.«

Der Generator tuckerte laut, und das Lagerhaus stand hell erleuchtet in dem dunklen Feld, unter einem Himmel voller Sterne.

Alle drangten sich in dem Lagerhaus zusammen. Elsie sa? an ihrem

Schreibtisch in der Mitte und starrte sie an. Ihr Blick wirkte glasig.

»Elsie?«

»Es ist unmoglich«, sagte sie.

»Was ist unmoglich? Was ist hier passiert?«

Marek sah zu David Stern hinuber, doch der arbeitete noch an einer Analyse in einer Ecke des Raums.

Elsie seufzte. »Ich wei? nicht, ich wei? nicht...«

»Also gut«, sagte Marek. »Jetzt mal von Anfang an.«

»Okay«, sagte sie. »Der Anfang.« Sie stand auf, ging durch den Raum und deutete auf einen Stapel Pergamente, der auf einer Plastikplane auf dem Boden lag. »Das ist der Anfang. Das Dokumentenbundel, das heute vormittag im Kloster gefunden wurde, von mir als M-031 bezeichnet.

David hat mich gebeten, es so schnell wie moglich zu untersuchen.«

Niemand sagte etwas. Sie schauten sie alle nur an.

»Okay«, sagte sie. »Ich bin also dieses Bundel durchgegangen. Ich gehe dabei folgenderma?en vor. Ich nehme mir ungefahr zehn Pergamente und gehe damit zu meinem Schreibtisch.« Sie trug zehn zum Tisch.

»Jetzt setz ich mich an den Schreibtisch und sehe mir eins nach dem anderen an. Dann, nachdem ich den Inhalt eines Blattes zusammengefa?t und die Zusammenfassung in den Computer eingegeben habe, nehme ich das Blatt und fotografiere es hier druben ab.« Sie ging zum Nebentisch und schob das Pergament unter die Kamera.

Marek sagte: »Wir sind vertraut mit —«

»Nein, seid ihr nicht«, erwiderte sie scharf. »Ihr seid uberhaupt nicht vertraut damit.« Elsie kehrte zu ihrem Schreibtisch zuruck und nahm das nachste Pergament vom Stapel. »Okay. Ich gehe also eins nach dem anderen durch. Dieser Stapel hier besteht aus allen moglichen Dokumenten: Rechnungen, Briefabschriften, Antworten auf Anordnungen des Bischofs, Verzeichnisse von Ernteertragen, Bestandslisten des Klosters. Alle um das Jahr 1357.« Sie nahm die Pergamente vom Stapel, eins nach dem anderen. »Und dann ...« Sie nahm das letzte zur Hand. »Sehe ich das da.« Alle starrten das Pergament an. Keiner sagte etwas.

Das Pergament war exakt so gro? wie die anderen des Stapels, doch anstelle einer dichten Beschriftung in Latein oder Altfranzosisch standen auf diesem nur zwei Worte, in schlichtem, modernem Englisch: HELFT MIR 7.4.1357

»Falls es jemandem noch nicht klar ist«, sagte Elsie, »das ist die Handschrift des Professors.«

Alles war still im Raum. Keiner ruhrte sich. Alle starrten nur schweigend das Pergament an.

Marek dachte sehr schnell, er ging alle Moglichkeiten durch. Wegen seines detaillierten, enzyklopadischen Wissens uber das Mittelalter hatte er dem Metropolitan Museum in New York jahrelang als externer Gutachter fur mittelalterliche Artefakte gedient. Er hatte deshalb betrachtliche Erfahrungen mit Falschungen aller Art. Es stimmte zwar, da? man ihm nur selten gefalschte Dokumente aus dem Mittelalter vorlegte - die Falschungen waren meistens Edelsteine in einem Armband, das nur zehn Jahre alt war, oder eine Rustung, die sich als in Brooklyn gefertigt erwies -, aber dank seiner Erfahrung wu?te er genau, wie er an das Problem herangehen mu?te.

»Okay«, sagte er. »Noch einmal von vorne. Bist du sicher, da? das seine Handschrift ist?«

»Ja«, sagte Elsie. »Ohne Frage.«

»Woher wei?t du das?«

Sie rumpfte die Nase. »Ich bin Graphologin, Andre. Aber hier. Schau's dir selber an.«

Sie zog eine Notiz hervor, die Johnston vor ein paar Tagen geschrieben hatte, einen Zettel, mit Blockbuchstaben beschriftet und an eine Rechnung geheftet: BITTE RCHNG UBERPRUFEN. Sie legte den Zettel neben das Pergament. »Blockbuchstaben sind im Grunde genommen einfacher zu analysieren. Sein H zum Beispiel zeigt unten eine schwache Diagonale. Er zeichnet eine vertikale Linie, hebt den Stift, um die zweite Vertikale zu zeichnen, und zieht dann den Stift uber das Papier, um den Querstrich zu zeichnen. Dadurch entsteht diese Diagonale. Oder schau dir das P an. Er macht einen Strich nach unten und geht dann hoch zur Anfangsposition um den Halbkreis zu zeichnen. Oder das E, das zeichet er zuerst als L und geht dann in einer Zickzackbewegung nach oben um die beiden Querstriche hinzuzufugen. Keine Frage. Das ist seine Handschrift.«

»Konnte sie jemand gefalscht haben?«

»Nein, bei einer Falschung wurde man ein haufiges Absetzen des Stifts und andere Hinweise bemerken. Er hat das selbst geschrieben.« »Konnte es sein, da? er uns einen Streich spielen wollte?« fragte Kate.

»Wenn ja, dann ist er nicht lustig.«

»Was ist mit dem Pergament, auf dem die Nachricht steht?« fragte Marek. »Ist es so alt wie die anderen?«

»Ja«, sagte David Stern und kam zu ihnen. »Auch wenn ich noch keine Radiokarbondatierung gemacht habe, wurde ich sagen, ja, es ist so alt wie die anderen.«

Wie kann das sein, dachte Marek. Dann sagte er: »Bist du sicher? Das Pergament sieht anders aus als die anderen. Die Oberflache wirkt irgendwie rauher.«

»Sie ist rauher«, erwiderte Stern. »Weil sie schlecht abgeschabt wurde. Im Mittelalter war Pergament ein sehr wertvolles Material. Fur gewohnlich wurde es benutzt, sauber geschabt und dann noch einmal benutzt. Aber wenn wir uns dieses Pergament unter UV-Licht ansehen ... Kann mal jemand das Licht ausmachen?« Kate ging

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